Für falsche Entscheidungen bleibt kaum Platz
© Martina Berger
ESC-Chef­producer ORF, Michael Krön
MARKETING & MEDIA Redaktion 12.09.2025

Für falsche Entscheidungen bleibt kaum Platz

Michael Krön, für den ORF Executive Producer des ESC 2026 in Wien über seine Aufgabe, die Herausforderungen und die Chance, für das größte Musik-Live-Event der Welt verantwortlich zu sein.

WIEN. Der Eurovision Song Contest 2026 in Wien ist für den ORF ein Projekt von außergewöhnlicher Dimension. Michael Krön, Executive Producer des ESC und seit 25 Jahren im ORF tätig, betont im Gespräch mit medianet den großen Respekt vor dieser Aufgabe – verbunden mit Stolz, sie übernehmen zu dürfen.

medianet: Herr Krön, Sie sind als Executive Producer des Eurovision Song Contest 2026 für eine der größten Shows der Welt verantwortlich. Wie groß ist der Respekt vor dieser Aufgabe?
Michael Krön: Ich habe nicht nur Respekt, sondern riesigen Respekt vor dieser Aufgabe. Gleichzeitig bin ich wahnsinnig stolz und froh, dass ich sie übernehmen darf. Wenn man für die Produktionen des ORF verantwortlich ist, gehört der ESC dazu. Ich möchte aber auch betonen, dass es hier ein exzellentes Team gibt und wir arbeiten gemeinsam an diesem tollen Projekt und werden dabei von der ORF-Führung nach Kräften unterstützt und erhalten hier viel Rückhalt. Das Team ist unglaublich und deckt in seiner Vielfältigkeit alles ab, was man braucht, um so ein Riesenprojekt auf die Beine zu stellen und der Mai 2026 rückt immer näher und näher. Man muss also Dinge anstoßen, in Bewegung bringen und rechtzeitig entscheiden. Für falsche Entscheidungen oder Korrekturen bleibt kaum Platz.

medianet: Wien ist Austragungsort und Host City. Hilft das in der Umsetzung?
Krön: Ja, es ist anspruchsvoll, aber ich bin sehr froh, dass wir den Song Contest in Wien veranstalten können. Ich glaube aber, dass Innsbruck, das ebenfalls geschafft hätte – in einer anderen. Doch auch dort hat man große Sport-Events wie Eishockey-WMs oder Olympia ausgerichtet, wenn auch damals noch in anderer Dimension. Aber die Innsbrucker hätten das sicher gut hinbekommen. Wien ist dennoch die richtige Wahl, weil die Routine hier größer ist. Die Stadt ist permanent mit Veranstaltungen dieser Größenordnung konfrontiert, und es gibt Infrastrukturen, die man anderswo erst hätte aufbauen müssen. Der Aufwand wäre enorm gestiegen. In Wien ist alles vorhanden. Das Herz des ESC ist immer noch eine Fernsehshow, und mit der Stadthalle haben wir die größte Indoor-Eventlocation des Landes. Zusätzlich hilft es, dass wir vor zehn Jahren schon hier waren. Viele Findungsschwierigkeiten fallen weg, weil beide Seiten wissen, worauf man sich einlässt. Aber ich möchte betonen: Auch Innsbruck wäre ein wunderbarer Austragungsort gewesen.

medianet: Am Know-how des ORF zweifelt niemand. Dennoch ist der ESC eine andere Dimension – auch budgetär. Welche nächsten Schritte stehen an?
Krön: Es freut mich, dass niemand daran zweifelt, dass wir das können. Der ESC ist die größte Musikshow der Welt. Anders als sonst treten wir nicht nur als Fernsehveranstalter auf, sondern auch als Veranstalter gemeinsam mit der EBU. Wir filmen nicht einfach etwas ab, sondern müssen selbst etwas auf die Bühne bringen und inszenieren. Das ist außergewöhnlich, aber wir können das. Wie viel Geld wir zur Verfügung haben, ist noch offen. Das macht die Planung schwierig, weil vieles von Faktoren wie Sponsoren und Ticketverkäufen abhängt. Wir sind gerade dabei, die Vision zu definieren – das Herz, die Botschaft, die Idee. Dazu kamen diese Woche alle Kreativen zu einem zweitägigen Workshop in Wien zusammen. Daraus entwickeln wir das Bühnendesign, die Acts und die Dramaturgie. Themen wie 70 Jahre ESC spielen dabei eine Rolle. Gleichzeitig müssen wir viele Annahmen treffen: Wie groß wird die Bühne? Wie viele Tickets kann ich verkaufen, oder nicht verkaufen, weil die Bühne zu groß ist? Wenn ich wüsste, ich habe ein fixes Budget – etwa zehn Millionen Euro – könnte ich direkt planen. Aber so muss ich versuchen, das spektakulärste Produkt zu entwickeln, das mit den vorhandenen Mitteln möglich ist. Der ORF will mit dem ESC kein Geschäft machen, sondern für ORF, Wien und Österreich ein nachhaltiges, großartiges Event schaffen – im Fernsehen und darüber hinaus. Das Geld kommt aus verschiedenen Quellen: ORF, Stadt, Sponsoren, EBU sowie Ticketverkäufen. Mit all diesen Mitteln wollen wir ein möglichst spektakuläres Ereignis bauen.

