••• Von Michael Graswald
In der Zustellerbranche – die nach wie vor wächst und in der sich milliardenschwere Unternehmen tummeln – hat sms „als kleine Firma eine Nische gefunden”, sagt Geschäftsführer Georg Weidinger im medianet-Exklusivinterview. Besonders der Schritt nach Hongkong hat sich für den risikolustigen Weidinger voll ausgezahlt.
Es sind eben solche, teilweise unkonventionelle, Entscheidungen, die Georg Weidinger so interessant machen. „Klar, es ist ein Risiko, Unternehmer zu werden. Aber es ist dafür umso schöner, wenn man dann sieht, dass es die richtige Entscheidung war.” Und bisher gingen seine Entscheidungen „gleich beim ersten Mal” auf, wie er selbst sagt. So wurde für die sms ein eigenes „Lagerhaussystem” programmiert. Mit „Easy-Commerce” wird dem Kunden ein umfangreiches Tool angeboten, damit dieser seine Waren immer im Blick haben kann.
„Unsere Stärke ist es, dass wir dem Kunden unterschiedliche Distributionskanäle anbieten können. Wenn wir jetzt eines der unzähligen Systeme teuer eingekauft hätten, wären trotzdem nicht alle unsere Anforderungen abgedeckt gewesen. Deshalb haben wir uns entschlossen, selbst ein System zu programmieren.”
Gut ist schnell oder günstig
Die von Weidinger angesprochene Flexibilität der Distributionskanäle ist ein weiterer, wichtiger Faktor des Erfolgs der swiss mail solutions. Fünf Verträge mit Postgesellschaften, die ständig mit Volumen versorgt werden müssten, würde die sms im Moment unterhalten, so Weidinger.
Um dem Kunden in der Vielzahl von unterschiedlichen Zustellerdiensten in der heutigen Zeit ein „gutes Konzept” präsentieren zu können, muss aber erst einmal definiert werden, was für den Kunden „gut” bedeutet. „Gut kann in dem einen Fall heißen, dass die Sendung schnell erfolgt, in einem anderen Fall soll gut aber günstig sein.”
Asien als Quellmarkt
Und die sms geht, wie Georg Weidinger betont, selbst mit gutem Beispiel voran: „Unsere Lager in Bratislava und Belgrad haben wir an Partner ausgelagert. Es gibt eine kleine Truppe von 20 Leuten, die sich um IT, Marketing und Einkauf kümmert, aber das operative Geschäft haben wir outgesourct.”
Doch es sind nicht mehr nur jene Sitze der sms in Europa – neben Österreich noch der Stammsitz in der Schweiz, in Bratislava und in Belgrad –, sondern vor allem jener in Hongkong, der für die swiss mail solutions immer mehr an Bedeutung gewinnt.
„Die Idee war, dass wir ganz nah an unseren Kunden sind. Es geht darum, dass wir dort, wo unsere Kunden zu Hause sind, vor Ort sind, mit ihnen in der Nationalsprache kommunizieren können und darum, dass wir trotz der Zeitverschiebung schnell auf etwaige Probleme reagieren können.” Nach wie vor sind die Produktionsunterschiede zwischen Asien und Europa enorm. Aus diesem Grund steigt die Anzahl der in Asien gekauften Produkte stetig. Von diesem Markt würde die sms sehr profitieren, gibt Weidinger zu – wieder eine von seinen Ideen, die er in die Tat umgesetzt hat und bei der sich das Risiko ausgezahlt hat. „Es war die richtige Entscheidung, dort mit lokalen Anbietern tätig zu sein. Grundsätzlich bin ich sehr zufrieden und bereue die Entscheidung nicht.”
Auch generell kann er mit der Entwicklung des immer noch jungen Unternehmens zufrieden sein: „Wir sind faktisch auf einem Schiff unterwegs, das nicht untergehen kann.” Das Kerngeschäft der sms, das „Crossborder-Geschäft”, also das klassische Paketgeschäft zusammen mit dem Fulfillment-Sektor, würde weiterhin zwischen 18 und 20 Prozent pro Jahr wachsen.
Eine Neuerung könnte für die swiss mail solutions bald zu einem Vorteil werden – nämlich der Transportweg. Bislang gab es zwei Wege, um Waren aus Asien nach Europa zu bringen: auf dem Seeweg (dauert sehr lange) oder per Flugzeug (sehr teuer).
Doch möglicherweise gibt es bald eine echte Alternative: die Bahn. „Wenn ich Waren mit der Bahn innerhalb von 14 Tagen von Asien in unsere Lager in Belgrad oder Bratislava bringen könnte, wäre das ein sehr positiver Faktor für uns.”
Problemzone Europa?
Bei all dem Auftrieb, den die sms durch den asiatischen Markt hat, gibt es auch für das Unternehmen von Georg Weidinger Probleme: „Die Europäische Union ist natürlich auch darauf bedacht den lokalen Handel ein Stück weit zu schützen – das kann ich auch wirklich verstehen.”
So gibt es schon länger Diskussionen darum, ob die bisher geltende Zollfreigrenze (für private Käufer im Moment 22 €), nicht reduziert werden sollte.
Vorreiter für diese Idee ist Schweden, wo man per März dieses Jahres die Zollfreigrenze auf null Euro gesetzt hat.
Trotzdem finden sich im Kundenmix der sms, dem auch Kunden aus Australien, den USA und Südafrika angehören, viele aus europäischen Ländern.
Nur ein Land fehlt im Kundenstamm: Österreich. „Ich habe mich schon oft gefragt, warum wir keinen einzigen österreichischen Kunden haben”, sagt Weidinger. „Eine echte Antwort habe ich aber nie gefunden.”
Täglich Produkte streicheln …
Doch einen Erklärungsversuch hat er dann doch: Es würde internationale Kunden geben, die würden ihre Produkte nie sehen, weil sie vom Produzenten gleich in ein Fulfillment-Lager der swiss mail solutions geliefert werden und diese den Weiterversand organisiert. „Ein österreichischer Unternehmer will sein Produkt aber nicht aus den Augen lassen – er will wissen, dass es im Lager liegt, und am liebsten würde er es jeden Tag streicheln”, beendet Weidinger das medianet-Gespräch.