••• Von Britta Biron
LONDON/BERLIN. Die einstige Zurückhaltung gegenüber dem E-Commerce hat das Gros der Luxusmarken längst hinter sich gelassen, bietet ihre feine Ware über eigene Online-Boutiquen und Shoppingplattformen an, und die Kunden greifen mit Begeisterung zu.
Die Online-Sparte des Richemont-Konzerns, die neben den digitalen Marken-Boutiquen auch die Plattformen der Yoox-Net á Porter-Gruppe sowie Watchfinder umfasst, verzeichnete für das erste Halbjahr per Ende September ein Plus von 28% auf 1,026 Mrd. €. Der Umsatz des britischen Online-Händler Farfetch lag mit 1,021 Mrd. USD um fast 70% über dem Wert von 2018, und auch beim deutschen Mitbewerber Zalando klingelten die Kassen kräftig: 6,5 Mrd. € setzte das in Berlin ansässige digitale Kaufhaus im Vorjahr um, ein Zuwachs von knapp über 20%. Dabei performte das Premium- und Luxussegment, das in den letzten Jahren kräftig erweitert wurde, besonders gut.
Guter Start
Laut der Marktanalyse von Bain & Co stieg der weltweite Internetumsatz mit Edelfashion, Accessoires, Uhren, Schmuck, Kosmetik und Parfüm im Vorjahr um satte 22% auf 33 Mrd. €.
Wenig überraschend waren sich Analysten, Brancheninsider, Unternehmen und Trend-Analysten daher auch ziemlich einig, dass die Erfolgsstory 2020 anhalten würde – zumindest die Zahlen von Jänner und Februar zeigten einen weiteren Aufwärtstrend.
Die Erwartungen wurden rund um den Shutdown des Handels im Zuge der Corona-krise zum Teil noch weiter nach oben geschraubt. Die Annahme, dass geschlossene Läden die Käufer scharenweise in die Onlineshops treiben würde, klang ja auch plausibel, sie war allerdings falsch.
Kräftiger Einbruch
Angesichts der gesundheitlichen Bedrohung und der massiven Änderungen im privaten, beruflichen und öffentlichen Leben war vielen Menschen verständlicherweise die Shoppinglaune vergangen. Kein Wunder. Wie sinnvoll ist es, in neue Frühlingsgarderobe zu investieren, wenn rund um die Welt bis auf Weiteres Stay at Home die Devise ist? Was nützt der chice Luxuslippenstift, wenn eine Maske den Mund verdeckt?
Neben dem geringeren Kundeninteresse waren die Online-Shops auch von den Problemen betroffen, die viele andere Branchen in Coronazeiten plagen, wie vermehrte Krankenstände, Probleme mit den Lieferketten oder behördliche Restriktionen. Yoox und Mr. Porter hatten per Ende März Verteilzentren und Online-Store in Europa und den USA geschlossen. Behelfsmäßig werden Bestellungen bis auf Weiteres über Hongkong abgewickelt, was angesichts längerer Lieferzeiten und eventueller Zölle für viele Kunden aber nur mäßig attraktiv sein wird.
Zumindest Image-Punkte kann sich der E-Commerce-Riese sichern: Die Premier Delivery Service-Flotte in London wurde karitativen Organisationen, die Senioren mit Lebensmitteln und Medikamenten beliefern, zur Verfügung gestellt; zudem hat das Unternehmen in Oberitalien Laptops für Schulen gespendet.
Hilfsprogramm
Zalando, selbst von der Kaufzurückhaltung der Kunden betroffen, will trotzdem den stationären Modehandel unterstützen und hat dafür sein Connected Retail-Programm adaptiert. Bis zum 31. Mai wird neuen und bestehenden Einzelhändlern, die über die Plattform verkaufen, keine Provision verrechnet, und die Auszahlung der Umsätze wurde von monatlich auf wöchentlich umgestellt.
„Wir sehen dringenden Bedarf, schnell zu handeln und wollen Händlern jetzt schnellstmöglich Zugang zu Onlinekunden verschaffen”, erklärt Carsten Keller, Vice President Direct to Consumer.