WIEN Paukenschlag in der österreichischen Agentur-Landschaft: Eine der größten Agentur-Gruppen des Landes, Reichl und Partner, verlässt die IAA Pitch Charta, eine Art Selbstverpflichtung österreichischer Agenturen, die festlegt, unter welchen Bedingungen heimische Agenturen an Pitches teilnehmen sollen. So lautet etwa eine Regelung, dass man, falls kein Pitch-Honorar gezahlt wird, gar nicht erst am Prozess teilnehmen solle.
Reichl und Partner hat diese Selbstverpflichtung gegenüber der IAA nun am Freitag vergangener Woche per Brief (siehe PDF im Anhang) gekündigt. Es hätten sich die Rahmenbedingungen in den letzten Jahren geändert – so heißt es etwa: „Die Quality-Pitch-Charta ist eine rein österreichische Initiative. Alle anderen IAA Chapters haben keine vergleichbare Charta.“ Und man führt weiter an: „Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland ist katastrophal, das führt dazu, dass immer mehr deutsche Agenturen in den österreichischen Agenturmarkt eindringen und kostenfrei pitchen. Somit können in Österreich auch deutsche Muttergesellschaften von Agenturen kostenfrei pitchen, auch wenn ihre Niederlassungen in Österreich die Quality-Pitch-Charta der IAA Austria unterzeichnet haben.“
Das sei ein krasser Wettbewerbsnachteil für heimische Agenturen, so Agenturchef Reichl gegenüber medianet: „Ich habe als einfaches Mitglied der IAA auch versucht, in einen Dialog zu treten. Meine persönlichen und auch schriftlich eingebrachten Bedenken blieben seit August, außer einem Schreiben, dass man in diversen Gremien nachdenkt, unbeantwortet“. Und Reichl weiter: „Die IAA als Oganisation finden wir von ihrer Idee weiterhin großartig, daran ändert sich nichts an unserer Meinung. Sie könnte allerdings schlagfertiger werden und auch auf die Veränderungen unserer Zeit Bezug nehmen. Das Problem ist, dass keine IAA-Organisation weltweit eine derartige Charta hat. Und dazu kommt, dass aufgrund des deutschen wirtschaftlichen Dilemmas vor allem deutsche Agenturen in den österreichischen Markt, leider auch über Gratis-Pitches, nach Österreich drängen. Das alles gefährdet auch uns als österreichische Agentur, die doch über 170 Mitarbeiter fix beschäftigt und seit 36 Jahren auch brav und auch gerne Steuern in Österreich zahlt."
Als Gründe für den Austritt nennt Reichl gegenüber medianet die neuen Bedingungen am Markt: „Ich denke, dass sich das Wettbewerbsumfeld geändert hat und eben vor allem deutsche Agenturen, die in den österreichischen Markt eindringen, vielen österreichischen Agenturen zu schaffen machen. Als Geschäftsführer einer der leistungsstärksten Agenturgruppen Österreichs möchte ich sehr wohl darüber entscheiden dürfen, ob ich bereit bin, für einen Kunden in Vorleistung zu treten oder nicht. Grundsätzlich gibt es bei uns keine Gratis-Pitches oder auch Massenpitches, an denen zehn Agenturen teilnehmen. Wir möchten aber selbst entscheiden, ob wir z.B. am kostenfreien Pitch der österreichischen Ärztekammer teilnehmen wollen oder nicht. Wenn das Thema für uns von Bedeutung ist, dann sind wir dabei. Das wollen wir uns einfach durch einen Verein nicht vorschreiben lassen.“
Insgesamt fordert Reichl: „Die IAA Austria sollte generell die Interessen der österreichischen Agenturen vertreten. Die Mitgliedschaft von Agenturen soll im Stammland begründet sein, auch wenn sie in Österreich Agenturen zusammenkaufen oder neu gründen. Im Moment können zum Beispiel deutsche Agenturen in Österreich gratis pitchen, auch wenn sie die Charta in Österreich unterschrieben haben. Das macht die Charta obsolet. Wahrscheinlich müsste es genügen, dieses 'Pitchverbot bei Gratispitches' zu überdenken. Der Rest der Charta ist ja in Ordnung für uns."
Wie es in der Causa nun weitergeht und wie eine mögliche Lösung aussehen könnte, lesen sie in einem ausführlichen Interview mit dem Gründer und Geschäftsführer der Agenturgruppe, Rainer Reichl, in der Printausgabe von medianet am 18. Oktober. (fej)
Link zum Brief von Rainer Reichl als pdf.
