KI im Music-Biz ist einfach Datenklau
© Günther Haderer
MARKETING & MEDIA Redaktion 27.10.2023

KI im Music-Biz ist einfach Datenklau

Peter Vieweger, Präsident der AKM und früherer Gitarrist von Falco, findet scharfe Worte zum Einsatz von KI in der Musik.

••• Von Alexander Haide

Manche sehen in der Künstlichen Intelligenz den Heiligen Gral – und gänzlich neue Dimensionen bei der Produktion von Text-, Bild- und Video-Material. Auch das Musikgeschäft könnte KI dramatisch verändern – Hits kämen in Zukunft aus dem Rechner statt dem Studio. Für AKM-Präsident Peter Vieweger, er war unter anderem der legendäre Gitarrist von Falco, ist es nicht mehr als ein Hype – und Musik, hergestellt von einer KI, sei schlicht „Datenklau”.


medianet:
Wie stehen Sie zur Verwendung von KI in der Musikproduktion?
Peter Vieweger: Grundsätzlich muss man sich überlegen, was man als Musiker oder Komponist will. Möchte man möglichst organische Musik machen, dann wird man sich von KI fernhalten, denn bei KI handelt es sich um vorgegebene Elemente durch Datenklau. Datamining ist nichts anderes als ein Abgreifen und Stehlen von Urheberrechten; das ist wenig reguliert. Die allgemeine Pop-Musik wird, meinem Gefühl nach, immer flacher. KI wird dafür sorgen, dass sie noch flacher wird, nämlich ungewollt vereinheitlicht, denn die vorhandenen Möglichkeiten werden immer und immer wieder verwendet …

Man muss sich fragen, ob ein Kultur- und Musikland wie Österreich nicht geradezu herausgefordert ist, zu erkennen, dass die Individualität der Künstler ein wesentlicher, wertvoller Faktor ist. KI macht gleich und nimmt die Individualität des Künstlers weg. Ich glaube, dass es jetzt einen riesigen Hype gibt, der wieder abflachen wird.


medianet:
Hat das Urheberrecht damit ausgedient?
Vieweger: Die Erfahrung aus den Nullerjahren hat mit Creative Commons gezeigt, dass Google versuchte, das Urheberrecht abzuschaffen. Es war die falsche Idee, dass Kreative einen Vertrag unterschreiben sollen und lebenslang nie Geld dafür bekommen. Darauf ist kaum jemand eingegangen. Das war damals ein Riesen-Hype und heute spricht niemand mehr davon.

Auch die EU-Kommission hat sich verändert, denn bis 2010 war sie völlig auf dieser Linie, und das Internet hätte de facto die Urheberrechtsgesellschaften abgelöst. Innerhalb von nur zwei Jahren hat sich diese Haltung um 180 Grad gedreht, und man hat erkannt, dass das, was vom Silicon Valley kommt, nicht unbedingt den Künstlern in der EU hilft – sondern im Gegenteil. Schlussendlich gab es die Copyright-Directive (die es Online-Plattformen untersagt, unlizenzierte und urheberrechtlich geschützte Werke im Namen ihrer User zu verbreiten, Anm.). Das ist für die Betreiber der Plattformen schlecht ausgegangen.


medianet:
Wie steht es derzeit um die Beziehung von KI und dem Urheberrecht?
Vieweger: Im Urheberrechtsgesetz steht klar und deutlich in §1, dass eine eigentümliche geistige Schöpfung vorhanden sein muss, damit sie urheberrechtlich relevant ist. Das kann nicht so ausgelegt werden, dass darunter Musikstücke fallen, die durch eine KI erstellt werden. Man kann das Gesetz nur in diese Richtung verdrehen, und ich befürchte, dass internationale Entwicklungen das befeuern werden.

