Gastkommentar ••• Von Roland Grafl
WIEN. 83% – so hoch war die Übereinstimmung zwischen einem KI-generierten Mediaplan und dem Entwurf eines erfahrenen Planers – erreicht in Sekunden statt Stunden. Die Agentur Add2 feierte ihren Algorithmus „ADA“ als Durchbruch. Doch die entscheidende Zahl steckt in den restlichen 17% – den menschlich entwickelten Mediaplänen. Dort finden sich die unkonventionellen Ideen, die Risikowetten, die kreativen Umwege. Kurz: alles, was eine Kampagne von „solide“ zu „herausragend“ katapultiert.
KI revolutioniert die Mediaplanung, keine Frage. Das System „AIlon“ aus Lüneburg durchforstet Millionen Verhaltensdaten und senkt die Cost per Order um 26%. Google und Meta automatisieren mit Performance Max und Advantage+ die Ausspielung bis in die letzte Mikro-Zielgruppe. Die Maschine macht, wofür Teams früher Tage brauchten, in Minuten. Datengetriebene Routine läuft auf Autopilot.
Trugbild: Perfekte Maschine
Doch der Autopilot hat einen Blindspot. Eine Studie des Interactive Advertising Bureau zeigt: Über 70% der Werbetreibenden sind schon auf KI-Pannen gestoßen. Algorithmen erfinden Fakten, reproduzieren Vorurteile, platzieren Markenbotschaften neben toxischen Inhalten. Trotzdem plant nur jedes dritte Unternehmen, mehr in Kontrolle und Governance zu investieren. Die Branche rast mit 200 km/h, während sie noch an den Bremsen schraubt.
Besonders heikel: die Blackbox-Systeme der Tech-Giganten. Wer Performance Max nutzt, übergibt Google nicht nur das Budget, sondern auch die Entscheidung, wo und wie Anzeigen landen. Effizienz gegen Kontrolle – ein Tauschgeschäft, das viele Marken erst verstehen, wenn der Schaden da ist. Der WARC-Report warnt: Markensicherheit wird zur Achillesferse der KI-Ära. Hier beginnt die eigentliche Arbeit. Eine KI kann Muster erkennen, aber keine Bedeutung stiften. Sie optimiert auf Klicks, nicht auf Relevanz. Sie targetiert präzise, versteht aber keine kulturellen Codes. Ein Algorithmus weiß nicht, wann eine Kampagne zynisch wirkt oder warum ein Timing politisch brisant ist. Er kennt keine Intuition, kein ethisches Unbehagen, keine Empörung.
Der menschliche Mediaplaner wird zum Kurator, der die Datenlawine filtert und fragt: Was davon ist taktisch klug? Was strategisch wertvoll? Was moralisch vertretbar? Er zieht Linien, die kein KPI-Framework vorgibt. Er baut ein Narrativ, wo Daten nur Fragmente liefern. In Österreich, wo KI längst „strukturgebender Faktor“ ist, zeigt sich: Die Rolle verlagert sich vom Umsetzer zum Strategen.
Kein Entweder-oder
Die Frage ist nicht, ob KI die Mediaplanung übernimmt. Sie tut es bereits – in Teilen. Die Frage ist, wer das letzte Wort hat. Maschinen sind brillant im Skalieren, Menschen im Bewerten. KI findet die Nadel im Heuhaufen, der Mensch entscheidet, ob es die richtige Nadel ist. Wer das versteht, nutzt KI als Werkzeug, nicht als Orakel. Am Ende zählt nicht, wie schnell ein Plan entsteht, sondern ob er funktioniert. Ob er eine Marke stärkt, nicht nur Klicks generiert. Ob er in drei Monaten noch tragfähig ist, nicht nur im Dashboard von heute. Die Maschine liefert Antworten. Der Mensch stellt die Fragen. Solange das so bleibt, hat die Mediaplanung eine Zukunft jenseits des Algorithmus.
