Agenturen reagieren gemischt auf Speed-Dating-Pitch von A1
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MARKETING & MEDIA Redaktion 16.07.2025

Agenturen reagieren gemischt auf Speed-Dating-Pitch von A1


Von „frech“ bis „smart“ – die Branche über den neuen Auswahlprozess für die Weihnachtskampagne.

WIEN. A1 hat unter seiner neuen Director Marketing Communication Stefanie Winkler-Schloffer ein ungewöhnliches Verfahren für die heurige Weihnachtskampagne gestartet: Ein offenes Speed-Dating für alle Agenturen Österreichs soll den Zugang erleichtern und neue kreative Partner ins Spiel bringen und auch kleineren Agenturen die Möglichkeit bieten, ihr Können zu zeigen; quasi eine Demokratisierung des Pitches als Grundidee. Und: Erst nach dem Kurzpitch werden drei bis fünf Agenturen zu einem vertieften Wettbewerb eingeladen, wo dann an die unterlegenen Agenturen auch ein Abstandshonorar bezahlt wird. Für die Arbeit zum 5-Minuten Date gibt es an die teilnehmenden Agenturen kein Geld. medianet hat in der Branche nachgefragt, wie dieser Ansatz ankommt.
 
Skeptische Stimmen
Viele Branchengrößen sehen das Modell tendenziell eher skeptisch. Jürgen Vanicek, geschäftsführender Gesellschafter von Demner, Merlicek & Bergmann / DMB., meint dazu: „Speed-Dating ist eine Veranstaltung, bei der man sich in kurzer Zeit kennenlernt. Ginge es nur ums Kennenlernen, wäre es ein guter Ansatz, möglichst viele Agenturen einzuladen. Die Zumutung beginnt dort, wo aus dem Kennenlernen ein Pitchen wird: In zehn Minuten sollen Agenturen nicht nur sich selbst vorstellen, sondern gleich ihr Wertvollstes auf den Tisch legen – ihre Ideen. Das zeigt, wie diese Ideen geschätzt werden: nämlich gar nicht.“
Auch Ralf Kober, Geschäftsführer von Springer & Jacoby, spart nicht mit klaren Worten: „Springer & Jacoby ist keine Agentur für eine Nacht bzw. eine schnelle Nummer. Außerdem sind wir Unterzeichner der IAA Pitch Charta. Diese A1 'Einladung' verstößt so ziemlich gegen alle Punkte der Pitchcharta.“
 
Heimo Hammer, Geschäftsführer von kraftwerk, zeigt sich auch kritisch, aber zumindest etwas weniger streng in seiner Beurteilung: „Wir leben in einer freien Welt und jeder Kunde kann frei entscheiden, was und wie ausgeschrieben wird. Es kann jede Agentur entscheiden, ob sie mitmacht oder nicht. Speed Dating kann als ergänzende Challenge, aber nicht als Ersatz für ein professionelles Agenturauswahlverfahren im Sinne der IAA Pitch Charta eingesetzt werden, insbesondere für Netzwerk-Aufbau und Vorauswahl bei kleineren bis mittleren Projekten.“

In einer Analyse fasste er zusammen, dass Speed Dating zwar Effizienz und niedrigere Einstiegshürden biete, aber auch „Oberflächlichkeit bei komplexen Themen“, „Benachteiligung introvertierter Persönlichkeitstypen“ und „Qualitätsprobleme bei schnellen Entscheidungen“ mit sich bringe.
 
Sehr kritisch sieht hingegen Jürgen Bauer, Obmann des WKÖ-Fachverbands Werbung und Marktkommunikation den neuen Ansatz: „Ideen sind das Business unserer Branche, diese gratis zu verlangen ist aus meiner Sicht absolut nicht in Ordnung. Den Ansatz des Speeddatings an sich finde ich gut, wenn man es nutzt um einen passenden Partner oder eine passende Agentur zu finden, also quasi ein Chemie-Check. Aber gratis Ideen abgreifen von allen Agenturen in Österreich ist frech.“
 
Helmut Kosa von &Us hebt hervor, dass dieser Zugang nicht zu seiner Agentur passt: „Wir kennen nicht die genauen Überlegungen von A1 für diese Ausschreibung, aber ist wird sicher gute Gründe dafür geben. Formate wie das geplante Speed-Dating können sicher eine Möglichkeit sein, in kurzer Zeit viele kreative Inputs zu generieren. Unsere Arbeitsweise folgt aber einem anderen Ansatz: Wir begleiten Unternehmen bei der Entwicklung ihres nächsten Wachstumsschrittes. Im Mittelpunkt steht dabei die Schärfung einer klaren Positionierung, die aus dem Markenkern heraus entsteht, intern gelebt- und nach außen erlebbar gemacht wird. Darauf aufbauend wird die passende Kampagne für ein Unternehmen entwickelt, die optimal in die Markenpositionierung und somit auch in langfristiges Wachstum einzahlt. Der Erfolg unserer Kunden bestätigt unsere Vorgehensweise. Für unseren Ansatz ist dieses Pitch-Format nicht passend, da wir unseren Anspruch hier nicht qualitativ für A1 umsetzen können. Daher haben wir uns entschieden bei der Ausschreibung für die Weihnachtskampagne nicht teilzunehmen.“
 
Aber auch positive Signale
Doch es gibt auch Stimmen, die den unkonventionellen Zugang durchaus schätzen. Markus Wieser von Freude Agency sieht darin sogar eine kluge Initialzündung: „In verrückten Pitch- und Dumpingzeiten wie den unseren finde ich diesen Approach erfrischend offen. Und als allerersten Move der Marketingleiterin auch smart. So lernt jeder sie kennen und sie kriegt einen raschen Überblick. Unterm Strich von mir: Daumen hoch.“
 
Und auch Rosa Merlicek von Merlicek & Partner zeigt sich offen für den Versuch. In einer Stellungnahme gegenüber medianet heißt es: „Für mich überwiegt klar der Vorteil: Endlich haben auch Außenseiter – ohne aktuellen Telekom-Case im Portfolio – die Chance, mit einer überraschenden Idee auf sich aufmerksam zu machen. Man könnte sagen: Endlich wieder ein spannender österreichischer Etat, den es zu erobern gilt. Und jeder kann die beste Idee haben.“
Merlicek räumt jedoch ein: „Das Zeitfenster für Ideenfindung ist extrem knapp. Viele von uns stecken mitten in Projekten, die genau jetzt ihre Hochphase haben. Da würde ich mir mehr Wertschätzung für unsere Arbeit wünschen.“ Und sie ergänzt: „Ich sehe das wie ein Chemistry Meeting für das man sich ja auch sehr gut vorbereiten würde und es noch kein Abstandshonorar gibt. Der Funke muss überspringen, das Ideen-Feuerwerk ist dann für die Präsentation vorbehalten, für die es anstandshalber ein Abstand Honorar gibt“. (fej)

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