Werkstätte der Wärmewende
© Nicky Webb
Das Roots Energy Führungsteam: Florian Hackl-Kohlweiß, Hüseyin Özcelik, Wieland Moser und Gerald Stangl (v.l.)
INDUSTRIAL TECHNOLOGY Redaktion 11.07.2025

Werkstätte der Wärmewende

Roots Energy macht mit seinem Roots Haus modulares Wärmesystem für den urbanen Gebäudebestand erstmals real erlebbar.

WIEN. In Wien wurde kürzlich ein neuer Meilenstein für die Wärmewende gesetzt: Das Wiener Technologieunternehmen Roots Energy hat sein neues Hauptquartier eröffnet: Das Roots Haus. Das Gebäude im 14. Wiener Gemeindebezirk ist europaweit das erste Reallabor, das die modulare Umstellung auf erneuerbares Heizen und Kühlen im urbanen Immobilienbestand demonstriert. Konkret wird hier auf sechs Etagen und 900 m² Fläche das Roots System weiterentwickelt. Damit ist erstmals eine schrittweise Umrüstung von fossilen auf erneuerbare Heizlösungen in bewohnten Wohnhausanlagen zu deutlich reduzierten Kosten möglich.

Urbane Wärmewende
Lange schien der bewohnte, mehrgeschoßige Gebäudebestand als kaum lösbares Problem der Wärmewende: Komplexe Technik, hohe Kosten, rechtliche Hürden und unterschiedliche Vorstellungen der EigentümerInnen – eine Heizungsumstellung war meist nicht realisierbar. Genau hier setzt das Roots System an. Zentrale Kessel und dezentrale Gasthermen werden schrittweise durch ein Wärmesystem ersetzt, das auf unterschiedliche Umweltwärmequellen wie Luft und Erde in der Umgebung des Wohngebäudes zurückgreift. „Wir zeigen, dass die Heizungsumstellung im Bestand einfach umsetzbar und wirtschaftlich sinnvoll ist. Wir standardisieren, was bisher jedes Mal neu gedacht werden musste – damit Planer entlastet und Installationen einfacher und günstiger werden“, betont Gerald Stangl, Co-Geschäftsführer von Roots Energy.

Bewährte Technik
Technologisch betrachtet ist vieles am Roots System bekannt: Umweltwärme aus Erde und Luft, Wärmepumpen, Soleleitungen. Der Unterschied liegt in der Modularisierung und Standardisierung. Alles, was eine Heizungsumstellung bislang aufwendig, teuer und oft unmöglich gemacht hat – die Auslegung, die zentrale Hydraulik sowie Mess-, Steuer- und Regeltechnik – wird bei Roots in standardisierte Produkte überführt und als System-Baukasten zur Verfügung gestellt.
Im ersten Schritt wird die Energie über ein sogenanntes Solenetz bezogen und verteilt – ein einfach zu verlegendes Leitungsnetz, das jedes Gebäude versorgt. Einfache Kaltwasserleitungen werden parallel zur Gasversorgung durch das Haus vor jede Wohnung gezogen. Eine aufwendige Kernsanierung ist keine Vorbedingung. Wurde die Wohnung zuvor mit einer dezentralen Gastherme beheizt, so erhält jede Wohneinheit einen Anschlusspunkt, an den eine kompakte Sole-Wärmepumpe mit Warmwasserspeicher – die sogenannte Soletherme – angeschlossen werden kann. Und zwar an derselben Position wie das Bestandsgerät. Die Bewohner entscheiden in einem zweiten Schritt selbst, wann sie umsteigen wollen. Dank dieser Systematik kann die Umstellung schon bei der Zustimmung der Mehrheit der Wohnungseigentumsgemeinschaft erfolgen, es braucht keine 100%ige Zustimmung mehr, woran viele Projekte in der Vergangenheit gescheitert sind.

Das Herzstück des Systems ist der Roots·Hub: eine kompakte Einheit für Hydraulik, Mess-, Steuer- und Regeltechnik. Für die Energiequellen wird meist eine Kombination aus Erd- und Luftwärme eingesetzt – das erhöht die Effizienz und ermöglicht auch das Kühlen. Die Luftwärme wird durch den Roots·Absorber aufgenommen, ein geräuschloses, bewilligungsfreies Produkt, das sich besonders gut für den Einsatz im urbanen Raum eignet.

Labor, Treffpunkt und Leuchtturmprojekt
Das Roots Haus, das neue Hauptquartier des Unternehmens, ist ein ökologisch saniertes Gebäude aus den 1970er Jahren, in dem das gesamte Roots System verbaut wurde und zukünftig auch weiterentwickelt wird. An seinem Standort in der Linzer Straße 76 im 14. Wiener Gemeindebezirk lässt sich das System in seiner Gesamtheit erleben – von der Umweltwärmequelle über das Solenetz bis hin zur Wärmepumpe in der Wohnung. „Wir haben mit dem Roots Haus einen Ort geschaffen, an dem man die Wärmewende nicht nur verstehen, sondern auch erleben kann – mitten in einem typischen Wiener Bestandsgebäude. Damit beweisen wir: Erneuerbare Systeme sind im Wohnbereich fossilen Heizungen in jeder Hinsicht überlegen. Sie heizen genauso zuverlässig, ermöglichen Kühlen und sind deutlich günstiger im Betrieb“, sagt Hüseyin Özcelik, Co-Geschäftsführer von Roots Energy. Das Haus dient nicht nur als Entwicklungszentrum und Büro für das Team, sondern auch als Treffpunkt für die Wärmewende-Szene und künftig auch als Schulungsort für Fachplaner. Es wurde vom Klimafonds als Musterhaus gefördert und bildet den typischen urbanen Gebäudebestand in Mitteleuropa realitätsnah ab.

Ausblick
Derzeit setzt Roots mehrere Projekte in Wien und Salzburg um, darunter zahlreiche mehrgeschoßige Wohngebäude. Das Unternehmen bereitet aktuell die Skalierungsphase vor. Im Mittelpunkt stehen institutionelle Eigentümer, Fachplaner und Bauträger österreichweit. Auch eine Expansion in den deutschen Markt ist geplant.

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