VÖP für Totalreform der Medienfinanzierung
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Standpunkt VÖP-Präsident Ernst Swoboda und VÖP-Geschäfts­führerin Corinna Drumm skizzieren im medianet-Interview ihre Vorstellungen.
MARKETING & MEDIA Dinko Fejzuli 21.10.2016

VÖP für Totalreform der Medienfinanzierung

Präsident Swoboda: Geld für ORF und Private sollte künftig direkt aus dem Budget kommen.

••• Von Dinko Fejzuli

Gegen den möglicherweise demnächst anstehenden Antrag des ORF auf Erhöhung der Gebühren laufen die Privatsender Sturm und fordern stattdessen eine Neugestaltung der ORF-Finanzierung, aber auch eine Reform der Förderung der Privatsender.

So verlangt VÖP-Präsident Ernst Swoboda etwa als Möglichkeit die Abschaffung der ORF-Gebühr und eine Finanzierung des ORF und die Förderung der Privatsender als Institutionen im öffentlichen Interesse direkt aus dem Budget. Gemeinsam mit VÖP-GF Corinna Drumm erläutert er seine Ideen.


medianet:
Herr Swoboda, der VÖP steigt schon mal, wie es scheint, vorsorglich auf die Barrikaden, um zu verhindern, dass eine mögliche Erhöhung der ORF-Rundfunkgebühren durchgeht.
Swoboda: Unabhängig davon, was der ORF braucht oder nicht, benötigt es zunächst ein neues Finanzierungssystem, denn das aktuelle ist anachronistisch. Vor 30 Jahren war es ja noch in Ordnung, wenn die Gebühr an den Besitz eines TV-Geräts gekoppelt war, da nur ein Teil der Bevölkerung ein solches Gerät hatte und das Kriterium daher für eine Abgrenzung tauglich war. Zudem konnten die Besitzer von TV-Geräten damals auch tatsächlich nur ORF-Programme empfangen. Aber dass heute jemand, der ein TV-Gerät besitzt, zahlen muss, und jener, der das ORF-Programm via Stream konsumiert, nicht, ist unserer Ansicht nach verfassungswidrig – und darauf muss reagiert werden.
Drumm: Jetzt, in dieser Situation, die Gebühren einfach zu erhöhen, würden diese Zustand nur noch weiter verschlimmern.
Swoboda: Dabei möchte ich betonen, dass ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk wichtig ist und wir dafür den ORF brauchen. Er sollte aber ein bisserl mehr öffentlich-rechtliches Programm machen und kann dafür dann aber auch ausreichend mit öffentlichen Mitteln finanziert werden

medianet:
Und wie soll das neue Finanzierungssystem Ihrer Vorstellung nach aussehen?
Swoboda: Eine Möglichkeit wäre eine Haushaltsabgabe. Damit würde man auch jene einbinden, die derzeit keine Gebühren zahlen. Der ORF spricht von einer Schwarzseherquote von 2,5%; allein dadurch entgehen der GIS jährlich angeblich rund 40 Mio. Euro. Wir glauben, dass die Quote sogar höher ist. Als etwa in Deutschland die Haushaltsabgabe eingeführt wurde, zeigte sich, dass die Schwarz­seherquote bei 15% lag.

Ich frage mich aber – wobei dies keine akkordierte Position des VÖP ist – , wozu es überhaupt eine eigene Gebühr für den ORF braucht. Sinnvoller wäre es, die Gebühr abzuschaffen und die Finanzierung des ORF, so wie die Förderung der privaten Medien, aus dem Budget zu bewerkstelligen. Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist für unsere Gesellschaft eben wichtig, und entsprechend sollte die Finanzierung wie bei anderen gesellschaftspolitischen wichtigen Themen aus dem Budget durchgeführt werden.
Es bedarf auch deshalb einer Reform, weil die Österreicherinnen und Österreicher zu jenen gehören, die durch die Rundfunkgebühren am meisten ­belastet werden ...


medianet:
... wovon aber nur ein Teil beim ORF landet.
Swoboda: Deshalb sprechen wir ja auch von der Belastung als Ganzes, die europaweit am höchsten ist, und schon allein deshalb kann man die Gebühr nicht mehr weiter erhöhen.

