Zwischen sparen und „sich was gönnen”
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MARKETING & MEDIA Redaktion 11.11.2022

Zwischen sparen und „sich was gönnen”

Im FMP Talk#49 sprachen Experten über starke Marken, Konsumverhalten und Innovation in schwierigen Zeiten.

••• Von Dinko Fejzuli und Petra Stückler

Komplexe Faktoren führen derzeit zu hohen Inflationswerten mit direktem Einfluss auf das Konsumverhalten der Menschen, das sich derzeit nachvollziehbarerweise ändert. Das Forum Mediaplanug hat im FMP-Talk #49 genau dieses Thema aufgegriffen und zu einer Expertenrunde mit dem Titel „Konsumverhalten und Markenbewusstsein in Zeiten von Inflation” geladen. Mit dabei: Stefan Fink, Professor für Finanz- und Risikomanagement an der Fakultät für Wirtschaft und Management der FH OÖ, Martina Steinberger-Voracek, Gründerin von CanisBowl und Unternehmensberaterin, und Andreas Roitner, Head of Strategy bei Scholz & Friends Wien. ­medianet-Chefredakteur Dinko Fejzuli moderierte den Online-Event.

In einer Keynote gleich zu Beginn der Veranstaltung präsentierte Stefan Fink eine Analyse der derzeitigen Situation und aktuellen Lage aus volkswirtschaftlicher Perspektive und betonte gleich anfangs: „Es ist heute nicht ganz einfach, einen bedingungslos positiven Ausblick zu geben.”
Man stehe derzeit bei einer durchschnittlichen Teuerung von 8,5 Prozent im Jahr 2022, die aufgrund angebotsseitig passierender paralleler Schocks entstehe; die Ursachen dafür seien bekannt: Gaspreise, Energiepreise, nach wie vor in der Coronakrise entstandene Lieferkettenprobleme, aber auch der Arbeitskräftemangel.
Den Ausblick auf das nächste Jahr schildert Fink so: „Wir werden im Jahr 2023 in Österreich noch deutlich höhere Inflationsraten haben, als erwünscht. Die Teuerungsdynamik wird jedoch etwas abnehmen.”
Derzeit befänden wir uns mitten in einer Stagflation, in der Phase der Inflation mit stagnierender Volkswirtschaft. Hierbei seien aber nicht alle Branchen gleich hart betroffen.
In dieser volatilen Situation gäbe es zwei Faktoren, die den Privatkonsum besonders belasten: einerseits die geopolitische Unsicherheit und andererseits die hohen Energiepreise. Aber auch der aktuelle und erwartete Kaufkrafverlust wirke bei der Einkaufslaune der Konsumenten dämpfend.
Hier setzte auch gleich Andreas Roitner an, denn bei Scholz & Friends werde jährlich die weltweit größte Markenstudie durchgeführt, der Brand Asset Valuator (BAV). Darin stelle man über 100 Werthaltungsfragen und könne so ein detailliertes Bild zeichnen, wie optimistisch oder pessimistisch die Menschen aktuell gestimmt seien.
Tatsächlich sagen aktuell 36% der Befragten, dass ihre Situation sich verschlechtern werde. Im Jahr 2019 waren es lediglich 17%.

Starke Marken dominieren

In dieser von schlechter Stimmung geprägten Situation sehe man aber deutlich, dass die Markenstärke sich merklich gebessert habe. Differenzierung, Relevanz, Wertschätzung und Vertrauen seien die wichtigsten Faktoren, die eine erfolgreiche Marke ausmachen würden.

In der Coronakrise hätten jene Marken sehr deutlich gewonnen, die Sicherheit geben. Im Ukrainekrieg seien aber auch Marken, die einem etwas ermöglichen, sehr gefragt. „Zum Beispiel Booking.com und Ikea, die Extreme sind groß geworden. Die Frage ist immer: Welche Marken geben mir den emotionalen Benefit und wo finde ich den Ausbruch”, fasste Roitner zusammen.
Martina Steinberger-Voracek bestätigte: „Konsumenten gehen aus Warengruppen, die nicht unmittelbar erforderlich sind, raus. Aus meiner Zeit bei Henkel weiß ich: Man braucht nicht unbedingt einen Weichspüler oder ein Klohängerl. Bei diesen Produkten vermindert sich die Kauffrequenz, wenn es an Kaufkraft fehlt.”
Allerdings: Wenn die Marke mit Essenz, Vertrauen und Relevanz gefüllt sei, wenn sie es so schaffe, Stabilität zu vermitteln und Anker zu sein, dann gewinne sie.
Fazit: Premiummarken gewinnen und die Preiseinstiegslage ebenso. Alles, was dazwischenliege, tue sich schwer, weil es nicht den Zusatznutzen bietet.
Andreas Roitner setzte nach: „Was wir in der BAV-Studie auch sehen, ist, wenn man die vier Säulen der Markenbewertung beachtet, schneiden die Marken am besten ab, die ihre Einzigartigkeit herausarbeiten. So sagt die Studie, dass Diskontmarken, Eigenmarken gewonnen haben, Premiummarken haben sich jedoch auch bewiesen.”
Doch wie schaffe man Differenzierung? Dies sei ein höchst branchenspezifisches Thema, jedoch gelte es immer, die Merkmale herauszuarbeiten, die Produkte einzigartig machen. Wenn man die Differenzierung nicht schaffe, ginge man zwangsläufig in der Mitte unter, erklärt Roitner weiter. Auch ein weiteres Schlagwort, das Thema Nachhaltigkeit, dürfe bei der Erhaltung einer starken, erfolgreichen Marke nicht ausgeklammert werden. Dies sei mittlerweile ein unentbehrlicher Hygienefaktor geworden und ein Must-have für jedes erfolgreiche Unternehmen.
Stefan Fink betont jedoch, dass in der Beurteilung der Gesamtsituation besonderes Augenmerk auf Balance zu legen sei: „Selbst in den schwierigen Zeiten macht der Privatkonsum die Hälfte der wirtschaftlichen Leistung Österreichs aus. Nicht zuletzt aus sozialen Gründen, um soziale Spannungen zu vermeiden, und auf Basis der großen Zahl, die es betrifft, muss man hier genau hinsehen.”
In dieser schwierigen Zeit, gerade für einkommenschwache Haushalte, werde die Marke zu einem kondensierten Leistungsbündel, wie Martina Steinberger-Voracek erklärt: „Welche Leistung kann ich meinem Konsumenten bieten, damit er das Gefühl hat, das ist es mir wert?

Innovation und Bedeutung

Wenn ich das anbieten kann in meinem Produkt, dann beginne ich, eine Marke aufzubauen. Wichtig ist, dass ich etwas anbiete, wo die Menschen sagen, euer Produkt nutzt mir. In Zeiten wie diesen muss man den Nutzen herausarbeiten. Es ist auch eine Zeit für Innovation. Meaningful Innovation.”

Obwohl die Situation herausfordernd sei, sehe man, dass der Konsum bleibe. Durch die hohe Inflation legen die Menschen ihr Geld nicht aufs Sparbuch, sondern man gönne sich etwas Schönes.
Die erfolgreichsten Marken würden es schaffen, den Experience Gap sehr klein zu halten und Menschen eine völlig neue Welt zu eröffnen. Einen abschließenden Tipp haben alle Experten: „Wenn man es sich finanziell erlauben könne, dann sei jetzt genau die Zeit, in Innovationen zu investieren.”

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