„Die Idee ist das Herzstück bei Pitch“
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Martin Weinand
MARKETING & MEDIA Redaktion 22.07.2025

„Die Idee ist das Herzstück bei Pitch“

Pitchberater Martin Weinand kritisch über die Idee von A1 für ein kreatives Speed-Dating – Idee inklusive.

WIEN. Kürzlich lud Stefanie Winkler-Schloffer, neue A1 Director Marketing Communication zu ihrer ersten Pressekonferenz und präsentierte dabei auch die Idee, dass für die nächste A1 Weinachtskampagne, noch vor dem Pitch,  eine Art kreatives Speed-Dating veranstaltet wird, wo alle heimischen Agenturen eingeladen sind, ihre erste, schnelle Idee zu präsentieren. Danach will man drei bis fünf Agenturen einladen, die dann tatsächlich in einem Pitch-Prozess starten sollen.
Manche in der Branche fanden die Idee gut – medianet berichtete in einem Rundruf darüber – doch viele kritisierten vor allem den Ansatz, schon bei diesem ersten fünf-Minuten Speed-Date eine Idee zu präsentieren zu müssen. Selbst die IAA Austrian Chapter meldete sich mit einem kritischen Offenen Brief zu Wort.
medianet bat nun auch den erfahrenen Pitch-Berater Martin Weinand um seine Meinung zu einem ausführlichen Interview.
 
medianet: Herr Weinand, die Idee von A1 für die nächste Weihnachtskampagne zu einer Art offenem Speed-Dating einzuladen, hat für durchaus gemischte Reaktionen am Markt gesorgt. Wie beurteilen Sie die Idee als Pitchberater?
Martin Weinand: Bevor ich Ihnen darauf antworte, ist es mir wichtig zu betonen, dass ich mir mein Urteil nicht nur aufgrund dessen bilde, was mir Agenturchefs oder Medien erzählen. Ich rede darüber immer mit allen Seiten. Und ich habe deshalb auch mit Frau Winkler-Schloffer gesprochen, und sie hat mir ihre Überlegungen und Zielsetzungen erklärt.
Wenn ich das richtig verstanden habe, geht es ihr vor allem darum, den Pitch zu demokratisieren. Es sollen nicht immer ‚dieselben fünf Agenturen‘ eingeladen werden, sondern es soll ein niederschwelliger Zugang auch für kleinere Agenturen geschaffen werden.

Aus meiner Sicht ist das aber nicht der geeignete Weg, um dieses Ziel zu erreichen.
 
medianet: Warum?
Weinand: Solche Prozesse hat man schon früher immer wieder ausprobiert: Es gab sgn. „Call for Entries beziehungsweise Call for Pitches“. Da wurden Beispielsweise alle Agenturen , die CCA-Mitglieder sind, eingeladen, die sich bis zu einem bestimmten Termin melden sollten. Das und ähnliches  hat man aber längst wieder sein gelassen, denn es hat einfach nicht funktioniert. Das Hauptproblem: Wenn sehr viele Agenturen im Wettbewerb gegeneinander Leistungen erbringen, führt das zu keiner klaren, aussagekräftigen Bewertung.
 
medianet: Was meinen sie damit?
Weinand: Auch hoch-professionelle Jurys sind mit der qualitativen Verarbeitung und vergleichenden Beurteilung von mehr als drei bis max. vier Präsentationen pro Tag überfordert. Denn es geht nicht nur um die Länge der Präsentationen, sondern um die inhaltliche Komplexität der präsentierten Gedankengebäude und Lösungen, die Agenturen liefern. Das qualitative Herzstück fast jedes Agentur-Pitches ist genau das, was auch in diesem konkreten Fall – noch dazu gratis - erbracht werden soll. Und nur weil keine zig Werbemittel auszuarbeiten sind, heißt das nicht, dass es weniger Arbeit ist. Im Gegenteil, das, was auch hier verlangt wird, ist in der qualitativen Bewertung viel anspruchsvoller, als eine reine ‚Layout-Schlacht‘.
 
