Aussichtslos Die seit Jahren andauernde Flüchtlingstragödie im Mittelmeer erreichte am Sonntag einen neuen Tiefpunkt: Vor der Küste Libyens kenterte ein Schiff mit bis zu 700 Menschen an Bord. Seit Anfang dieses Jahres sind mehr als 26.000 Flüchtlinge in Italien eingetroffen; allein in den vergangenen sieben Tagen sind mehr als 1.000 Flüchtlinge im Mittelmeer auf der Überfahrt nach Europa im Todesstreifen zwischen Libyen, Tunesien und Sizilien ertrunken – und das sind nur jene, von denen wir wissen. Kleine Boote, die in Seenot geraten, werden oft nicht einmal bemerkt.
Es muss etwas passieren, darin sind sich alle einig. Aber was? 28 Mitgliedsstaaten mit teils vollkommen konträren Ansichten sollen eine Einigung erzielen, die derzeit nicht einmal innerhalb der nationalen Regierungen machbar scheint. Die bescheidenen Mittel der EU-Grenzschutzinitiative „Frontex” aufzustocken, ist unter Umständen ein relativ leicht erzielbarer Kompromiss. Allerdings sinken viele Schiffe schon in den Hoheitsgewässern jener Staaten, in denen sie aufbrechen. Wirkliche Sicherheit für die Flüchtlinge zu garantieren, gelänge also nur, falls man sich dazu entschließt, sie etwa direkt von der libyschen Küste abzuholen … Die Konsequenzen dessen mag sich in Eu-ropa allerdings auch keiner so wirklich vorstellen.Ein österreichischer Vorschlag zielt auf die Errichtung von Flüchtlings-lagern in den betroffenen Ländern ab, um den Asylstatus der Betroffenen vor Ort festzustellen. Die Frage ist, ob eine solche Maßnahme auch nur irgendjemanden von der Überfahrt abhalten könnte. Die meisten jener Flüchtlinge, die nach Italien übersetzen, bleiben auch nicht im Land, sondern wandern weiter. Zu Verwandten, Freunden, in gastfreundlichere Gefilde – oder solche, die gastfreundlicher scheinen. Informationskampagnen waren ebenfalls im Gespräch – um darzustellen, dass auch in Europa nicht Milch und Honig fließen; dass die Chancen, sich eine menschenwürdige Existenz aufzubauen, wenn überhaupt vorhanden, dann auch hier gering sind.Aber wie soll man damit Menschen entmutigen, die längst keine Alternativen mehr haben, die aus Bürgerkrieg und ständiger Todesangst zu entkommen versuchen? „Ansturm der Armen” titelte 1991 der Spiegel. Seither dauert die Debatte an. Es gibt keine einfachen Antworten, hieß es damals. Genauso weit sind wir heute.