Krisen und technologische Umbrüche haben nicht nur Auswirkungen auf die Gesellschaft, sondern auch auf die Rolle von Marken. Der Marketing Club Österreich (MCÖ) setzt sich damit intensiv auseinander: Präsident Andreas Ladich, Vizepräsidentin Melanie Rondonell und Beirat Christian Binder im Talk über die Anforderungen an Marken von heute.
medianet: Der Global Chief Creative Officer der Serviceplan Group, Alexander Schill, hat vor einiger Zeit im medianet-Interview gesagt, Marken hätten eine ‚große Strahlkraft‘ und könnten ‚durch ihre Haltung zu Leuchttürmen werden‘. Wie bewerten Sie die Rolle von Marken heute?
Andreas Ladich: Der Vergleich mit einem Leuchtturm ist schon ganz passend, sofern er in zwei Richtungen. Denn Marken haben eine doppelte Rolle: Für Kunden sind sie Orientierung, Vertrauen und emotionale Heimat – sie entscheiden, welcher Marke ich mich verbunden fühle und wem ich mein Vertrauen schenke. Und für Mitarbeiter sind Marken Identifikation und Stolz, ein kultureller Rahmen, der Sinn und Zugehörigkeit stiftet. Marken, die Haltung zeigen und diese glaubwürdig leben, entwickeln Strahlkraft über beide Dimensionen – nach außen wie nach innen. So werden sie zu Leuchttürmen, die nicht nur Märkte prägen, sondern auch Menschen inspirieren.
medianet: Was ist heute der Kern guter Markenstrategie – in einer Welt, die sich dauernd verändert?
Christian Binder: Gute Markenstrategie beginnt heute nicht mehr bei der Frage ‚Wie fallen wir auf?‘, sondern bei ‚Wie geben wir Halt?‘. In Zeiten von Unsicherheit, gesellschaftlicher Fragmentierung und KI-getriebener Disruption braucht es Marken, die mehr sind als Absender und Botschafts-
träger.
Sie müssen Orientierungssysteme sein, die eine starke Identität haben und Vertrauen schaffen, das heißt: eine klare Haltung, ein konsistentes Versprechen und eine glaubwürdige Verankerung im Alltag. Strategie ohne erlebbare Substanz wird heute schnell entlarvt. Deshalb denken wir Marken nicht nur als kommunikative Plattform – sondern als organisierende Idee für Identität, Kultur und Erlebnis, jenseits von Hypes und Halbwertszeiten. Genau darin liegt ihre wirtschaftliche Relevanz für Unternehmen. Genau jetzt, wo in Krisen Vertrauen schwer zu sichern ist und Unternehmen ohne Marken-Substanz wirtschaftlich zurückfallen.
medianet: Und worauf kommt es aktuell in der Markenführung besonders an und was braucht gutes Brand Management?
Melanie Rondonell: Eine Marke muss den Menschen einen echten Mehrwert bieten, sie soll emotional berühren und begeistern. Das ist nicht nur aktuell so, das gilt immer. Dafür braucht es einen sinnstiftenden Markenkern, authentische Kommunikation nach innen und nach außen sowie den Mut neue, kreative Wege zu gehen. Konsumenten werden in der heutigen Zeit mit Marken und deren Werbebotschaften regelrecht überschüttet. Oftmals will man als Unternehmen zu viel. Eine klare Fokussierung ist entscheidend.
medianet: Der MCÖ ist seit fast 70 Jahren eine feste Größe in der österreichischen Marketinglandschaft. Wie schafft es der Club, über so viele Jahrzehnte hinweg relevant zu bleiben?
Ladich: Unser Erfolgsrezept ist ganz klar: kontinuierliche Weiterentwicklung. Fast 70 Jahre Geschichte bedeuten nicht, dass wir stillstehen – ganz im Gegenteil. Der MCÖ ist heute so aktiv und attraktiv wie nie zuvor. Wir gewinnen neue Mitglieder, setzen spannende Veranstaltungsformate um und investieren stark in Weiterbildung. Wir hören genau hin, was die Branche braucht, und setzten diese Impulse rasch um. So bleiben wir nicht nur relevant, sondern gestalten die Zukunft der Marketing-Community in Österreich aktiv mit.
medianet: Stichwort kontinuierlicher Weiterentwicklung: Betrifft das auch den Markenauftritt – also das neue Erscheinungsbild des MCÖ, das Sie heuer präsentiert haben? Welche Veränderungen haben Sie dabei vorgenommen, und worauf kam es Ihnen ganz besonders an?
