••• Von Britta Biron
BERLIN. Immer mehr Menschen ziehen in die städtischen Ballungsgebiete – weltweit liegt der Zuzug pro Monat bei rund 5,6 Millionen Personen. Mit den wachsenden Einwohnerzahlen steigt in den Städten auch der Bedarf an den verschiedensten Gütern des täglichen Lebens, was die Verkehrssysteme durch den erhöhten Warentransport an ihre Belastungsgrenze bringt. Die Folge sind Staus und Behinderungen, die sowohl bei gewerblichen als auch privaten Autofahrern für wachsenden Ärger sorgen.
Für Alex Vastag, Professor am Fraunhofer Institut in Dortmund, liegt das Problem weniger am fehlenden Platz, sondern „in Deutschland werden die Kapazitäten der Infrastruktur nicht ausgenutzt. Nachts sind unsere Straßen leer.”
Er forscht mit anderen Wissenschaftlern und Partnern aus dem Handel wie Tedi und Rewe an der Möglichkeit, den Handel in Ballungsräumen nachts zu beliefern. In anderen Ländern ist das schon längst üblich. „In New York wäre die Versorgung gar nicht mehr vorstellbar ohne Nachtbelieferung”, sagt Vastag. Doch er weiß auch, dass vor allem wegen der hohen Lärmbelastung große Ressentiments gegen eine nachtaktive Logistik bestehen.
Lösen ließe sich das Problemseiner Meinung nach einerseits durch geräuscharme Elektro-Lkws, andererseits durch schalldichte Umschlagszellen.
Sammellager in Rom
Einen anderen Ansatz, um die Lieferwagen von den Straßen zu holen, verfolgt man im römischen Altstadtviertel Tridente. Hier gibt es zahlreiche kleine Läden, die nicht nachts beliefert werden können: „Die Inhaber können sich es nicht leisten, jemanden einzustellen, der Nachts die Ware annimmt”, sagt Heribert Tress, Business Development Director bei der FM Logistic Corporate. Sein Unternehmen hat in Zusammenarbeit mit der Sapienza University of Rome das Unternehmen City Login UCC im Viertel etabliert. Es sieht vor, dass alle kleinen Läden bei dem Logistikdienstleister ihre Waren ordern. Dieser transportiert diese nicht zu den Bestellern, sondern zunächst in ein Lager in der Nähe; von hier werden alle Läden des Viertels aus diesem einen Lager beliefert.
„Wir haben damit mehr als 30% an Wegstrecke im Lieferverkehr eingespart”, sagt Andrea Campagna von der Sapienza Universität.
Seilbahnen in La Paz
Aber auch Seilbahnen sind ein interessanter Ansatz, um die Straßen der Städte zu entlasten, wie das Beispiel der bolivianischen Hauptstadt La Paz zeigt. Der österreichische Seilbahnhersteller Doppelmayr hat hier bereits drei Nahverkehrslinien gebaut, sechs weitere sind beauftragt.
Project Manager Thorsten Bäuerlen dazu: „Durch die Topografie mit Höhenunterschieden von bis zu 1.000 Metern kann man hier keine U-Bahn bauen.” Die Folge war, dass das öffentliche Nahverkehrssystem bisher ausschließlich aus Bussen bestand.
Mit der Seilbahn werden nicht nur die Straßen entlastet. „Sie sind sehr beliebt, unter anderem weil sie weit weg vom Straßenlärm fahren”, erläutert Bäuerlen.
Ein weiterer Vorteil der Seilbahnen ist auch, dass sie nicht viel Platz brauchen. Selbst in einer schon eng bebauten Stadt wie La Paz ist es kein Problem, passende Flächen für die vergleichsweise kleinen Betonfundamente zu finden.
„Als Ergänzung können sie die Infrastruktur entlasten”, ist Bäuerlen überzeugt, dass das „abgehobene” Verkehrsmittel auch für Städte z.B. in Deutschland interessant wäre.