••• Von Britta Biron
Etliche Neuerungen hatte der Creativ Club Austria (CCA) für den diesjährigen Bewerb schon Anfang des Jahres vorgestellt (medianet hatte darüber berichtet), doch gegen Ende der ursprünglichen Einreichfrist war klar, dass der komplette Fahrplan nochmals von Grund auf überarbeitet und an die spezielle Corona-Situation angepasst werden muss.
Über das neue Konzept sowie auch die generellen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Kreativbranche hat medianet mit CCA-Präsident Andreas Spielvogel (DDB Wien) und CCA-Geschäftsführer Reinhard Schwarzinger gesprochen.
medianet: Was waren die größten Herausforderungen bei der Anpassung des Konzepts an die besonderen Rahmenbedingungen?
CCA: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Branche. Sind Einreichgebühren zeitgemäß, wenn ums wirtschaftliche Überleben gekämpft wird und wenn Firmen alles Mögliche versuchen, damit Mitarbeiter nicht gekündigt werden müssen? Fragen wie diese gaben den Anstoß, die CCA-Venus neu auszuschreiben – und zwar ohne Einreichgebühren. Dies stellt den Creativ Club Austria klarerweise vor eine große Herausforderung, weil die Einreichgebühren in den vergangenen Jahren circa den halben Jahresumsatz darstellten. Heuer zahlen die Gewinner wie gewohnt den Produktionskostenbeitrag für ihre Arbeiten im Creativ-Club-Austria-Jahrbuch und (neu) ihre gewonnen Venus-Statuen.
medianet: Eine Krise biete immer auch Chancen, heißt es – ist das Ihrer Meinung nach eher eine leere Worthülse oder ein Motto, das auf die Kreativ-Branche besonders zutrifft?
CCA: Eine Ausnahmesituation bietet definitiv die Chancen, Workflows und Aufgaben neu zu denken, das eigene Geschäft zu überdenken. Für den Creativ Club Austria ist die Neuausschreibung des Awards ebenfalls eine Chance: Wir sehen heuer Arbeiten von Kreativschaffenden, die bislang aufgrund der Gebühren nicht eingereicht hatten. Wir bekommen sehr viel positive Resonanz für diesen Schritt, nicht nur aus Österreich, sondern beispielsweise auch aus Hamburg. Wir müssen uns dann natürlich ansehen, was wir für die Zukunft mitnehmen und beibehalten können.
medianet: Auf welche Sektoren der Kreativ-Branche hat Corona die stärksten Auswirkungenund welche aktuell notwendigen Änderungen werden vermutlich nachhaltig sein?
CCA: Das Positive zuerst: Es gibt keine schlechte Zeit für gute Werbung! Die aktuellen Herausforderungen fördern neue Denkweisen, außergewöhnliche Lösungen und überraschende Kreativität. Tatsächlich waren – und sind zum Teil noch immer – Produktionsfirmen besonders stark betroffen. Werbedrehs sind zwar wieder möglich, jedoch unter besonders schwierigen Bedingungen, die ein sehr hohes Maß an Disziplin, Professionalität und Verantwortung verlangen. Abstand halten, Masken tragen, desinfizieren – der sorgsame Umgang miteinander kostet Zeit und damit auch Geld. Das ist weder für die Produktion noch für die Agentur und den Auftraggeber immer einfach. Ähnliches gilt auch für die Fotografen und die Tonstudios – überall braucht es eine Extraportion Engagement und Verantwortung. Aber es ist toll, zu sehen, wie adaptiv und flexibel die Branche ist. Viele von uns arbeiten schon wieder auf Hochbetrieb.
medianet: Corona hat die Digitalisierung in vielen Bereichen beschleunigt; wird dieser Trend Ihrer Einschätzung nach auch nach der Krise anhalten? Werden Werbe- und Marketingbudgets noch stärker von den traditionellen zu den digitalen Medien verlagert werden?