Rondonell: Uns war wichtig, dass unser Außenauftritt mit dem inneren Anspruch Schritt hält. Deshalb haben wir gemeinsam mit unserem Partner Brainds unseren Markenauftritt und unsere Positionierung noch einmal genau analysiert. Es ging dabei nicht um einen radikalen Wandel, sondern um gezieltes Nachschärfen. Wir wollten jene Werte stärker transportieren, für die der MCÖ heute steht: Vernetzung, Wissenstransfer und Inspiration. Denn wenn wir behaupten, dass wir die Marketing-Community erfolgreich in die Zukunft begleiten, dann muss das nicht nur inhaltlich stimmen – das muss man auch sehen und spüren können.
Ladich: Ein zusätzliches Ziel dabei war, dass es uns gelingt die unterschiedlichen Themen die wir als Club inhaltlich und strukturell bieten auch optisch unter einem Dach sichtbar zu machen beziehungsweise vorzubereiten, welches Regelwerk wir in der Zukunft dabeihaben. Das ist uns ein großes Anliegen, damit trotz der großen Themenvielfalt einen klaren Absender haben, der den Mitgliedern Orientierung bietet.
medianet: Und was war Ihnen bei Weiterentwicklung des MCÖ-Looks besonders wichtig?
Rondonell: Der MCÖ hat ja bereits einen sehr starken und wiedererkennbaren Look, da war es uns natürlich wichtig, dass das neue Erscheinungsbild eine evolutionäre Entwicklung ist – eine sanfte Modernisierung. Das Logo selbst haben wir nur behutsam angepasst, indem wir die runden Kanten reduziert haben. Neu ist jedoch, dass wir die Formsprache, die wir durchgehend einsetzen, aus dem Logo entwickelt haben. Das sorgt im Gesamtauftritt für spürbare Unterschiede. Der Claim ‚Gemeinsam voraus.‘ ist hingegen neu: Der MCÖ bewegt Großes – für die Mitglieder und die gesamte Branche. Deshalb ist man als Teil der größten Marketing-Community Österreichs immer: Gemeinsam voraus.
medianet: Wodurch wird der neue Look noch spürbar und sichtbar?
Rondonell: Unser bekanntes und beliebtes MCÖ-Rot ergänzen wir um neue Akzentfarben – graublau, gelb und mintgrün – für mehr frische und Abwechslung, besonders im digitalen Raum. Auffällig wird bestimmt die neue Bildsprache. Wir setzten auf Bilder von Mitgliedern auf unseren Veranstaltungen, um so nahe an der Community zu bleiben wie nur möglich. Wichtig war uns, alle Touchpoints mitzudenken und beim Refresh mitzunehmen. Der neue Auftritt zieht sich durch alle Kanäle: Vom klassischen Printfolder, über die Events bis hin zur digitalen Welt inklusive Podcasts. So entsteht ein starkes, einheitliches Bild nach außen.
medianet: Wie verändert der technologische Wandel – etwa durch KI – Ihre Arbeit mit Marken?
Binder: Technologie beschleunigt vieles, aber sie ersetzt nicht die kreative Idee. KI kann Inhalte generieren, Touchpoints automatisieren, Erlebnisse skalieren. Aber sie stellt auch eine Gegenfrage an Marken: ‚Was ist noch echt? Was ist menschlich?‘. Genau hier braucht es klare, geerdete Markenidentitäten, die Orientierung geben – weil sie mehr sind als algorithmisch berechnete Reize. Unsere Aufgabe als Gestalter ist nicht, technologische Mittel zu vermeiden – sondern sie in den Dienst einer durchdachten Markenführung zu stellen. KI ist ein Werkzeug, aber der Kern bleibt: Die Idee, die verbindet.
medianet: Kommen wir zum Schluss auf die Herausforderungen der Zukunft zurück. Mit welchen Herausforderungen werden Marken und Markenverantwortliche in der Zukunft konfrontiert sein?
Ladich: Ich denke, in der Zukunft der Markenführung ist die emotionale Relevanz der Schlüssel in einer fragmentierten, reizüberfluteten Welt. Die größte Herausforderung für Marken wird es sein, Menschen emotional zu erreichen. Nur wenn jemand sagt ‚Das ist eine Marke, die ich liebe‘ oder ‚Das ist eine Marke, der ich vertraue‘, entsteht echte Loyalität. Denn Nähe, Vertrauen und Identifikation entstehen nicht durch reine Werbebotschaften oder kurzfristige Kampagnen. Die notwendige emotionale Tiefe ist keine Kür, sondern die Grundvoraussetzung für Markenloyalität und Markenpräferenz.
medianet: Welche Marken werden sich also künftig durchsetzen?
Ladich: In einer Welt voller Austauschbarkeit sichern nicht mehr nur Produkteigenschaften, sondern sehr stark emotionale Relevanz, Authentizität und gelebte Werte den Erfolg. Sieger-Marken der Zukunft sind jene, die Vertrauen stiften, Orientierung geben und Teil des Lebensgefühls ihrer Zielgruppen werden, sind oder bleiben.
