"Ich möchte einen aktiven Beitrag zu einer erfolgreichen Entwicklung des ORF leisten"
© ORF Hans Leitner
Thomas Prantner
MARKETING & MEDIA Redaktion 02.08.2021

"Ich möchte einen aktiven Beitrag zu einer erfolgreichen Entwicklung des ORF leisten"

ORF-Technik-Vizedirektor Thomas Prantner im großen Interview über seine Bewerbung zum ORF-Generaldirektor.

WIEN. Vergangene Woche gab Thomas Prantner bekannt, sich um den Posten als Generaldirektor des ORF zu beworben zu haben. medianet bat den ORF-Technik-Vizedirektor zum Interview über Digitalisierungskonzepte, Finanzierungsformen und die Wahl am 10. August.

medianet: Herr Prantner. Sie haben nun auch ihre Bewerbung für den Posten des Generaldirektors bekanntgegeben und dabei vor allem ihre Erfolge in der Digitalisierungsoffensive hervorgehoben. Es ist unzweifelhaft, dass gerade dieses Thema für eine erfolgreiche Zukunft des ORF entscheidend sein wird und darüber wollen wir gleich sprechen; Aber welche anderen für den Posten des ORF-Generaldirektors nötigen Qualifikationen bringen Sie darüber hinaus mit?
 
Thomas Prantner: Ich habe jahrzehntelange Managementerfahrung im ORF, war Leiter der Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikations- und Marketingchef und bin seit 26 Jahren in Führungspositionen, davon 5 Jahre als Direktor für Online und neue Medien und 10 Jahre als stv. Direktor für Technik, Online und neue Medien. Darüber hinaus kann ich als Gründer der ORF-TVthek eine Erfolgsbilanz vorweisen, vor allem im Bereich der Digitalisierung – die wohl wichtigste Aufgabe des ORF für die kommenden Jahre.
 
medianet: Und nun zum Thema Digitalisierung: Etliche Dinge, wie online first, online only und vieles andere ist dem ORF derzeit verwehrt weil die rechtliche Grundlage im ORF Gesetz dafür fehlt. Welche Änderungen sind aus ihrer Sicht nötig, und bis wann muss dies passieren, damit der ORF hier nicht den Zug gänzlich verpasst.
 
Prantner: Wir haben vieles selbst in der Hand, sind also „Pilot“ unserer Entscheidungen und Handlungen. Ich glaube, dass wir die digitale Transformation von TV, Radio und Online und die Strategie, ORF-Content auf allen Plattformen und für alle Zielgruppen anzubieten, massiv vorantreiben müssen - und zwar nach dem Vorbild der ORF-TVthek und der ORF-Radiothek, die ja beide auch wichtige Module im neuen ORF-Player sein werden. Bis der neue ORF-Player online gehen wird, ist es notwendig die bestehenden Digitalangebote noch weiter auszubauen, etwa durch verstärktes Video-Embedding und durch mobile Produktinnovationen, speziell für die Jungen.
Nicht in unserer Entscheidungshoheit liegen Umfang und Zeitpunkt der bereits mehrfach von der Politik angekündigten Digitalnovelle in einem neuen ORF-Gesetz. Da hoffen wir auf eine baldige Initiative des Gesetzgebers. Wir brauchen dringend gesetzliche Erleichterungen im Digitalbereich, wie etwa die Aufhebung der antiquierten 7-Tage-Regel für die ORF-TVthek und die Ermöglichung von „Online only“ und „Online first“-Angeboten.
 
 medianet: Die Konzepte bzw. Ideen der anderen Kandidatinnen und Kandidaten Zum Thema Digitalisierung sind bekannt. Wie unterscheiden Sich hier ihre Vorstellungen für einen multimedialen ORF von den Ideen der anderen bzw. Was benötigt der ORF generell, um sich multimedial erfolgreich aufzustellen zu können.
 
