••• Von Paul Hafner
Der heimische Handel durchlebt, nach Jahrzehnten der bisweilen rasanten flächenmäßigen Ausdehnung, nun schon seit Längerem eine Zeit der Korrektur und Konsolidierung.
Betrachtet man die Verkaufsflächenentwicklung der letzten Jahre, so zeigt sich für die Jahre 2015–2017 ein minimales Wachstum von jeweils um die 0,5% und für die Folgejahre ein Kippen ins Rot (Höchstwert: –2% im Corona-Jahr 2021). Für 2023 gibt es noch keine offiziellen Zahlen, doch geht Handels-experte Roman Schwarzenecker von Standort + Markt davon aus, dass wie im Jahr davor (–0,41%) neuerlich ein kleines Minus zu Buche stehen wird.
Während sich die Dynamik des Einzelhandels im gesamten Markt somit bestenfalls erheblich eingebremst hat, fällt bei sektoraler Betrachtung auf, dass ein Segment aus de Reihe fällt – der Diskontmarkt.
„Es ist nicht nur so, dass ‚alte Hasen' und etablierte Händler wie Hofer, Lidl, NKD und Co laufend neue Standorte eröffnen; auffallend ist, dass in der jüngeren Vergangenheit auch neue Player mit ersten Standorten in Österreich aufhorchen lassen, darunter Thomas Philipps, Gifi und zuletzt Woolworth”, holt Schwarzenecker aus.
Neben dem naheliegenden Grund der allgemeinen Teuerung („Einkaufen beim Diskonter ist mittlerweile auch für Bezieher von höherem Einkommen attraktiv”) führt er auch die bis dato vergleichsweise überschaubare Konkurrenz durch Onlinehändler als Grund für den anhalten Siegeszug des Diskonthandels ins Feld.
Diskont in Österreich
Gekennzeichnet durch schmale bzw. flache Warensortimente mit hoher Umschlagshäufigkeit, günstige Großhandelseinkaufspreise aufgrund hoher Einkaufsvolumen und eine spartanische Verkaufsumgebung, verfügen Diskonter in aller Regel über keine Dienstleistungen (Beratung, Services wie das Kürzen von Hosen) und kommen mit einer geringen Belegschaft aus; ihr wichtigstes Kennzeichen steckt im Namen: der niedrige Preis.
Der mit Respektabstand größte Diskonter Österreichs – sowohl nach Filialzahl (541) als auch nach Verkaufsfläche (über 450.000 m²) – ist Hofer, die Nummer drei am heimischen LEH-Markt. Gemeinsam mit Penny (314 Filialen) und Lidl (252 Filialen, beide jeweils um die 200.000 m² Verkaufsfläche) sowie den vergleichsweise kleineren und weitaus weniger bekannten Playern T&G (38 Filialen) und Norma (22 Filialen) bildet er – gemäß der Standort + Markt Dokumentation „Diskontmarkt Edition 23/24” – die Kategorie des Lebensmitteldiskonts. Mit in Summe 1.167 Märkten und einem Umsatzpotenzial von 7,65 Mrd. € macht er mehr als drei Viertel des Umsatzes des gesamten Diskonthandels aus.
Verglichen mit 2009 hat sich die Zahl der Lebensmitteldiskont-Filialen um ein Drittel erhöht, und auch wenn ein Plus von zwei Filialen gegenüber dem Vorjahr eine allmähliche Sättigung nahelegt, spiegelt ein Verkaufsflächenplus von 12.000 m² die Tendenz zum Erweitern bestehender Filialen bzw. Neueröffnen auf größerer Fläche.
Fluktuation im Modediskont
Eine auf den ersten Blick ähnliche Dynamik scheint sich im Bekleidungsdiskont zu zeigen, wo sich die Filialzahl bis Jänner 2024 (971) gegenüber 2009 (715) um fast 36% erhöht hat. „Dazu ist allerdings Folgendes zu bemerken: Durch den Markteintritt von Pepco im Jahr 2021 gab es bis Ende 2023 einerseits einen starken Anstieg der Diskontmärkte, andererseits haben sich zahlreiche Anbieter – wie Reno, CCC, Orsay, Pimkie, Colloseum, Charles Vögele, OVS, und upim – aus dem Markt zurückgezogen”, erklärt Brigitte Moser, Gesellschafterin Standort + Markt und Co-Autorin der Studie. Konnte laut Moser die Entwicklung des Modediskonts bis Ende 2023 „gesamthaft betrachtet als höchstens leicht positiv bewertet werden”, steht durch den am Mittwoch bekanntgewordenen Komplettrückzug von Pepco aus Österreich – im Vorjahr mit 14 Neueröffnungen noch der zweitdynamischste Diskonter des Landes – wohl bald eine Neubewertung der Situation an.
