Der Telekom-Markt kommt nicht zur Ruhe
© Hutchison Drei Austria/APA-Fotoservice/Godany
PRIMENEWS Sabine Bretschneider und Chris Radda 12.01.2018

Der Telekom-Markt kommt nicht zur Ruhe

Drei integriert Tele2, T-Mobile spitzt auf UPC. Drei-Boss Jan Trionow über eine hochkompetitive Branche.

••• Von Sabine Bretschneider und Chris Radda

 

Österreichs Telekommunikationsmarkt ist seit der Jahrtausendwende eine höchst kompetitive Branche. Die Marktbereinigung setzt sich auch 2018 fort; aus Mobilfunkern werden integrierte Anbieter. Ein Gespräch mit Jan Trionow, Chef von Hutchison Drei Austria („Drei”).


medianet:
2017 ist zu Ende. Wie ist das Jahr gelaufen? Es war ja durch eine wichtige Zäsur gekennzeichnet, den Kauf von Tele2.
Jan Trionow: Wir wollen weiter wachsen, das ist das klare Ziel – und mit der Akquisition der Tele2 haben wir im B2B-Bereich, gerade bei größeren Unternehmen, einen deutlichen Schritt nach vorn gemacht. Wichtig ist natürlich auch das technische Fundament, das mit der Tele2 dazukommt, die Festnetzoption, die wir in unser Portfolio hineinnehmen und mit der wir uns stärker im traditionellen Telekommunikationsgeschäft aufstellen.

 

medianet: … um ein Vollsortimenter zu werden …
Trionow: … und natürlich auch die Nummer-eins-Alternative zu A1. Aber auch darüber hinaus haben wir uns im Jahr 2017 neu aufgestellt. Nachdem wir uns im Jahr davor auf die Integration von Orange konzentriert hatten, tun wir jetzt die nächsten Schritte – einerseits im B2B-Bereich, aber auch bei neuen Geschäftsfeldern. Das sind spannende Reisen. Auch intern ist viel passiert im vergangenen Jahr: Wir haben uns reorganisiert, uns marktsegmentmäßig neu orientiert, agile Arbeitsweisen im gesamten ­Unternehmen neu eingeführt. Wir haben viele Hebel in Richtung Wachstum umgestellt, um jetzt einen Gang höher schalten zu können.

medianet:
Wobei auch schon das Wachstum der letzten Jahre beeindruckend war …
Trionow: Das war natürlich auch durch die Akquisitionen getrieben. In dem Ausmaß, in dem man Marktanteil gewinnt, ist es natürlich schwieriger, auch die relativen Wachstumszahlen zu halten. Und genau deshalb müssen wir uns jetzt in gewisser Weise neu erfinden, wieder neue Dinge angehen.

medianet:
Wenn man sich den Markt einmal ansieht: Wo steht Drei jetzt im Ranking der Telekom­anbieter in Österreich?
Trionow: Dieses kleine Match zwischen T-Mobile und uns läuft ja schon eine Weile. Aber spätestens jetzt, durch die Akquisition der Tele2, ist es wieder klar: Wir sind derzeit der zweitgrößte ­Telekomanbieter, gemessen etwa am Umsatz, und im Branchenvergleich auch der profitabelste. Der trend veröffentlicht jährlich diesen Vergleich und gemessen an der EBIT-Marge sind wir das profitabelste Top 500-Unternehmen in Österreich.

medianet:
Mitbewerber T-Mobile hat kurz vor Weihnachten die Übernahme von UPC Austria angekündigt. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein – und wie werden sich damit 2018 die Marktverhältnisse verschieben?
Trionow: Es bleibt weiterhin spannend am Markt, und Drei ist für den sportlichen Dreikampf um Platz 1 in Österreich gut aufgestellt. Wir haben uns ja schon im letzten Sommer auf die zunehmende Konvergenz von Mobilfunk und Festnetz vorbereitet und mit Tele2 im Business-Segment die stärkere und kundennähere Ergänzung für uns gefunden. Bereits in den nächsten sechs Monaten werden wir erste Hybrid-Angebote österreichweit auf den Markt bringen.

