••• Von Dinko Fejzuli
Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Herbstsession die Beschwerden von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen bzw. Radiostationen gegen die Werbeabgabe abgelehnt.
Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, für Werbung im Internet anders als für Werbung in Printmedien oder Radio keine Werbeabgabe einzuheben. Wörtlich hält der VfGH fest: „Dem Gesetzgeber kann nicht entgegengetreten werden, wenn er Online-Werbung, die in erheblichem Ausmaß durch Werbeleister vom Ausland aus erbracht wird, in Anbetracht der vom Werbeabgabegesetz erfassten Steuertatbestände im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes nicht in die Abgabepflicht nach dem Werbeabgabegesetz 2000 einbezieht.
Beim VÖZ hat das Urteil naturgemäß alles andere als Freudensprünge verursacht. medianet sprach mit VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger.
medianet: Herr Grünberger, Online-Werbung bleibt weiterhin von der Werbeabgabe ausgenommen. Wie überraschend war das Urteil für Sie?
Gerald Grünberger: Die große Mehrzahl aller Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof wird abgewiesen, insbesondere im Abgabenrecht ist der Verfassungsgerichtshof sehr zurückhaltend, den Gesetzgeber zu korrigieren. Das war uns stets bewusst, wir hatten und haben aber gute Argumente, die von vielen Juristen geteilt werden. Wie wenig sich der Verfassungsgerichtshof mit der von uns ausführlich aufbereiteten Ungleichbehandlung inhaltlich befasst hat, war allerdings überraschend. Im Ergebnis sind höchstgerichtliche Entscheidungen grundsätzlich zu respektieren, auch wenn die sehr knappe Begründung inhaltlich schwer nachvollziehbar ist.
Offenbar sieht der Verfassungsgerichtshof die Rechtfertigung für die Privilegierung der Online-Werbung darin, dass diese in erheblichem Ausmaß vom Ausland aus erbracht wird – also insbesondere durch Google und Facebook. Warum dies eine Privilegierung sachlich rechtfertigen soll, hat uns der Verfassungsgerichtshof nicht erklärt. Auch nicht, worin dabei der Unterschied zur TV-Werbung liegen soll: Diese ist erfasst, obwohl ein erheblicher Teil ebenso aus dem Ausland erbracht wird. Deutsche TV-Sender zahlen für ihre Österreich-Werbefenster Werbeabgabe.
medianet: Wie viel Geld geht dem Staat Ihrer Einschätzung nach hier durch die Nichteinhebung verloren?
Grünberger: Im Jahr 2015 hat eine Studie von werbeplanung.at errechnet, dass österreichische Unternehmen für Online-Werbung inklusive Google und Facebook, auf die der Löwenanteil entfällt, mehr als 680 Millionen Euro ausgegeben haben. Das wären über 30 Millionen Euro an Werbeabgabe. Für 2016 liegen nur Focus-Zahlen vor, die berücksichtigen aber die Spendings für Google- und Facebook-Werbung nicht. Ich denke, wir können davon ausgehen, dass die Umsätze von Google und Facebook 2016 nicht niedriger als 2015 waren, sondern das Gegenteil der Fall ist.
medianet: Sie weisen darauf hin, dass durch die Beibehaltung der Regelung vor allem Google und Co bevorteilt bleiben. Vertreter der Internetwirtschaft freuen sich hingegen und sagen, eine Abgabe auf Onlinewerbung hätte vor allem heimische Marktteilnehmer benachteiligt. Wer hat nun recht?
Grünberger: Beide haben recht. Die Werbeabgabe benachteiligt heimische Marktteilnehmer. Derzeit benachteiligt sie alle Mediengattungen außer Online im internationalen Wettbewerb – das ist den Vertretern der Internetwirtschaft daher naturgemäß egal. Grundsätzlich sind aber auch wir der Meinung, dass eine Abgabe auf Werbung heimische Marktteilnehmer benachteiligt.
