„Die Strategie ist wie ein Brettspiel”
© Heimat Wien
Stratege Pieter Owen demonstriert das Konzept der „Playfulness”.
MARKETING & MEDIA Redaktion 22.03.2024

„Die Strategie ist wie ein Brettspiel”

Die Kreativagentur Heimat Wien will mit dem Konzept der Playfulness mehr Leichtigkeit in die Arbeitsprozesse bringen.

••• Von Elisabeth Schmoller-Schmidbauer

Mit Pieter Owen hat sich die Wiener Kreativagentur Heimat Wien einen erfahrenen Strategen mit ins Boot geholt. Seit Anfang des Jahres ist er Teil des Teams in der Zirkusgasse im zweiten Bezirk. Neben seiner Funktion als Chefstratege führt der gebürtige Hamburger aber auch den Titel Head of Playfulness. Was man sich darunter vorstellen kann und was das nun für die Unternehmenskultur und die Kundenbeziehungen bedeutet, hat Pieter Owen im medianet-Interview erzählt.


medianet: Als Head of Playfulness begleiten Sie die Agentur Heimat Wien bei ihrem Transformationsprozess zu einer Playful Organization, also einer Organisation, in der Playfulness gelebt wird. Was heißt das konkret?
Pieter Owen: Playfulness heißt Verspieltheit. Es geht darum, spielerische Ansätze in die Arbeitswelt einzubringen. Und gerade für Kreativagenturen sind diese Zugänge extrem wertvoll. Für kreatives Arbeiten bedeutet Playfulness, spontaner und flexibler zu werden, die eigene Neugier wieder zu entdecken. Es ist das Bestreben, den Leuten Möglichkeiten zu geben, sich spielerisch zu entfalten und den Druck rauszunehmen. Gerade in der Kommunikationsstrategie ist Flexibilität extrem wichtig, weil am Markt immer etwas Unvorhersehbares passieren kann und man die Strategie entsprechend anpassen muss. Da hilft es, sie als ‚Playful Strategy' anzulegen. Denn im Grunde funktioniert jeder Kundenauftrag, jede Kampagne und jede Markenstrategie ähnlich wie ein Brettspiel.

medianet:
Wie genau kann man sich das vorstellen?
Owen: Bei der Entwicklung einer Kampagne hat man beispielsweise immer ein klar definiertes Ziel, eine Story im Hintergrund und bestimmte Ressourcen zur Verfügung. Und wie bei einem Brettspiel gibt es hier auch Challenges, die man überwinden muss. Am Ende steht dann immer die Frage: Hat man gewonnen oder nicht und wie wird das gemessen? Deswegen empfehle ich wirklich jedem Strategen und jeder Strategin, mehr Brettspiele zu spielen, weil man Problemstellungen offener, flexibler und spielerischer entgegengeht.

medianet:
Wie wird das dann in der gelebten Praxis genau umgesetzt?
Owen: Zum einen geht es darum, dieses Playful Mindset wieder zu entdecken und das funktioniert so, dass in jedem Meeting, in jedem Workshop, in jedem Kreativprozess Stifte, Tapes, Bauklötze, Lego und sonstige Materialien zur Verfügung stehen und die Leute einfach anfangen können, damit zu experimentieren und mit den Materialien ihre Gedanken ausdrücken. Und zwar ohne Druck, ganz nach dem Trial and Error-Prinzip. Und das funktioniert richtig, richtig gut. Das Ziel ist, dass diese Materialien immer Teil des Arbeitsprozesses sind und ganz selbstverständlich damit gearbeitet wird, ohne darüber nachzudenken. Für unsere Kunden bieten wir spielerische Workshops, die natürlich noch zielgerichteter und ergebnisorientierter sind. Dort geht es dann um Markenstrategien, zum Beispiel um Markenwerte. Die Kunden haben dann die Aufgabe, mithilfe von Lego den Kern ihrer Marke auszudrücken. Die Teilnehmer sind jedes Mal total überrascht, dass man mit Lego so konkrete Ergebnisse erzielen kann, mit denen man auch weiterarbeiten kann.