medianet:
Wie ist Ihnen dieser gute Geschäftsverlauf der letzten Jahre gelungen? Man könnte ja nicht behaupten, dass die beiden Mitbewerber weniger Erfahrung hätten …
Trionow: Das hat viel mit Innovation zu tun – mit einem langen Atem, den uns anfangs niemand zugetraut hat. Das hat auch stark mit dem Eigentümer zu tun, der die Finanzkraft hat und das Selbstvertrauen, schwierige Zeiten durchzustehen. Das hat immer wieder auch mit mutigen großen Schritten zu tun. Dass wir uns getraut haben, etwa im Bereich des Netzausbaus den nächsten Schritt vor den anderen zu machen, immer wieder First Mover zu sein, auch im Bereich der mobilen Datendienste. Das hat mit Produktinnovationen zu tun – wie zuletzt unserem 3-TV, das sich sehr gut entwickelt hat.

Nach innen ist es natürlich die Fokussierung auf die Qualität der Mitarbeiter, die uns auszeichnet. Trotz der gewachsenen Größe funktionieren wir wie ein kleines Unternehmen, wo die Mitarbeiter sich kennen, wo es Spaß macht, zu arbeiten, wo man Dinge erreichen kann und ein Wettbewerbsspirit vorhanden ist – und das schlägt sich am Ende auch im Markterfolg nieder.


medianet:
Wie sieht es mit Ihren Geschäftszahlen für 2017 aus?
Trionow: Wir können über das vergangene Jahr noch nichts sagen. 2016 haben wir circa 800 Millionen Umsatz gemacht; da kommt allerdings die Tele2 noch dazu. Wir steuern also kontinuierlich auf die Umsatzmilliarde zu. Das ist der nächste Meilenstein in den kommenden Jahren, den wir zu erreichen versuchen, und das ist durch unsere breitere Aufstellung auch greifbar und machbar.

medianet:
Wann wird die Integration der Tele2 abgeschlossen sein?
Trionow: Die Integration der Tele2 steht unter einem etwas anderen Vorzeichen als die Integration von Orange. Orange und Drei hatten ja fast deckungsgleiche Aktivitäten; da war es wichtig, Effizienzen und Synergien zu heben und die beiden Unternehmen möglichst schnell zusammenzuführen. – unter der Voraussetzung, dass wir keinen Umsatz verlieren. Das ist auch gelungen.

Bei der Tele2 aber sind die Aktivitäten weitgehend komplementär, von der Technologie, von den Marktsegmenten. Hier können die Dinge mit einer gewissen Berechtigung auch eine Weile parallel laufen und sich gegenseitig befruchten. Das ist auch die Logik des Tele2-Deals. Wir planen, in diesem kumulierten Set-up die Umsatzpotenziale über die gesamte Produktpalette zu heben. Das schafft viel Potenzial für die Zukunft.


medianet:
Die nächste Welle des Netzausbaus betrifft 5G. Was hat Drei hier genau vor?
Trionow: Aufseiten der Zugangstechnik stehen wir vor einer neuen Entwicklungsphase der Telekommunikation. Im Mobilfunk ist es 5G, im Festnetz der Ausbau von Glasfaser. Hier muss die gesamte Branche eine Lösung finden, wie die Investitionen in diese neuen Generationen von Telekomnetzen stemmbar sind. Es geht darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit diese Netzausbauten leistbar sind …

 

medianet: Sie sprechen die Auktion an, die heuer ansteht. Es gab bereits eine gemeinsame Erklärung der heimischen Provider, wo zur Vernunft gemahnt wurde ...
Trionow: Wenn durch die Frequenzauktion der Branche übertrieben Mittel entzogen werden, bleibt, realistisch betrachtet, weniger übrig, um zu investieren. Dieser Fehler, der bei der teuren 4G-Auktion 2013 gemacht wurde, darf bei der 5G-Auktion nicht wiederholt werden. 5G ist extrem wichtig für die Entwicklung des Wirtschaftsstandorts. Die Wirtschaft wird massiv von 5G profitieren, von diesem Internet of Everything.