medianet: Aber in diesem ersten Schritt geht es ja nur um die erste, schnelle Idee. Hier soll noch kein großer Aufwand entstehen. Wie hoch schätzen Sie denn den Aufwand für so einen Pitch ein?
Weinand: Wenn man das Briefing gelesen hat, wird einem sehr schnell klar, dass es eine qualitativ sehr anspruchsvolle Aufgabenstellung ist. Was dass dann an Aufwand für die Agenturen genau heißt, das könnten Ihnen die betroffenen Agenturchefs selbst sicher noch besser sagen. Ich habe aber vor kurzem eine Umfrage unter führenden Agenturen in Österreich gemacht, wie hoch denn der finanzielle Pitch-Aufwand für eine nationale Kampagne für einen großen Auftraggeber ist? Da lag die Bandbreite der Antworten zwischen 40.000 und 100.000 Euro. Jetzt reden wir hier nicht von zig Werbemittel-Umsetzungen, also sind wir hier wahrscheinlich eher nahe der Untergrenze. Aber wenn das dann 30- oder 50-mal gemacht wird und dafür noch dazu kein einziger Euro gezahlt wird, dann vernichte ich jede Menge Wertschöpfung auf sehr respektlose Art und Weise.
 
medianet: Warum ist der Aufwand aus ihre Sicht größer, als man eventuell vermutet?
Weinand: Wenn eine Präsentation nur kurz  dauert, heißt das noch lange nicht, dass der Arbeitsaufwand dafür gering war. Im Gegenteil, das hier ist eine wirklich anspruchsvolle Aufgabenstellung. Und das Ganze noch unter extremem Zeitdruck: Zwischen der Briefing-Übermittlung und den Präsentationen am 28. Juli liegen gut 14 Tage. Ohne Chance auf Rebriefings und ohne sonstige qualitätssichernde Maßnahmen. Das ist einfach nur klassischer Trial-and-Error-Prozess oder, salopp gesagt, ein Schrottschuss in den Vogelschwarm.
 
medianet: Sie halten also diese Art des Prozesses, um an das gewünschte Ziel zu kommen nicht für den optimalsten Weg?
Weinand: Ja, ich halte ihn für gänzlich ungeeignet, weil er m. E. nicht die Aussagekraft haben kann, die man sich erhofft. Und er ist auch deshalb grenzwertig, weil hier so vielen Agenturen eine äußerst wertvolle Leistung abverlangt wird, ohne eine faire und adäquate Entlohnung für diese Leistung anzubieten.
 
medianet: Und was halten Sie vom Zeitpunkt, quasi dem Markt zu kommunizieren, was man mit der Weihnachtskampagne plant, denn es ist anzunehmen, dass das Briefing trotz Verschwiegenheitsklausel nicht nur bei teilnehmenden Agenturen sondern auch beim Mitbewerb landet
Weinand: Ich halte es für fragwürdig, jetzt ein halbes Jahr vor Weihnachten, das Briefing quasi an den Markt zu geben. Es ist naiv zu glauben, dass das nicht bei Wettbewerbern landet. Wenn ich als Berater das Briefing in relativ kurzer Zeit mehrfach auf dem Tisch bekommen habe, müssen sich die anderen vermutlich auch nicht sehr anstrengen, um es zu bekommen.
 
medianet: Kommen wir zurück zu einer der Grundideen für das Speeddating. Es spricht ja nichts gegen eine Art Demokratisierung des Pitches, wo auch kleinere Agenturen die Chance haben, sich zu präsentieren.
Weinand: Grundsätzlich spricht da gar nichts dagegen! Als Pitch-Auftraggeber muss ich mich aber zunächst mal fragen, was genau ist meine Pitch-Zielsetzung? Und wenn es das Ziel ist, auch junge, hungrige Agenturen kennenzulernen, dann kann man diese gezielt ansprechen. Es gibt genug Datenbanken, aus denen man herausfiltern kann, wer jung ist, wer kreativ ist, wer querdenkt und wer schon bewiesen hat, dass er das kann. Dafür brauche ich nicht den gesamten Markt einzuladen. In Österreich gibt es rund 10.000 oder 11.000 Gewerbescheine – das ist doch absurd.
 
