••• Von Sabine Bretschneider
WIEN. Ein Gespräch mit Sonja Prem, Präsidentin, und Daniel Ratzenböck, Vizepräsident des Vereins Strategie Austria.
medianet: Möchten Sie uns Strategie Austria kurz beschreiben?
Sonja Prem: Strategie Austria wurde 2011 gegründet, um das Strategiedefizit in Österreich, das im internationalen Vergleich erkennbar ist, auszugleichen. Zum Start war unser Fokus auf die Kommunikationsbranche gerichtet. Inspiriert wurde die Gründung von internationalen Account Planning Groups wie in Deutschland oder Großbritannien. Im Vergleich zu diesen Vereinen wollten wir uns aber nicht auf Strategic Planner allein beschränken, sondern auch Strategieverantwortliche mit einem vielfältigen Hintergrund hereinholen. Strategie ist in unserem Verständnis keine Elfenbeinturm-Disziplin; gute Strategien brauchen im Unternehmen Allianzen aus den unterschiedlichsten Bereichen.
Heute beneiden uns andere Account Planning Groups darum, weil auch sie erkannt haben, dass sich Strategie nur mit vereinten Kräften durchsetzen kann.
medianet: Ihre Mission ist, ‚den Wert von Strategie sichtbar zu machen und die Qualität zu steigern'. Wie sieht das konkret aus?
Prem: Unsere Mission wird in unseren Veranstaltungen konkretisiert. Dabei kooperieren wir mit renommierten Partnern und internationalen Institutionen. Ziel ist es, mit einem vielfältigen Programm das strategische Verständnis von Teilnehmern zu stärken und sie durch neue Erkenntnisse in ihren Aufgaben und Themenstellungen zu unterstützen.
Daniel Ratzenböck: Wir setzen strategische Leuchtfeuer, um eine breitere Strategiediskussion zu aktivieren. Zum Beispiel werden wir heuer das erste Mal einen Talk zum Thema Strategie und Unternehmenskultur mit Sylvia Dellantonio, Geschäftsführerin von willhaben.at, und Stefan Wallner von der Erste Group veranstalten; in einer Markenarena wird über ‚Big Data vs. Humanity' diskutiert. Im März gibt es unser erstes Privatissimum zum Thema ‚Strategie.Führung.Kultur'. Im Herbst widmen wir uns u.a. der Frage, warum Strategien scheitern, und thematisieren das oft noch zu wenig strategisch betrachtete Thema des Pricings.
medianet: Heute kommen Ihre Mitglieder nicht mehr nur aus der Kommunikationsindustrie, sondern aus diversen Branchen. Warum der Sinneswandel?
Ratzenböck: Strategie ist keine Silodisziplin, sondern der verbindende Fokus eines Unternehmens. Auch wenn es unterschiedliche Ebenen davon gibt, wie etwa Kommunikationsstrategie, Marketingstrategie, etc., so muss alles in die übergeordneten Unternehmensziele einzahlen. Das verstehen immer mehr Entscheider. Um eine starke Strategie zu entwickeln und umzusetzen, braucht es Diversität im Denken. Strategie ist Teamarbeit!
Prem: Wir wollen das Zuhause aller Strategen werden. Das passiert natürlich nicht von heute auf morgen, aber mit der gezielten Gestaltung der kommenden Jahresprogramme werden wir unsere Plattform sukzessive ausbauen. Wir freuen uns über jede einzelne Verstärkung.
medianet: Ist in Österreichs Wirtschaft ‚Strategie' ein befriedigend gewürdigter Tätigkeitsbereich?
Ratzenböck: Der Tenor in Unternehmen ist, dass Strategie wichtig ist. Blickt man aber in die Praxis und hört unterschiedlichen Führungskräften zu, wird deutlich, wie schwer sich manche Unternehmen mit Strategie tun. Es ist auch nicht einfach, es gibt keine Patentrezepte.
Prem: Das strategische Bewusstsein ist definitiv gewachsen. Das hat bestimmt auch damit zu tun, dass so vieles im Umbruch ist. Mehr Unternehmen erkennen, dass Strategie die Chance ist, sich selbst Halt zu geben und offensiv die eigene Zukunft zu gestalten. Dabei werden aber auch die Grenzen deutlich. Genug Strategien scheitern, weil sie – salopp formuliert – es nicht wert sind, umgesetzt zu werden. Man kann leider sehr viel falsch machen – auch weil Strategie kein Daily Business ist, in dem man Routine hat.
medianet: Wer profitiert von diesen Aktivitäten?
Prem: Mitglieder, aber auch Nichtmitglieder können unsere Veranstaltungen besuchen. Inklusivität ist uns wichtig. Wir schaffen Zugang zu Experten und Top-Führungskräften, an die man als Einzelner nicht oder nur schwer kommt. Letztes Jahr haben wir etwa die Berlin School of Creative Leadership nach Wien gebracht, heuer kooperieren wir mit Topmanagement- und Unternehmensberatern.
Ratzenböck: Durch uns hat man eine kostengünstige Möglichkeit, Mitarbeiter mit neuen Wissensimpulsen und frischen Ideen zu versorgen. Das schätzen auch Unternehmen. Der letzte Workshop ‚Marke ist nicht Marketing' war in kürzester Zeit ausgebucht.
medianet: Ist in Zeiten der digitalen Transformation eine klar definierte Geschäftsstrategie wichtiger geworden?
Ratzenböck: Ein klares Ja. Speziell in Zeiten höchster Dynamik und wachsender Komplexität braucht man Haltegriffe und Orientierung. Strategie hilft, all die Dinge, die herumfliegen, zu managen, und in Zeiten von sprunghaften Umbrüchen werden das immer mehr. Eine gute Strategie ist Transformation.
medianet: Und inwiefern beeinflussen neue digitale Möglichkeiten wie Big Data und KI die diesbezüglichen Entwicklungen und Trends?
Prem: Wichtig ist, dass man kritisch bleibt und sich nicht von dieser Buzzword-Hysterie anstecken lässt. Strategisch vorgehen bedeutet, Möglichkeiten zu hinterfragen und auf ihre Sinnhaftigkeit zu prüfen. Aber natürlich muss man in einem Strategieprozess digitale Möglichkeiten prüfen, um zu entscheiden, ob sie für die Herausforderungen des Unternehmens relevant sind, und klären, welche Aufgaben sie erfüllen können.
Disruptionen passieren normalerweise in unbeachteten Nischen, weil disruptive Lösungen zuerst nicht viel Geld bringen. Darin steckt wahrscheinlich die große Gefahr für traditionelle Unternehmen: Sie nehmen diese Randerscheinungen nicht wahr oder nicht ernst. Falsche Annahmen, verhärtete Denkmodelle – ‚Das kann nur so sein' –, und zu enge Blickwinkel, das sind nur drei Gründe, warum Strategien scheitern …