Das Unbehagen  an der Politik
MARKETING & MEDIA Redaktion 05.12.2025

Das Unbehagen an der Politik

Politikverdruss befördert den Wandel zu schlecht inszenierten Postdemokratien.

Leitartikel  ••• Von Sabine Bretschneider

VERDRUSS. Der Finanzminister sieht die heimische Konjunktur schon in der Zeit der Erholung, zitiert orf.at Markus Marterbauer aus einer Podiumsdiskussion der AK. Und: „Ich behaupte nicht, dass die Bundesregierung sozusagen der entscheidende Faktor wäre für diese konjunkturelle Erholung, aber zumindest schaden tun wir der konjunkturellen Erholung auch nicht.“ Ein bemerkenswerter Ansatz. Der Bundesregierung Licht so blickdicht unter den Scheffel zu stellen, ist entweder ein Ausdruck ungewohnter Bescheidenheit – oder aber ein Eingeständnis völliger Hilflosigkeit angesichts deren Performance. „Nutzts nix, schadets nix“ als Handlungsmaxime wirtschaftspolitischer Strategie.

Abseits sprachlicher Ausrutscher ist das Thema heikles Terrain. Die Unzufriedenheit mit dem politischen System in Österreich wächst: Nur 35% der Bevölkerung finden, dass das System „sehr gut“ oder „ziemlich gut“ funktioniert – 2018 waren es 64%. Das zeigen neue Daten des Sozialforschungsinstituts Foresight. Das ist gefährlich. Die Mobilisierung politisch Verdrossener nimmt schnell demokratiegefährdende Züge an. Wenn „nix weitergeht“, wenn der Lebensstandard talwärts rutscht, wenn die Zukunft sich verdüstert, dann wächst die Tendenz, dass der „Wutbürger“ sich umorientiert. Der Vorwurf, Parlamente seien ineffektive „Schwatzbuden“, die dem „Willen des Volkes“ nicht Geltung verschafften, wurde in Deutschland in den Jahren vor 1933 lautstark erhoben. Die Folgen sind bekannt.

Auch die Medien tragen zum Verdruss bei. ­Eine überwiegend negative Berichterstattung  – Only bad news … und das Schielen auf Klicks – verfestigt negative Einschätzungen.  War früher alles besser? Darauf reagierte der deutsche Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel vor etlichen Jahren in der FAZ („Krise? Krise!“) mit gequälter Ironie: „Man frage nur, ob ein Afroamerikaner in den USA der Fünfzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts, eine Schweizer Frau in den Sechzigerjahren oder Homosexuelle in Deutschland und anderswo lieber in den Siebzigerjahren gelebt hätten als heute.“

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