Spielvogel: Vor allem die Arbeitsweise hat sich innerhalb weniger Tage digitalisiert. Gefühlte 100.000 Homeoffices unterschiedlichster Agentur-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter beweisen eindrucksvoll, dass wir zwischen Skype, Teams und Zoom hochproduktiv angekommen sind. Dieser Digitalisierungsschub wird sicherlich eine bleibende Wirkung haben. Überall dort, wo Homeoffice bisher kein Thema war, wird es spätestens jetzt ein fixer Bestandteil des Büroalltags werden. Dazu kommt das Produzieren via Remote – auch das ist ein Digitalisierungsschritt, der uns zukünftig begleiten und neue Möglichkeiten bieten wird. Mediatechnisch haben wir derzeit einen starken Fokus auf Digital. Aber auch das klassische Medium Radio bietet derzeit tolle Werte – Stichwort: ‚Primetimeniveau über den ganzen Tag'. TV hat nicht nur an Reichweiten, sondern auch an Relevanz gewonnen – sowohl linear als auch on demand.
medianet: Die Gefahr, mit einer Kampagne einen Shitstorm auszulösen oder bei der Zielgruppe zumindest für Irritation zu sorgen, scheint in der Corona-Ära deutlich gestiegen zu sein. Wird auf diese besondere Situation bei der Konzeption von Kampagnen jetzt generell mehr Wert gelegt als früher und werden dafür spezielle Tools eingesetzt?
CCA: Wir diskutieren dieses Thema, aber unserer Einschätzung nach ist es sehr hochgeschaukelt. Grundtenor: Alle reden davon, aber die meisten sind sich einig, dass Angst auch in der Werbung ein schlechter Begleiter ist. In diesem Zusammenhang wollen wir auf die Schlagwörter unserer Vorstandsgruppe im Creativ Club Austria hinweisen: Relevanz und Radikalität. Es ist bedeutender, darauf zu achten, hochrelevant und kreativ zu sein, als aus Angst vor jedem Shitstorm auf ausgezeichnete Ideen zu verzichten. Damit das gut gelingt, setzen wir auf unsere Erfahrung, auf Verantwortung, auf Anstand, Gefühl und Logik – gepaart mit Kreativität, ist das ein unschlagbares Instrument.
medianet: Krisen können also auch die Kreativität fördern. Ist es denkbar, dass es bei den CCA Awards im nächsten Jahr eine eigene Corona-Kategorie geben wird bzw. war eine solche eventuell für heuer schon angedacht?
CCA: Für die Neu-Ausschreibung heuer haben wir uns gegen eine eigene und zusätzliche Kategorie entschieden, da wir den Bewertungszeitraum mit Ende Februar 2020 gleich ausgespart haben. Außerdem gehen wir davon aus, dass uns die Covid-19-Pandemie noch länger beschäftigen wird. Neue Kategorien, Erweiterungen oder große Änderungen bieten sich daher eher im nächsten Jahr an. Ob dann Bedarf für eine eigene Covid-19-Kategorie besteht, lassen wir derzeit noch offen.
medianet: Im Vorjahr hat der CCA die Young Creatives-Mitgliedschaft eingeführt und eine Reihe weiterer Maßnahmen für die Nachwuchsförderung gestartet. Wie sieht das Zwischenfazit aus?
CCA: Wir freuen uns über mittlerweile 50 ‚Young Creatives'-Mitglieder und über die stetig wachsenden Anmeldungen. Als Partner der österreichischen Cannes-Lions-Festivalrepräsentanz, der ORF-Enterprise, konnten wir zumindest die beiden Kreativ-Kategorien ‚Digital' und ‚Film' der Young Lions Competition durchführen. Das Finale des ‚Werbewunder Radio', in Kooperation mit ORF-Enterprise, RMS Austria und Marx Tonkombinat, findet im Mai statt. Es gab ‚Young Creatives Sessions' bei den vielfach prämierten Agenturen Traktor, Studio Riebenbauer und Wild sowie einen Zwei-Tages-Workshop im Tonstudio Wunderbar. Im Herbst steht eine Session bei Moodley an.
medianet: Gibt es heuer neue Maßnahmen in der Nachwuchsförderung?
CCA: Wir bauen dieses Angebot stetig aus und werden heuer die Youngsters in die CCA-Jurys als Assistenten involvieren. Näher bei einer Jury zu sein geht nicht; außer als Juror.
medianet: Welche Auswirkungen hat Corona auf das Weiterbildungsangebot des Creativ Clubs Austria?
CCA: Aktuell wenig bis keine. Die erste Jahreshälfte stand ganz im Zeichen der CCA-Venus. Wir haben einen Drei-Tages-Workshop des ADCE Creative Incubators noch vor dem Shutdown Anfang März in Wien veranstalten können. Unsere jährliche Plakat-Academy mit der Gewista mussten wir jedoch leider absagen, aber unsere Workshopreihe in Linz in Zusammenarbeit mit der Creative Region Linz & Upper Austria soll im Herbst in die zweite Runde gehen. Wir hoffen natürlich, dass diese Termine Face-to-Face stattfinden können. Ein Online-Eventformat ist natürlich eine Option, aber nur, wenn es anders nicht möglich ist.