Prantner: Digitalisierung ist in den kommenden Jahren mit Sicherheit das Hauptthema für den ORF als modernes öffentlich-rechtliches Medienunternehmen für Österreich . Mein Reformkonzept für den ORF beinhaltet eine umfangreiche Digitalisierungsoffensive im Programm-Bereich. Wir müssen auf unsere Stärken, auf unsere unverwechselbaren USPs setzen, die uns von privaten Mitbewerbern,  den Angeboten internationaler Internet-Player und Bezahl-Plattformen unterscheiden: das sind die Information, Österreich-Inhalte , Ausbau der TV-Regionalisierung und Live-Programme, vor allem bei Sport- und Kultur-Events. Dieser Content muss dann in allen unseren Medien und auf allen Plattformen in technischer Top-Qualität ausgespielt werden. Daher ist für den Erfolg dieser Contentstrategie eine starke ORF-Technik von entscheidender Bedeutung.  Diese muss in Form der neuen Direktion für „Technik, Digitalisierung und neue Medien“ strukturell und kompetenzmäßig aufgewertet werden. Sie wird in den Bereichen Infrastruktur, Service, Produktion und Distribution als verlässlicher Dienstleister und auf Augenhöhe mit dem Programm eine wichtige Rolle in der Digitalisierungsoffensive des ORF spielen.
 
medianet: Eine Zentrale Rolle im digitalen Gefüge des ORF speilt der neue ORF-Player. Wir ist ihr Zustand dazu? Würden Sie manche Dinge anders machen?
 
Prantner: Der ORF-Player ist das zentrale digitale Großprojekt des ORF und eine Initiative von Generaldirektor Wrabetz. Die Umsetzung liegt bei der Tochterfirma ORF ON und ihrem Geschäftsführer Roland Weissmann. Mein Job als Aufsichtsratsvorsitzender der ORF ON und Onlinechef des Hauses ist es, im Rahmen des Player-Komitees die Information und Kommunikation über den Projektstatus der einzelnen Module an das Management und die Stakeholder im Haus sicherzustellen. Die Zusammenarbeit mit Mag. Weissmann und seinem Team funktioniert hervorragend, der Fortschritt der Projekte liegt im Plan. Anfang September soll das News-Modul online gehen.

medianet: Die Idee, einen Austria-Player zu installieren ist ja gescheitert. Wie wichtig wäre ihnen das Thema gewesen?
 
Prantner: Mir ist wichtig, dass wir den Weg der Zusammenarbeit und die vielfältigen Kooperationen mit den österreichischen Zeitungen und hier vor allem mit dem VÖZ fortsetzen. 2017 wurde mit  der Gründung der „Austria Video Plattform“ (AVP) ein medienpolitisch historischer Meilenstein in der Zusammenarbeit des öffentlich-rechtlichen ORF mit privaten Medienhäusern und den österreichischen Printmedien gesetzt. Kern der Kooperation ist, dass der ORF den österreichischen Zeitungen und ihren Online-Angeboten umfangreiches Premium-Bewegtbild zur Verfügung stellt. Die AVP war und ist ein wichtiger Schritt in der Partnerschaft zwischen dem ORF und privaten Medienhäusern, vor allem den österreichischen Zeitungen, im Bereich Content-Kooperation und Onlinevermarktung und gilt bereits als internationales Vorzeigeprojekt.

Ich bin fest davon überzeugt, dass es von fundamentaler Bedeutung für den Medienstandort Österreich ist, wenn dieser konstruktive, vertrauensvolle Weg der Zusammenarbeit und des Miteinander nicht nur fortgesetzt, sondern massiv ausgebaut wird, etwa durch gemeinsame Allianzen bei Log-In und beim Projekt Marketplace Austria.
 
medianet: Ein Streitpunkt war hier die Nutzung von mit Gebühren bezahlten ORF-Inhalten durch Dritte. Wie ist hier ihre Position?
 