medianet:
Künftig soll es also einen gemeinsamen Budgetposten geben, aus dem der ORF und die Privaten bedacht werden?
Swoboda: Ja, wobei es nicht darum geht, das Budget des ORF wegen der Ansprüche der Privaten zu schmälern. Nach der Reform des Systems muss man dann als zweites fragen, was der ORF braucht, um seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen, und wie das entsprechende Programm dazu auszusehen hat. Es gibt eine Fülle von Dingen, die der ORF in einem Ausmaß tut, das seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag nicht entspricht. 32% an einem Glücksspielunternehmen zu halten, zählt etwa eher nicht zum öffentlichen Auftrag …

 

medianet: … und jetzt kommen sicherlich Dinge wie der Rechte­kauf für US-Serien, Premium-Sport oder Blockbuster …
Swoboda: Absolut, denn hier gibt der ORF zum Teil Geld für Inhalte aus, die er gar nicht benötigt, sondern nur deshalb kauft, um sie den Privaten nicht zu lassen, was wiederum die Entwicklung des so wichtigen dualen Rundfunkmarkts hemmt.

medianet:
Man kann den ORF aber nicht dazu verdonnern, nur Opern zu übertragen ...
Swoboda: Das will auch niemand. Aber der ORF muss nicht in allen Genres alles haben. Es würde schon reichen, wenn er nur die Hälfte oder sogar nur ein Viertel der Premium-Sport-Rechte oder die Hälfte der Erstausstrahlungsrechte für Blockbuster und Serien kaufen würde.
Drumm: Dass man damit als öffentlich-rechtlicher Sender auch mit weniger Premiumrechten leben kann, zeigt der Blick in andere Länder. Außerdem würden die verringerten Rechte-Ausgaben dem ORF viel Geld sparen. Das wäre ein Grund mehr, die Gebühren nicht zu erhöhen. Der ORF kann seinen Auftrag erfüllen, ohne den Markt leerzukaufen.

medianet:
Neben den Sport­rechten haben Sie auch die Marketingaktivitäten des ORF kritisiert. Hier handelt es sich laut ORF aber um 95% unbare Gegengeschäfte.
Swoboda: Wir haben nicht die Gegengeschäfte kritisiert und schon gar nicht jene mit Verlagen, denn diese Gegengeschäfte haben null Auswirkung auf das Programmentgelt. Es hat niemand etwas dagegen, wenn der ORF sein Programm bewirbt. Aber eine reine Imagekampagne für Ö3 landauf landab zu plakatieren, ist nicht notwendig.

medianet:
Auch eine bekannte Marke muss Markenpflege betreiben.
Swoboda: Trotzdem ist eine Million Euro für Ö3 wirklich nicht notwendig. Damit werden lediglich die Privaten Medien behindert.
Drumm: Es ist auch interessant, dass der ORF in seinen Entgegnungen auf unsere Kritik von letzter Woche lediglich auf seine Gegengeschäften mit den Verlagen hinweist. Die Außenwerbeaktivitäten erwähnt er explizit nicht und die sind wohl eher keine Gegengeschäfte.

medianet:
Kommen wir zurück zu Ihrer Forderung, den Programmauftrag des ORF neu zu definieren. Was genau meinen Sie hier?
Swoboda: Der Auftrag muss internationalen Standards entsprechen und vor allem überprüfbar sein. Derzeit rätselt sogar die KommAustria als die für den ORF zuständige Behörde, was der öffentlich-rechtliche Auftrag, der eigentlich fürs Fernsehen formuliert war, fürs Radio bedeuten könnte. Es stellt sich insgesamt die Frage, wie weit der ORF als Ganzes seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag überhaupt erfüllt, denn derzeit kann er ja gewisse Programminhalte außerhalb der massenwirksamen Programme auslagern und dort dafür machen, was er will und sich wie ein kommerzieller Sender benehmen.
Drumm: Im Radio etwa kann der ORF in seinen Programmen auf erfolgreiche Privatsender durch Änderungen seines Programms reagieren, ohne, wie es bei den Privaten der Fall wäre, dabei Gefahr zu laufen, seine Lizenz zu verlieren. Hier fehlt ein klarer Auftrag, was der ORF im Radio machen darf und was nicht.

medianet:
Und was soll er Ihrer Meinung nach dürfen?
Swoboda: Erstens muss definiert werden, was im Programm enthalten sein muss, von der Kultur über die Information bis hin zur Unterhaltung – mit prozentuellen Mindestvorgaben.

