Leitartikel
••• Von Sabine Bretschneider
ANSICHTSSACHE. „Jede fünfte Frau in Deutschland hat Tradwife-Überzeugungen“, berichtet die Statistikplattform Statista. „Tradwife“ nennt sich der Trend, im Zuge dessen Frauen, kostümiert als begeisterte Hausfrauen und Mütter, eine alternative Form der Selbstverwirklichung feiern. Und das mit großem Online-Marketingeinsatz, Filter, Hashtag und – ironischerweise – feministischer Fußnote.
Tradwives sind per se ein US-Phänomen. Sie begreifen sich mehrheitlich als unpolitisch, räkeln sich jedoch in rechtspopulistischen und antifeministischen Strömungen, konservativen und nationalistischen Ideologien – verpackt in pastellfarbene Schürzenkleider, Sauerteig und Social-Media-Ästhetik. Man/frau wählt Trump.
Interessanterweise ist die inszenierte Rückkehr zu diesem traditionellen Frauenbild so realitätsnah wie Schneewittchen und die sieben Zwerge. Eine Erfindung der bürgerlichen Moderne, verstärkt durch Hollywood, Waschmittelspots und Nachkriegspropaganda. Historisch betrachtet war Frauenarbeit, zusätzlich zu Kindern und Küche und abseits dessen, die Regel, nicht die Ausnahme. Die glaubwürdigsten Vertreterinnen des Retro-Lifestyles stammen aus der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, den Mormonen. Und auch diese Bewegung ist nicht besonders alt.
Aber wo läge der Charme von Retro-Trends, wenn sie der Wahrheit entsprächen? So wie hierzulande voller Stolz traditionelle Speisen wie Schnitzel und Schweinsbraten, Tafelspitz und Wurzelfleisch präsentiert werden, während realiter die längste Zeit nur Gerste, Hirse, Kraut und Rüben am Speiseplan standen.
Beruhigenderweise kursieren auf TikTok inzwischen mehr Satiren auf das Tradwife-Ideal als vermeintlich – und vermutlich – ernst gemeinte Clips von tatsächlichen Proponentinnen dieser Bewegung. Der diesbezügliche Faktencheck ist nicht immer einfach. „Satire ist die Kunst, einem anderen so auf den Fuß zu treten, dass er es merkt, aber nicht aufschreit“ (Helmut Qualtinger). Passt also.