Prantner: Zunächst wäre eine Schließung der sogenannten „Streaming-Lücke“ durch den Gesetzgeber wichtig und sinnvoll. Handy, Smartphone und Tablet sind mittlerweile neben Kabel, Satellit und Terrestrik der vierte Verbreitungsweg von ORF-Content. Die  ORF-Bewegtbild- und Audioangebote sind in hohem Ausmaß auf der ORF-TVthek bzw. auf der ORF-Radiothek verfügbar. Es versteht daher im Digitalzeitalter niemand, warum die modernen Devices nicht auch als „Rundfunkempfangseinrichtung“ gewertet werden, sondern nur die klassischen TV- und Radiogeräte. Ein logischer Schritt wäre es, dass der ORF den digitalen Zugang zum geplanten 24/7-Livestreaming aller vier TV-Kanäle ausschließlich via Log -In mit einem GIS-Registrierungs-Code ermöglicht. Die Nutzung von ORF-Inhalten durch Dritte ist vor allem ein lizenzrechtliches Thema.
 
medianet: Apropos Gebühren: Welche Finanzierungsform halten Sie für die richtige für einen öffentlich rechtlichen Sender?
 
Prantner: Damit der ORF seine umfangreichen Aufgaben erfüllen und ein Pfeiler für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt sein kann, ist eine sachgerechte Finanzierung unerlässlich. Diese muss auch die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewährleisten. Ich bekenne mich uneingeschränkt zum Prinzip der „Mischfinanzierung“ des ORF durch Programmentgelte („Gebühren“) und Werbeeinnahmen. Nur wenn diese beiden Finanzierungssäulen abgesichert sind, kann der ORF sein umfangreiches Leistungsportfolio mit zwei TV-Vollprogrammen, zwei TV-Spartensendern, drei bundesweiten Radios, neun trimedialen ORF-Landesstudios und dem Online- und Teletext-Angebot aufrechterhalten.
 
medianet: Neben dem Player ist der neue News-Room ein Hauptprojekt des neuen ORF: Hier gibt es ja unterschiedliche Konzepte der Kandidaten. Halten Sie die derzeitige Einteilung für sinnvoll - dafür wird ja nun auch quasi gebaut bzw. Wie ist ihre Vorstellung in der Bandbreite zwischen Redaktionsteam bis Channelmanager.
 
Prantner: Der neue Multimediale Newsroom (MMNR) wird die wichtigste Informationszentrale der ORF-Nachrichten in TV, Radio, Online und Teletext, mit der täglich Millionen Menschen zu Hause am TV-Gerät, unterwegs via ORF-TVthek-App und über weitere mobile Newsangebote erreicht werden können. Grundsätzlich kann man einen Newsroom nicht „senden“. Er ist lediglich ein physisches und technisches „Mittel zum Zweck“ für die Berichterstattung und die Übermittlung von Nachrichten, ein Werkzeug, in dem die verschiedenen Ausspielwege unserer Produkte organisiert werden. Dennoch ist es von entscheidender Bedeutung für Qualität und Inhalt der Berichterstattung, wie die strukturelle und personelle Organisation in diesem neuen MMNR vorgenommen wird. Aus meiner Sicht ist es zwingend notwendig, dass im Rahmen der Neuorganisation Meinungsvielfalt und Binnenpluralität abgesichert sind und die redaktionellen Entscheidungen für die Medien TV, Radio, Online und Teletext jeweils unabhängig voneinander fallen.
 
medianet: Von vielen gefürchtet und von den bisherigen Kandidaten abgelehnt wird ein zentraler Chefredakteur. Wie finden sie die Ideen eines so genannten Super-Mück?
 
Prantner: Die Einführung eines Zentralen Chefredakteurs, der über alles im Alleingang auf Knopfdruck für alle Medien, für alle Sendungen, für alle Video-, Audio- und Textangebote bestimmen kann, ist nicht zu befürworten. Statt einer zentralen „Ein-Personen-Führung“ sollte im neuen multimedialen Newsroom im Sinne einer übersichtlichen, klaren und pluralistischen Struktur, eine „Chefredaktion“ etabliert werden, die aus drei gleichberechtigten Chefredakteurinnen bzw. Chefredakteuren besteht. Übrigens: Man tut Werner Mück hier unrecht. Er war als Hauptabteilungsleiter nie Zentraler Chefredakteur für TV, Radio und Online, sondern nur für die Fernsehinformation zuständig.
 
medianet: Apropos Strukturen: Würde es unter einem Generaldirektor Prantner weiter die derzeitige Geschäftseinteilung der Führung geben, oder würden sie hier thematisch eine Neuordnung versuchen?

