„Medieninhalte waren zu wenig geschützt”
© APA/Georg Hochmuth
MARKETING & MEDIA Redaktion 15.01.2021

„Medieninhalte waren zu wenig geschützt”

VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger über die ­Umsetzung der EU-Copyright-Richtlinie und ihre Vorteile.

••• Von Dinko Fejzuli

Nach dem mehr als schwierigen Jahr 2020 bat medianet VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger zum Interview über jene Themen, wie etwa die Umsetzung der EU-Urheberrecht-Richtlinie oder die anstehende Digitalförderung, die die heimische Medienbranche heuer unter anderem beschäftigen werden.


medianet:
Herr Grünberger, wir stehen am Beginn von 2021 und es liegt ein mehr als schwieriges Jahr für alle, aber insbesondere für die Medien, hinter uns. Wie fällt da Ihr Resümee als VÖZ-Repräsentant aus?
Gerald Grünberger: Das Jahr 2020 war bekanntermaßen für viele Branchen ein schwieriges. Die Medienunternehmen verlegerischer Herkunft waren je nach Gattung und Größe des Medienunternehmens unterschiedlich schwer betroffen. Der Umsatzrückgang, der auch auf das Ergebnis durchgeschlagen hat, bewegt sich in einer Bandbreite zwischen zehn und 50 Prozent. Kleinere Verlagshäuser, insbesondere Magazine und Fachmedien, waren deutlich stärker betroffen. Der Fokus unserer Betrachtung liegt aber ganz klar auf der Zukunft. Das Jahr 2021 wird für viele Medienunternehmen entscheidend werden. Weitere Kraftanstrengungen bzw. Fördermaßnahmen werden bei Fortgang der derzeitigen Situation unumgänglich sein.

medianet:
Schauen wir nun voran: Nach jahrelangem Tauziehen soll nun die sogenannte EU-Copyright-Richtlinie in 2021 in Österreich umgesetzt werden. Die Kreativ- und die Medienwirtschaft erhoffen sich dadurch eine Verbesserung ihrer Position etwa gegenüber Giganten wie Google & Co. Welche Verbesserungen für die heimischen Medienunternehmen bringt sie nun tatsächlich für die Betroffenen?
Grünberger: Die europäische Urheberrecht-Richtlinie ist hinsichtlich des Presseverlegerrechts eindeutig. Es ist eine Vergütungspflicht für kommerzielle Online-Nutzung von Zeitungs- und Magazininhalten vorgesehen und auch klargestellt, dass die Veröffentlichung von ‚gesharten' Nutzerinhalten durch Plattformen wie Facebook seitens solcher Plattformdienste eine urheberrechtliche Verwertungshandlung darstellt. Der Schutz solcher Inhalte vor gewerblicher Ausbeutung durch kommerzielle Internet-Dienste und Plattformen war bisher sehr lückenhaft. So gesehen ist das eine klare Verbesserung.

medianet:
Eines der zentralen Themen der EU-weiten Anpassung des Urheberrechts an die neuen Herausforderungen des Digital- und Onlinemarkts in diesem Zusammenhang war eben das Schließen der sogenannten Wertschöpfungslücke. Was genau ist hier das Problem aus Sicht der Medien?
medianet: Die Digitalisierung hat dazu geführt, dass es zu einer Fragmentierung von Kanälen, Inhalten und letztlich auch der Werbung kam. Viele Plattformen sind auf der Suche nach Content, um diesen auch mit Werbung zu kommerzialisieren. Da Zeitungs- und Magazininhalte im Internet bisher nicht ausreichend geschützt waren, konnte sich auch die Online-Lizenzierung solcher Inhalte nicht gut entwickeln – eine Lücke in der Wertschöpfungskette, die damit zumindest rechtlich geschlossen wurde.