Über die Erwägung, einzelne Pepco-Filialen zu schließen hatte medianet bereits im Herbst („Was hält die Zukunft für Pepco bereit?”, 22.9.2023) berichtet; das Aus für sämtliche 73 Standorte war zum damaligen Zeitpunkt noch kein Thema.
Kassenschlager Aktionsposten
Einen massiven Bedeutungszuwachs haben indes die Aktionspostenmärkte (610 Mio. € Umsatz, 225.000 m²) erfahren: Ihre Zahl ist in den letzten 15 Jahren von 13 auf 337 regelrecht explodiert. Allein seit 2021 sind 77 neue Märkte hinzugekommen. Treibende Kraft: Die niederländische Kette Action, die im Vorjahr zwölf neue Märkte eröffnete und ihre Filialzahl im Zuge dessen, rund acht Jahre nach dem Markteintritt (im November 2015 in Kittsee) auf über 100 hinaufschraubte.
Apropos Neueröffnungen: Die meisten gingen 2023, weitgehend unbemerkt, auf das Konto von NKD. Spezialisiert auf Textilien sowie kleinere Einrichtungsgegenstände im unteren Preissegment, übertrumpft das Unternehmen in Sachen Filialzahl sogar Lidl und findet sich hinter Hofer auf Platz 2 ein. Die Kette, deren Name gerne spöttisch als Akronym für „Niemand kauft dort” verstanden wurde (und tatsächlich für „Niedrig kalkuliert Discount” steht), hat sich abseits großer Medienberichterstattung ein gewaltiges Standortnetz am österreichischen Markt gespannt.
Sportdiskont stagniert
Allmählich seinen Zenit erreicht zu haben scheint der Einrichtungsdiskont. Zwischen 2009 und 2017 kamen jährlich um die acht neue Geschäfte hinzu, seither stieg die Zahl nur noch von 230 auf 233. Über die 15 Jahre gesehen sind das dennoch rund 40% Wachstum – und ein Indikator dafür, dass es auch innerhalb des Diskonthandels boomende und ablaufende Branchen gibt.
Beides in kurzer Abfolge erlebt hat der Sportdiskont; dessen Filialzahl kletterte zwischen 2009 und 2015 von 17 auf 40, ehe ein Strategiewechsel des britischen Sportartiklers Diskont zu einer Reihe von Schließungen führte; in Kombination mit dem Marktaustritt der norwegischen Kette XXL Sports & Outdoor ging es bis 2021 runter; gemächlich expansiv unterwegs ist derzeit allein der französische Hersteller und Händler Decathlon. Nach einer Neueröffnung in Wien-Favoriten im September 2023 ist im heurigen Juni Standort Nummer sechs in der PlusCity bei Pasching geplant.
Ein gutes Siebtel vom Kuchen
Gemessen an den gesamten Konsumausgaben, welche auf Basis der Konsumerhebung der Statistik Austria ermittelt und für 2023 anhand einschlägiger Indizes (Privater Konsum, Kaufkraftelastizitäten und Geldentwertung) hochgerechnet wurden und im Schnitt 7.300 € pro Kopf und Jahr betragen, liegt der Diskontanteil am gesamten Retail-Markt bei rund 15%, variiert aber in den unterschiedlichen Bedarfsgruppen und ist bei den Gütern des täglichen Bedarfs mit 22% am höchsten.
Faktor Raumordnung
Die höchste Diskonterdichte des Landes herrscht im Burgenland vor. Es folgen Kärnten, Niederösterreich und die Steiermark; die geringste Dichte weist Vorarlberg auf – sie ist gerade einmal halb so hoch wie jene des Burgenlands. „Wir orten eine Korrelation zwischen Raumordnungsgesetzen und Diskontintensität”, erläutert Moser. „Je strenger das Raumordnungsgesetz ist, desto weniger Fachmärkte und in weiterer Folge Diskontmärkte werden genehmigt, da der Großteil der Diskonter Fachmärkte sind und günstige Standorte benötigen. Durch die Novellierung des burgenländischen Raumplanungsgesetzes, die auch deutlich restriktivere Ansiedlungsgenehmigungsverfahren mit sich brachte, werden – nach Abarbeitung der in Bau befindlichen Projekte – solche Zuwachsraten der Vergangenheit angehören.”
Mit einem (baldigen) Abflauen des Booms rechnet Raumforscher Schwarzenecker jedenfalls nicht: „Die Mieten sind weiter rückläufig, das spielt dem Diskont in die Karten.” Eine Gefahr ortet er dennoch: „Problematisch für den Diskont könnte es werden, wenn Billigstplattformen à la Temu populärer werden – und diesen kein gesetzlicher Riegel vorgeschoben werden kann.”