„Der Betrag ist unrealistisch”
PRIMENEWS 09.04.2015

„Der Betrag ist unrealistisch”

Registrierkassenpflicht Experte Markus Knasmüller über die umstrittene neue Regelung und deren Auswirkungen in der Praxis

Knasmüller: „Dramatischer könnten sich Maßnahmen gegen technische Manipulation auswirken.”

Markus Knasmüller, Abteilungsleiter Software-Entwicklung bei BMD-Systemhaus.

Wien/Steyr. Rund 900 Mio. € will Finanzminister Hans Jörg Schelling durch die Betrugsbekämpfung für die Gegenfinanzierung der Steuerreform aufbringen. Ein zentraler Punkt dabei ist die viel diskutierte Registrierkassenpflicht, in Kombination mit verpflichtenden technischen Sicherheitslösungen gegen Manipulationen.

Als „ohne Zweifel sinnvolle Maßnahmen” bezeichnet Markus Knasmüller, Abteilungsleiter für Software-Entwicklung bei BMD-Systemhaus in Steyr, die geplanten Initiativen, Betrag und Zeitpunkt allerdings seien nicht realistisch. Knasmüller: „Niemand wird in Zweifel stellen, dass es Missbrauch gibt und dass dieser abgestellt gehört. Schon allein, weil durch Manipulationen die braven Steuerzahler noch mehr zahlen müssen. Tatsächlich gab es in der Vergangenheit Fälle, bei denen abends ein Kassenbon durch spezielle Funktionen wieder herausgelöscht und somit Steuern hinterzogen wurden.”

Manipulation ist möglich

Knasmüller ist gerichtlich zertifizierter Sachverständiger unter anderem für Kassensoftware und wurde schon des Öfteren als Experte bei derartigen Strafverfahren hinzugezogen. „In einem speziellen Gastronomiefall ging es etwa um mehrere Millionen Euro”, erzählt Knasmüller. „Das dabei eingesetzte Kassensystem war tatsächlich durch spezielle Kombinationen manipulierbar und der – zu versteuernde – Umsatz konnte per Tastendruck einfach halbiert werden.” Der betroffene Software-Hersteller habe angegeben, dass er eine Kasse überhaupt nur verkaufen könne, wenn derartige Manipulationsmöglichkeiten vorhanden seien. „Juristen nennen dies aber wohl eine Schutzbehauptung”, relativiert er.Dennoch seien die 900 Mio. und insbesondere die Einführung eines Sicherheits-Chips mit einigen Fragezeichen versehen, weil diese Summe einen aus einer deutschen Studie, die von knapp zehn Mrd. € Verlust durch Schwarzverkäufe ausgeht, heruntergerechneten Betrag darstelle. In Österreich sei jedoch durch die Einführung der Kassenrichtlinie in den letzten Jahren schon viel zur Verhinderung der Manipulation unternommen worden. In Ungarn etwa, einem Land, in dem schon seit Jahren Registrierkassen nur dann zugelassen werden, wenn sie entsprechende Zertifizierungsprüfungen schaffen, sei der Erfolg dennoch endenwollend. Auch eine Registrierkasse registriert nur das, was tatsächlich eingetippt wird. Die kurzzeitig angedachte „Beleglotterie” hält der Experte allerdings für durchaus überlegenswert.

Warum nicht „efsta” wählen?

Dramatischer, so der Experte, könnte sich die Einführung des sog. INSIKA-Chips auswirken. INSIKA steht für „Integrierte Sicherheitslösung für messwertverarbeitende Kassensysteme”, ein System zum Schutz der digitalen Aufzeichnungen von Bargeschäften. Aber: Derzeit gibt es noch keine Kassen mit INSIKA-Chip im Praxis-Einsatz – nicht in Österreich und auch nicht in Deutschland, wo seit 2003 überlegt wird, diesen Chip einzuführen, aber nach aktuellem Stand wohl die Einführung wieder auf Eis gelegt werden wird. Knasmüller: „Es stellt sich dabei auch die Frage, warum es unbedingt der INSIKA-Chip sein muss; es gibt ähnliche Systeme, wie das in Österreich entwickelte „efsta”-Verfahren (European Fiscal Standards Association), das bereits von mehreren Kassensystemen unterstützt wird.” Mit diesem System gebe es schon praktische Erfahrungen und es habe auch „echten Mehrwert für Unternehmen”. Es könnten etwa digitale Bons damit ausgestellt werden.Tatsache sei jedenfalls, dass der Gesamtaufwand für den Einbau des Chips – als sehr einfach dargestellt – in Wahrheit eine sehr aufwendige Prozedur darstelle.Knasmüller geht davon aus, dass für die Kassenrichtlinie neu eine lange Übergangsfirst benötigt wird: „Die aktuelle Kassenrichtlinie, welche ab 2010 intensiv diskutiert wurde, Ende 2012 in Kraft getreten ist und effektiv erst seit 2014 kontrolliert wird, kann hier wohl als Beispiel dafür herangezogen werden, wie lang eine derartige Einführung dauert.” Für die Steuerreform bedeute das, dass eine rasche Gegenfinanzierung „unrealistisch” sei. (red)

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