Zweitens muss geregelt werden, dass wesentliche Änderungen des Programms, die den Mitbewerb tangieren, nur mit Genehmigung der Behörde möglich sind, wobei den betroffenen Privatsendern eine Parteienstellung einzuräumen ist – wie es übrigens bei solchen Fällen zwischen den Privatradios auch der Fall ist.
Und drittens muss, um allen Zielgruppen die Sinnhaftigkeit der Gebühren zu vermitteln, in jedem Programm der öffentlich- rechtliche Auftrag klar erkennbar zum Ausdruck kommen.
Derzeit verhält sich der ORF aber, als wäre dieser Auftrag ein Schmäh für die EU-Kommission, den man in irgendwelche Einzelsender auslagern kann. Im restlichen Programm benimmt man sich frisch-fröhlich wie ein Kommerzsender, und kassiert gleichzeitig 600 Mio. Unterstützung in Form von Gebühren.
Übrigens gehören hier viele weitere fragwürdige Aktivitäten wie etwas die Beteiligung an Start-ups zu diesem Themenfeld dazu. Auch hier sind wir der Meinung, dass der ORF nicht alles, was möglich ist und gerade neu und modern ist, tun darf. Das geht nicht mehr. Es geht darum, dass der ORF seine Identität findet.


medianet:
Das wird der ORF anders sehen.
Swoboda: Das sollte er aber nicht. Denn gerade im Hinblick auf die Rolle der globalen Mediengiganten wie YouTube und Facebook wäre eine klare Positionierung des ORF besonders wichtig.

medianet:
Facebook selbst und sogar manche Verlage sehen die Plattform nicht als Medium.
Swoboda: Dass manche Verleger Facebook, um sich mit der eigenen journalistischen Leistung davon abzugrenzen, nicht als Medium sehen wollen, kann ich ja noch nachvollziehen, aber ob sich Facebook selbst so sieht oder nicht, ist völlig egal. Sie spielen am selben Spielfeld das selbe Spiel und wie sie sich nennen, spielt dabei keine Rolle. Sie erfüllen die Voraussetzungen für Medienanbieter, und sobald dort Werbung läuft, wie sie auch auf klassischen Medienkanälen zu sehen sein könnte, müssen die gleichen Regeln gelten. Punkt.

medianet:
Lassen Sie uns zum Schluss kurz über den VÖP sprechen. Hier hat Ihnen der Chef von ATV vergangener Woche an gleicher Stelle einige Unfreundlichkeiten ausgerichtet und den VÖP massiv kritisiert und als Interessensvertretung deutscher Sender in Österreich bezeichnet. Was haben Sie sich da gedacht, als Sie das gelesen haben?
Swoboda: Also was ich mir da gedacht habe, kann ich hier jetzt nicht sagen (lacht). Aber im Ernst: Die Behauptung, der VÖP würde von ausländischen Werbefenstern geführt, ist so was von unsinnig, denn von den 44 Mitgliedern ist die IP Österreich nur eines und lediglich drei weitere stellt die ProSiebenSat.1 Gruppe. Es ist jedenfalls so, dass sich der Verband nicht für Individualinteressen einzelner Mitglieder verwendet, was übrigens der Grund für das Ausscheiden von ATV aus dem Verband war.

Ich kann nur so viel dazu sagen: Eine meiner ersten Bemühungen als VÖP-Vorsitzender war es, ATV wieder zurückzuholen, weil ich glaube, dass es für beide Seiten gut wäre. Umso mehr ist es schade, dass Martin Gastinger die Tür so zuschlägt.

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