Prantner: Nein, ich würde weitreichende Änderungen vornehmen. Da es – alleine schon wegen der Vorbildwirkung - notwendig ist, bei Strukturreformen und Sparprogrammen oben zu beginnen, schlage ich für die Funktionsperiode 2022-2026 eine neue Geschäftsverteilung vor, nämlich eine Reduktion der Anzahl der zentralen Direktionen von 4 auf 3 und damit eine Einsparung um 25%. Damit verbunden wäre auch eine neue Kompetenzverteilung innerhalb der Direktionen. Mein Reformkonzept beinhaltet folgenden Vorschlag: Unter der Generaldirektion soll es diese drei  Direktionen mit folgenden Geschäftsbereichen geben: „Direktion für Programm/Content für TV/Radio/Online“,  „Direktion für Finanzen, Personal und Business Development“ und eine „Direktion für Technik, Digitalisierung und neue Medien“.
 
medianet: Kommen wir zur Wahl selbst: Wie es derzeit aussieht, hat die ÖVP eine Mehrheit und kann „ihren“ Kandidaten im Alleingeingang bestimmen. Mit welchen Stimmen rechnen Sie und wie weit stimmt die Zuschreibung, dass Sie sich durch eine Kandidatur zur GD-Wahl für einen Posten nach der Wahl auf einer Ebene drunter in Stellung bringen wollen. Beispiele dafür gäbe es in der ORF-Historie, wo unterlegen Kandidaten etwa Programmdirektoren geworden sind.
 
Prantner: Ich bewerbe mich für die Funktion des Generaldirektors und jede/r Kandidat/in, der/die  sich bewirbt, hat die Chance gewählt zu werden. Ich hoffe, dass ich durch mein Reformkonzept einige Stiftungsrätinnen und Stiftungsräte überzeugen kann, mir ihre Stimme zu geben. Warten wirs ab – ORF-GD-Wahlen sind immer für Überraschungen gut….
 
medianet: Sie selbst galten lange Zeit als Verbindungsmann zur FPÖ innerhalb des ORF. Derzeit scheint ihr Verhältnis zu Stiftungsrat Steger eher abgekühlt. Wie sehen Sie selbst, der sie sich als großbürgerliches Gegenangebot bezeichnet, diese Zuschreibung?
 
Prantner: Ich habe mich niemals als „großbürgerliches Gegenangebot“ bezeichnet und halte so eine Bezeichnung für komplett unsinnig. Ich trete als unabhängiger Kandidat bei der ORF-Generaldirektor/innen-Wahl an und habe seit 33 Jahren ein berufliches Naheverhältnis zu einer einzigen Institution und die heißt ORF. Diesem bin ich verpflichtet und sonst niemandem. Gleichzeitig möchte ich klar und eindeutig festhalten, dass die Unabhängigkeit, Objektivität, Unparteilichkeit, Ausgewogenheit und die Gleichbehandlung aller Parteien – auch der FPÖ - in der Berichterstattung zu den zentralen Fundamenten der Glaubwürdigkeit der ORF- Information gehören.  
 
medianet: Bei der letzten Wahl hat der unterlegene Kandidaten Richard Grasl danach den ORF verlassen. Falls Sie nicht GD werden: Bleiben Sie dem ORF erhalten?
 
Prantner: Ja, klar. Ich gehe nicht davon aus, dass eine Bewerbung für die Funktion des Generaldirektors zu Bestrafungsaktionen, Degradierungen oder Funktionsverlusten führen wird.  Vor allem dann nicht, wenn eine nachweisbare jahrzehntelange Leistungs- und Erfolgsbilanz als ORF-Manager nachgewiesen werden kann. Ich möchte auch in Zukunft einen aktiven Beitrag zu einer erfolgreichen Entwicklung des ORF als modernes öffentlich-rechtliches Medienunternehmen leisten. (fej)

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