medianet: Der ORF selbst wird also nicht Hauptprofiteur sein?
Krön: Monetär sicher nicht. Der ORF wird mehr ausgeben, als er einnimmt. Aber das ist okay. Wir hoffen, ideell zu profitieren: Wir wollen eine Geschichte erzählen, die Menschen berührt und Österreich ins Gespräch bringt. Damit positionieren wir den ORF positiv. Wien wiederum profitiert wirtschaftlich – das ist ein Investment, das sich durch Umwegrentabilität auszahlt. Sponsoren profitieren enorm, weil der ESC eine außergewöhnliche Marke ist. 170 Millionen Zuseher, 40 Prozent von diesen zwischen zwölf und 29 Jahren, zwei Milliarden Social-Media-Impressions – das sind Reichweiten, die man sonst nie erreicht.

medianet: Die Bühne in Basel war gigantisch. Gut 750 Quadratmeter groß plus 200 Quydratmeter in den Bühnenboden eingelassene Screens. Kann man das noch steigern?
Krön: Man könnte es immer noch größer machen – mehr Lichter, größere LED-Flächen. Aber das ist nicht unser Weg. Wir wollen emotionaler werden und die Künstler in den Mittelpunkt stellen. Wir möchten ihre Emotionen zeigen: Nervosität vor dem Auftritt, Erleichterung, Freude oder Enttäuschung danach. Wir haben im ORF große Erfahrung damit, Sport ins Bild zu setzen, und das können wir nutzen. Vor 170 Millionen Menschen aufzutreten ist ähnlich wie ein Skirennläufer, der sich eine Piste hinunterstürzt – das Gefühl ist vergleichbar. Diese Emotionen wollen wir zeigen, dichter dran sein, anders fotografieren. Fernsehen kann aus klein Großes machen. Deshalb setzen wir mehr auf Inszenierung und Dramaturgie als auf zusätzliche Technik.

medianet: Wie groß ist Ihr Team derzeit?
Krön: Momentan sind es rund 20 Personen. Bis Jahresende werden es etwa 45 sein, und am Ende, in den zwei Wochen der Proben und Shows, werden rund 1.500 bis 2.000 Menschen an diesem Projekt arbeiten. Es ist eine riesige Operation.

medianet: In den letzten Jahren spielen beim ESC auch politische und sicherheitsrelevante Fragen eine immer größere Rolle. Wie gehen Sie damit um? Der ESC 2026 in Wien wird sicher ein anderer sein als jener in 2015.
Krön: Mir ist bewusst, dass wir in einer anderen Zeit leben als vor zehn Jahren. Politik war beim ESC immer ein Thema, aber weniger kontrovers. Auch die Sicherheitslage war eine andere. Heute müssen wir viel stärker auf Themen wie Cybersicherheit achten. Wir gehen das professionell an, analysieren Risiken und arbeiten eng mit Innenministerium, Polizei und privater Security zusammen. Ich bin überzeugt, dass wir ein friedliches Fest hinbekommen.

medianet: Die so genannten Postcards, in denen sich das jeweilige Land vor dem Auftritt der einzelnen Künstlerinnen und Künstler inszenieren kann, sind auch eine wichtige Auslage für das Austragungsland.
Krön: Absolut, und hier wollen wir unsere Besonderheiten und Stärken in die Welt hinaustragen.

medianet: Frage zum Schluss: Der ESC ist nicht nur für das Gastgeberland eine tolle Möglichkeit, für sich in der Welt zu werben. Auch für Werbepartner und Sponsoren ist der ESC eine tolle Bühne. Kann man hier noch mitmachen, oder ist der Zug bereits abgefahren?
Krön: Ja, natürlich kann man noch mitmachen. Es gibt zwar klare Regulative der EBU, wie Sponsoring auszusehen hat, aber wir bieten kreative Lösungen. Der Zug ist nicht abgefahren. Die Nachfrage ist groß, weil vielen bewusst ist, wie besonders die Marke Eurovision ist – national wie international. Wir müssen also nicht mühsam nach Sponsoren suchen, sondern können uns darauf konzentrieren, passende Partnerschaften einzugehen. (cr/fej)

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