medianet: Warum macht A1 das dann trotzdem, obwohl gerade so ein Massenpitch in der Branche bekanntermaßen verpönt ist?
Weinand: Das weiß ich nicht, das erschließt sich mir nicht. Es ist auch deshalb fragwürdig, weil in der Pitch-Charta der IAA eine ganz klare Empfehlung ausgesprochen und argumentiert wird, warum die Anzahl der teilnehmenden Agenturen begrenzt sein soll. Und das ehemalige Unternehmen von Frau Winkler-Schloffer, wo sie immerhin als Geschäftsführerin tätig war, hat diese Pitch-Charta unterstützt. Warum man das jetzt so macht? Keine Ahnung …
 
medianet: Viele stoßen sich auch daran, dass man beim allerersten Speed-Dating schon eine Idee liefern soll. Wie sehen Sie das?
Weinand: Das ist eben genau dieser Punkt: Das qualitative Herzstück der kreativen Agentur-Leistung muss hier von allen Teilnehmenden Agenturen gratis erbracht werden. Man darf da nicht wegschauen, nur weil es am Ende eine kurze Präsentation ist. Die wichtigste, schwierigste und wertvollste Arbeit passiert jetzt – und das kostenlos.
 
medianet: Fällt Ihnen irgendein Prozess ein, mit dem man dieses Ziel – den Pitch zu öffnen – sinnvoller hätte umsetzen können?
Weinand: Dazu weiß ich zu wenig über den Pitch. Ich habe mit Frau Winkler-Schloffer ja nicht als ihr Berater gesprochen, um ihr Pitch-Problem zu lösen, sondern, aus einem Akt der Fairness heraus, um ihre Beweggründe zu verstehen. Aber es gibt schon auch Kundenwünsche, wo ich mir dann eingestehen muss: Dafür habe ich aus meinem Erfahrungsschatz heraus keine Lösung. Vielleicht gibt es andere, die das lösen können. Und wenn ein Kundenwunsch dann so bleibt, muss ich mir auch überlegen, ob ich einen Kompromiss eingehe oder vielleicht sage: Nein, das mache ich nicht. Und was mich persönlich betrifft: Ich bin ja selbst Gründungsmentor der  Pitch-Charta, und ich verrate dieses Baby sicher nicht.
 
medianet: Heißt das, aus Ihrer Sicht ist diese Idee, den Pitch zu demokratisieren, so gar nicht umsetzbar?
Weinand: Man kann das schon versuchen, denn auch dafür gibt es unterschiedliche Methoden, die sich schon bewährt haben. Es gibt genug Informationen über den Markt. Und man muss sicher nicht die immer gleichen fünf Agenturen einladen. Niemand zwingt einen dazu. Man kann auch zehn oder 20 screenen. Aber nicht auf diese Art und Weise, die in Wahrheit enorm viel Arbeit erzeugt, und dann keine aussagekräftigen Ergebnisse liefert.
 
medianet: Die Annahme von A1, dass das nur ein kurzes Speed-Dating mit wenig Aufwand ist. Wie sehen sie das?
Weinand: Das ist aus meiner Sicht eine krasse Fehleinschätzung!
 
medianet: Manche befürchten auch, dass A1 dann Ideen von Agenturen übernimmt, die am Ende leer ausgehen. Wie sehen Sie diese Gefahr?
Weinand: Diese Frage habe ich Frau Winkler-Schloffer direkt gestellt. Denn der Verdacht der Ideenabzocke ist bei einem so gestalteten Prozess auch ohne böse Unterstellung nicht ganz von der Hand zu weisen. Sie hat mir aber versichert, dass solange sie bei A1 ist, garantiert keine Idee verwendet wird, die von einer Agentur kommt, die am Ende nicht beauftragt wird.
 
medianet: Frage zum Schluss: Unabhängig von der Frage, ob man die Idee gut oder schlecht findet. A1 ist ein wesentlicher Player am Markt und ein wichtiger Auftraggeber in die Kommunikationsbranche hinein mit Vorbildwirkung. Könnte es sein, dass wir diese Art des Pitches künftig öfters erleben?
Weinand: Das kann ich schwer einschätzen. Wenn A1 das jetzt einfach so durchzieht, könnte das tatsächlich zum Vorbild für andere Unternehmen werden – auch wenn ich das für zweifelhaft halte. Andererseits kann es auch sein, dass A1 die Reaktionen aus dem Markt nicht als destruktive Kritik sieht, sondern daraus lernt und vielleicht noch Anpassungen macht. Es wäre ja auch kein Gesichtsverlust, wenn man jetzt sagt: Okay, wir haben dazugelernt. A1 ist jedenfalls ein großer Player in Österreich mit Kampagnen, die jeder kennt. Deshalb schaut hier die ganze Branche genau hin.

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