Unser Primärziel war deshalb auch nie die Ausweitung der Werbeabgabe auf Online, alle 23 VfGH-Beschwerden zielten auf eine ersatzlose Abschaffung der Werbeabgabe ab. Richtig ist aber, dass wir für Gleichbehandlung sind: Wenn die Werbeabgabe schon nicht abgeschafft wird, dann soll sie nicht den Wettbewerb unter den Mediengattungen verzerren.
medianet: Nun, nach dem Urteil, sehen Sie vor allem die künftige Bundesregierung am Zug, hier zu einer Regelung im Sinne der Verleger zu kommen. Wie wollen Sie da nun genau vorgehen?
Grünberger: Wir appellieren an die neue Bundesregierung, die Werbeabgabe ersatzlos abzuschaffen, oder, falls dies nicht gelingt, eine Steuerfairness herzustellen. Vorschläge dafür gibt es mehrere – von der digitalen Betriebsstätte bis hin zu Präzisierungen im Steuerrecht.
Die Silicon Valley-Giganten zu erfassen, ist übrigens nicht so kompliziert, wie von manchen behauptet wird. Auch heute haftet ein österreichischer Werbekunde, der TV-Werbung in einem Österreich-Fenster eines deutschen TV-Senders bucht, ersatzweise, falls der deutsche Werbeträger die Abgabe nicht leistet.
Genauso würde es mit den US-Konzernen auch funktionieren. Wenn jeder ihrer Werbekunden vom Finanzamt eine Aufforderung erhält, die von Google oder Facebook nicht abgeführte Abgabe an deren Stelle zu begleichen, dann würden auch diese beiden Unternehmen sehr schnell einlenken.
medianet: Sie fordern hier nachdrücklich eine Gleichbehandlung und eine Abgabe für Online-Werbung. Wäre es nicht mehr im Sinne der heimischen Medienmacher, nun endlich die Werbeabgabe generell zu Fall zu bringen?
Grünberger: Wie bereits ausgeführt, fordern wir die Abschaffung der Werbeabgabe und haben für diese mit unseren Beschwerden gekämpft. Aber wenn der Gesetzgeber schon die heimische Medienwirtschaft im globalen Wettbewerb mit einer einzigartigen Abgabe sabotiert, dann soll er nicht eine Mediengattung davon ausnehmen – das verzerrt den Wettbewerb. Aber nochmals: Ja, es wäre sinnvoll und an der Zeit, der Werbeabgabe einen Platz im Republiks-Museum zu reservieren.
medianet: Ähnlich wie der VÖZ sieht auch der VÖP einen klaren Handlungsauftrag an die neue Regierung. Könnten Sie sich hier ein gemeinsames Vorgehen in der Sache vorstellen?
Grünberger: Absolut. In dieser Frage gibt es völlig übereinstimmende Wahrnehmungen – nicht nur zwischen den beiden Medienverbänden, sondern auch mit vielen anderen Organisationen. Der Zuspruch, den wir in den letzten Tagen bekommen haben, war ermutigend.
medianet: Welche Auswirkung hätte die Gleichbehandlung von Werbung in Bezug auf die Abgabe? Der iab kritisiert ja Ihre Forderung und stellt strikt in Abrede, dass durch eine Abgabe auf Onlinewerbung mehr zur Gattung Print fließen würde.
Grünberger: Printmedien müssen im Wettbewerb mit Online die Gewinnspanne reduzieren, um die unfaire Abgabenbelastung auszugleichen. Eine abgabenrechtliche Gleichbehandlung von Print und Online würde dieser Wettbewerbsverzerrung ein Ende setzen. Abgesehen davon ist es den Kollegen beim iab vielleicht noch nicht aufgefallen, dass der weltweite Trend ein anderer ist. Auch deswegen hat die Medienpolitik einen klaren Handlungsauftrag.