medianet:
In Bezug auf die Nutzung von Medieninhalten durch Dritte hatten die betroffenen Unternehmen ja auch schon bisher die Möglichkeit, diese zu unterbinden, wodurch sie aber etwa nicht mehr in der Google-Suche auftauchen würden. Wie genau hilft hier nun die neue Richtlinie?
medianet: Nur teilweise, der EuGH hat ja in der Vergangenheit manche Technologien, wie das Einbetten von Drittinhalten durch Embedded-Links bzw. Inline-Links, für urheberrechtlich irrelevant beurteilt, was dazu beigetragen hat, dass sich die Ausbeutung fremder verlegerischer Leistungen als Geschäftsmodell etablieren konnte. Auch Google konnte sich hierauf und auf die Haftungsprivilegierungsbestimmungen für Hostprovider und Suchmaschinendienste berufen – und auf das Interesse der Zeitungs- und Magazinverlage daran, mit ihren Inhalten in Google gefunden zu werden. Allerdings sprechen wir bei Google im Hinblick auf den Suchmaschinenmarkt von einem marktbeherrschenden Unternehmen mit weit über 90 Prozent Marktanteil. Die Auffindbarkeit in Google ist daher alternativlos für die Auffindbarkeit im Netz. Trotz Eindeutigkeit der Richtlinie gehe ich jedoch davon aus, dass Google sowohl den Lobbying- als auch den Rechtsweg bemühen wird, um die lückenlose Umsetzung zu behindern oder hintanzuhalten, wie man am Beispiel Frankreich derzeit sehen kann.

medianet:
Neben der Copyright-Richtlinie ist auch das Thema Digitaltransformationsförderung heuer ein wichtiges. Wie ist der Stand aktuell?
medianet: Aktuell arbeiten die Regierungsparteien an einem Begutachtungsentwurf für dieses neue Fördermodell. Wir gehen davon aus, dass der Entwurf demnächst publiziert wird, wobei das Notifizierungsverfahren bei der Europäischen Kommission ganz wesentlich sein wird, das zeitgleich startet. Grundsätzlich begrüßen wir diese Fördermaßnahme, weil sie einen ganz wichtigen Baustein bei der Transformation des Geschäftsmodells ‚Abonnement', das an Bedeutung auch in der Digitalwelt zunimmt, bilden kann.

medianet:
Kommen wir zum Schluss noch zu einem Thema, das in der heimischen Medienlandschaft die Wogen hochgehen lies. Kürzlich erschien im Kurier ein offener Brief von ­Corona-Leugnern als Inserat, dessen Inhalt für viel Wirbel in der Branche gesorgt hatte. Die Kurier-Chefredakteurin Martina Salomon rechtfertigte in einem Kommentar der gleichen Ausgabe die Veröffentlichung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung der Verfasser. Kritiker werfen dem Kurier nun vor, hier eindeutig Verschwörungstheorien – wenn auch als bezahltes Inserat – veröffentlicht zu haben. Die Kleine Zeitung und Heute haben die Veröffentlichung etwa verweigert. Wie beurteilen Sie die ganze Causa?
Grünberger: Die Thematik an sich ist keineswegs neu und bedeutet für das jeweilige Medium immer eine Gratwanderung zwischen publizistischer Ethik und einem vollumfänglichen Bekenntnis zur Presse- und Meinungsfreiheit. Auch in der Vergangenheit gab es immer wieder Fälle; gemeint sind Inserate von politischen Parteien oder Gruppierungen, bei denen eine solche Abwägung erforderlich war. Die rechtliche Trennlinie ist klar: Bei Werbung handelt es sich um kommerzielle Kommunikation, für die ebenso das Recht auf Meinungsfreiheit gilt, solange sie nicht für verbotene Produkte oder Dienstleistungen geschaltet wird oder in einer sonstigen Weise einen strafrechtlichen Tatbestand, zum Beispiel Verhetzung, erfüllt. Im konkreten Fall gehe ich davon aus, dass die Tageszeitung Kurier den Text der entgeltlichen Schaltung dahingehend geprüft hat und zum Ergebnis kam, dem Recht auf Meinungsfreiheit – auch wenn die Meinung von einer wissenschaftlichen Minderheit vertreten wird – den Vorzug zu geben. Eine entsprechende redaktionelle Einordnung wurde – wie Sie erwähnt haben – in diesem Zusammenhang ja auch im Blatt getätigt. Selbstverständlich ist aber kein Medium verpflichtet, ein Inserat anzunehmen, vor allem, wenn dies mit der Blattlinie nicht vereinbar scheint.

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