Wir werden mit Sicherheit keinen Wahrnehmungsvertrag mit einer Software-Firma abschließen, davon träumt diese Industrie, nach dem Motto: Wir stellen die Software zur Verfügung, und wenn es ein Hit wird, kassieren wir die Tantiemen. Es ist abzuwarten, wie viele Verwertungsgesellschaften hier hart bleiben.


medianet:
Sind Musikstücke, generiert von einer KI, überhaupt als solche erkennbar?
Vieweger: Das ist eine urheberrechtliche Grauzone, denn es ist nicht kontrollierbar. Es existiert derzeit keine effektive Software, die erkennt, ob ein Musikstück von einer KI zusammengestellt wurde oder nicht. Es ist eine philosophische Frage, wie weit das toleriert werden sollte.

Meine Position ist, dass man es überhaupt nicht tolerieren sollte. Eine Komposition sollte eine Komposition bleiben, bei der sich ein Künstler anstrengt und eine Woche braucht, bis das Ergebnis nach etwas klingt. Das ist für mich eine ehrliche Art und Weise, Musik zu machen. Die Trickserei finde ich nicht gut. Ich befürchte, wenn sich das durchsetzt, nimmt es die breite Masse als Standard an und alles, was organisch eingespielt wurde, wird als eher seltsam empfunden.


medianet:
Ist es für eine Trend­umkehr nicht schon zu spät?
Vieweger: Es ist ein Hype, und man wird aufwachen und erkennen, dass KI-generierte Musik nicht das Gleiche ist wie eine hochqualitative Musik, die von Menschen gemacht wird. Der Unterschied wird feststellbar sein.

medianet:
Markiert KI das Ende der klassischen Rockbands?
Vieweger: Ich glaube nicht, denn es ist ein Urbedürfnis vor allem bei jungen Menschen, mit Musik zu ventilieren. Als Mitglied des Vorstands des österreichischen Musikfonds weiß ich, dass es erstaunlich tolle Künstler gibt. Und die Musik ist nicht mit KI gemacht.

medianet:
Aber ist es nicht einfacher, mit KI zu arbeiten, als sich tagelang im Studio abzumühen?
Vieweger: Ich kann mich erinnern, als ich von Annette Humpe eingeladen wurde, bei dem Projekt DÖF zu helfen. Wir haben im Studio die Struktur von ‚Codo' mit Musikern innerhalb einer Stunde gebaut. Das ist ein Beispiel dafür, dass man sehr wohl mit Musikern, die sich natürlich gut verstehen müssen, etwas Tolles machen kann.

Es hat nach wie vor eine Wichtigkeit und einen großen Wert, dass junge Menschen zusammen Musik machen. Das wird nicht umzubringen sein. Mit KI ist nicht alles möglich, denn es sind viele Komponenten nötig, um etwas zu erschaffen, was die Menschen beeindruckt und das Publikum begeistert. Es braucht viel an Können, an Musikalität, an Fantasie, an Emotiona­lität.


medianet:
Was sind Ihre Wünsche bezüglich der Regulierung von KI im Music-Biz?
Vieweger: Ich würde mir wünschen, dass sich ein digitales Wasserzeichen sehr rasch verbreitet und es weniger und weniger möglich wird, sich an Urheberrechten, für die man nichts bezahlt, zu bedienen.

Das Music-Biz wehrt sich

Nach dem Interview mit Peter Vieweger setzt auch die österreichische Musikbranche erste Schritte, um sich gegen das Abgreifen von Daten zu Trainingszwecken für KI zu wehren, indem die Nutzungsbedingungen von Inhalten, die Journalisten über die Plattform PhonoNet zur Verfügung gestellt werden, geändert wurden: „Rechtevorbehalt von Universal Music Group betreffend die Nutzung von Bestandsinhalten des Unternehmens für das Training von KI: (…) dass die betreffenden Bestandsinhalte von Universal Music ab sofort nicht mehr von Dritten zum KI-Training verwendet werden dürfen.”

PhonoNet selbst hält dazu fest, dass „die von PhonoNet bereitgestellten Daten (Metadaten, Cover und Sounds) nicht für eine KI-Anwendung oder ein Training einer KI durch unsere Vertragspartner genutzt werden” dürfen. Eine solche Nutzung bedarf immer der ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung der Rechteinhaber.

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