medianet:
Wie wirkt sich das Playfulness-Konzept auf Ihre Arbeit als Stratege genau aus?
Owen: Ich muss mich da auch immer wieder an der Nase fassen. Denn klar ist: Strategieentwicklung ist natürlich ergebnisorientiert, und es gibt etablierte Arbeitsschritte, die auch gut sind, wie sie sind. Allerdings profitiert der Arbeitsprozess auch hier davon, wenn man ihn etwas aufbricht und alles spielerischer angeht.

medianet:
Wie ist denn die Idee überhaupt entstanden, das zu machen, und gibt es dieses Konzept auch schon bei anderen Unternehmen?
Owen: Also ich bin ja selbst ein Spiele-Enthusiast, das bringe ich schon einmal mit. Ich spiele seit zehn Jahren privat Board Games und organisiere auch Events, wie Spieleabende. 2019 habe ich den Verein Paradice für genau solche Events mitgegründet. Mit dem betreiben wir seit 2020 eine Board Game Bar am Yppenplatz. Und das Playfulness-Konzept passt super zu Heimat Wien und fügt sich sehr gut in diese ganze Philosophie der Agentur und dem, was Markus Wieser (Geschäftsführer, Anm. Red.) hier aufgebaut hat, ein. Deswegen war er sehr offen dafür und vertraut mir da auch völlig. Und wir sind zumindest in der Branche die ersten, die so eine Unternehmenskultur entwickeln wollen.

medianet:
Wie wird das Konzept von den Mitarbeitern und den Kunden angenommen?
Owen: Es ist wie sonst auch mit dem Spielen bei Erwachsenen. Am Anfang sind manche vielleicht etwas skeptisch, aber wenn sie es einmal ausprobiert haben, sind sie begeistert und wollen es immer so handhaben, weil es eben so produktiv und kreativ ist. Das ist dann das schönste Feedback. Für die Kunden ist es natürlich auch toll, wenn sie in einem Workshop selbst etwas erschaffen, wofür sie brennen und was sie dann im Unternehmen weiterentwickeln können.

medianet:
Woher bezieht man denn da die Inspiration für die Workshops und die Methodik, diese Playfulness ins Unternehmen zu implementieren? Gibt es da auch Forschung dazu?
Owen: Ja es gibt dazu Forschung und es gibt auch eine sehr lebendige, kreative Playfulness-Szene. Das sind Leute, die zum Beispiel Workshop-Formate entwickeln und sich auch Konzepte für die Organisationsentwicklung überlegen, wie das spielerischer werden kann. Der Ansatz der Playful Corporation geht sogar bis in die 1970er-Jahre zurück. Einen riesen Boost gab es dann in den 1990er Jahren durch die Lego Serious Play-Methode, mit der auch große Konzerne begonnen haben, Marktstrategien oder Produktentwicklungen und Prototyping zu machen. Die Methode ist heute auch in der Werbe- und Kommunikationsbranche bekannt, wird aber kaum genutzt. Da sind wir aktuell offensichtlich Vorreiter.

medianet:
Wie wirkt sich das Playfulness-Konzept denn auf das Miteinander innerhalb des Unternehmens aus?
Owen: Sehr positiv. Wir hatten ja schon einige Events wie ‚Daten & Taten', da ging es darum, spielerisch den Umgang mit AI-Tools zu lernen. Die Kollegen sollten in einer fiktiven Challenge eine eigene Werbeagentur entwickeln, mit Logo und allem Drum und Dran. Aber ganz ohne Druck. Meine Kollegin Lisa Volleritsch, unsere People & Culture-Verantwortliche, hat unter anderem wegen solcher Events kürzlich den Employer Branding Award für uns gewonnen. Die ‚Daten und Taten' waren ursprünglich als interner Event gedacht und von Markus Wieser initiiert, inzwischen wurde es auch schon sehr erfolgreich mit Kunden umgesetzt. Solche Initiativen gibt es hier ständig. Ich finde, als Kreativagentur ist es Pflichtprogramm, sich auf kreative Art und Weise zu überlegen, wie wir zusammenarbeiten wollen.

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