Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider
EVOLUTION. Die öffentliche Debatte kreist seit Monaten um ChatGPT, Gemini und verwandte Text- und Bildmaschinen. Doch der Paradigmenwechsel findet abseits dieser Spielereien statt – mittels „Real-World AI“, der Künstlichen Intelligenz in physischen Prozessen.
Während generative Modelle plaudern und zeichnen, verändert Real-World AI die Fundamente von Industrie und Städten mit vorausschauender Maschinen- und Anlagenwartung, autonomer Logistik, medizinischer Diagnostik und „smarten“ Citys: In autonomen Fabriken, „Smart Factories“, steuern digitale Zwillinge die gesamte Produktion, passen Materialflüsse an und reagieren selbstständig auf Störungen. Studien belegen: Betriebskosten sinken, die Produktivität steigt, Fehlerquoten halbieren sich.
Noch deutlicher wird das Potenzial in der sogenannten „Smart City“. KI-gesteuerte Ampeln reduzieren Staus und CO2-Ausstoß, smarte Abfallwirtschaft spart Millionen, Sensoren im ÖPNV machen Bus- und Bahnnetze effizienter. Angesichts der urbanen Dynamik – bis 2050 leben zwei Drittel der Menschheit in Städten – führt an solchen Lösungen wohl langfristig kein Weg vorbei. Jede Kommune wird, nolens volens, zu einer – mehr oder weniger cleveren – Smart City werden. Ein spektakuläres Beispiel für Real-World AI ist Waymo, eine Google-Tochter, die Technologien für autonome Fahrzeuge entwickelt. In Phoenix und San Francisco sind inzwischen tausende Menschen regelmäßig furcht- und fahrerlos in Robotaxis unterwegs. Die Fahrzeuge navigieren im kommerziellen Live-Betrieb im realen Stadtverkehr.
Die wirtschaftliche Dimension dieser Anwendungen ist gewaltig: Während der globale Markt für Generative AI bis 2030 rund 200 Mrd. USD erreichen dürfte, wird der Markt für Real-World AI auf fast zwei Billionen USD (!) taxiert.
Real-World AI entscheidet über der Erhalt von Wettbewerbsfähigkeit, Standortattraktivität und Lebensqualität. Unternehmen und Kommunen, die jetzt nicht investieren, gehen in ihrer Zukunftsstrategie mit einem schlechten Blatt all-in.