Wenn man die Auktion kompliziert und intransparent macht, wird sie teuer; macht man sie vernünftig, kommt auch ein ordentlicher Marktpreis heraus.
Ob eine Auktion zwei Milliarden kostet oder ein Zehntel davon, das hat extremen Einfluss auf die Investitionstätigkeit. Bei der letzten Auktion hat Drei 330 Millionen für Frequenzen bezahlt; die Akquisition der Tele2 hat 95 Millionen gekostet. Das zeigt, dass man den Hebel eher in Richtung Investitionen legen sollte als in Richtung Abkassieren. Deshalb benötigen wir ein klares politisches Bekenntnis, dass es bei der Auktion nicht um Erlösmaximierung, sondern um eine Maximierung des Infrastrukturausbaus geht.


medianet: Derzeit gibt es in Österreich etwa 40 Telekommarken, die unter dem Dach der großen Betreiber Produkte anbieten …
Trionow: Allerdings sollte das nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bei den richtigen Netzbetreibern eine immer stärkere Konsolidierung gab. Im Mobilfunk ging es von fünf Betreibern herunter auf drei, und im Festnetzbereich sind auf nationaler Ebene de facto zum jetzigen Zeitpunkt nur noch zwei übrig. Das ist eine besorgniserregende Tendenz: Wenn sich am Ende dieser Konsolidierung der Netzbetreiber die Umsätze trotzdem nicht deutlich nach oben bewegen, dann wird letztendlich die Infrastruktur leiden. Deshalb müssen wir uns in Richtung ­Kooperationen orientieren.

medianet:
Diese Kooperationsansätze gab es eigentlich schon immer. Es war aber offenbar sehr schwierig, sich diesbezüglich zu finden. Sehen Sie da jetzt einen vernünftigeren und weniger emotionalen Ansatz?
Trionow: Ich glaube nicht, dass es primär ein emotionales Thema ist, sondern ein objektives. Wenn der infrastrukturbasierte Wettbewerb nicht mehr geht, kann man versuchen, Kooperationen anzugehen. Die extremste Form der Kooperation ist ein Merger. Da eine weitere Konsolidierungswelle nicht gut für den Markt wäre, sollten sich Kooperationen eher auf technische Zusammenarbeit im Bereich des Netzausbaus verlegen, insbesondere dort, wo es um natürliche Monopole geht. Da es keine parallelen Glasfasernetze geben kann, ist eine gemeinsame Nutzung das Gebot der Stunde. Wenn man über eine Vervierfachung der Antennen redet und langfristig über Funkantennen in jeder Straßenlaterne, dann geht das nur gemeinsam.

Das sehen wir etwa am Beispiel der ÖBB, wo es ein großes Projekt mit den drei Betreibern gibt, um die Versorgung an den Bahnstrecken auszubauen. Dort werden wir zum Jahresende den nächsten Meilenstein erreichen. Das funktioniert nur, weil umgedacht wurde von einem Abkassieren der Telekombetreiber zu einem Kooperieren. Das kann auch auf Städteebene funktionieren.


medianet:
Ab wann wird Drei 5G anbieten? Angeblich soll es 2021 so weit sein …
Trionow: 5G ist in der Vorbereitungsphase. Es ist in gewisser Weise ein Hype ausgebrochen. Jeder redet über 5G, weil man davon ausgeht, dass es ein wichtiger Faktor für die Industrie ist. Deshalb sind Länder im Wettbewerb zu 5G, aber auch Bundesländer und Städte wollen ganz vorn mit dabei sein.

Die Ressourcen sind natürlich beschränkt, und große internationale Konzerne werden zuerst dort investieren, wo 5G ausgebaut ist. Genau deshalb ist es so wichtig, dass Österreich an dieser Stelle nachlegt.
Wir rechnen damit, dass heuer die ersten relevanten Piloten und Trials passieren werden. Eine Markteinführung ist 2020/2021 realistisch; die Verbreitung ist abhängig von Rahmenbedingungen und Kosten.


medianet:
Gab es deswegen auch dieses gemeinsame Angebot der drei großen Provider an den Regulator: Verzichte auf die Maximierung der Versteigerungserlöse und ernte damit eine fast zehnfach größere Ausbaugeschwindigkeit und mehr Netzübergabepunkte?
Trionow: Der erste Entwurf der Konsultation sah relativ geringe Ausbauverpflichtungen vor, um die Eintrittsbarriere für potenzielle kleine und regionale Player möglichst niedrig zu halten. Wir glauben, dass eine nationale gute Infrastruktur wichtiger ist als ein fragmentierter Wettbewerb von Kleinbetreibern.

Wenn Angebote und Infrastruktur nicht flächendeckend zur Verfügung stehen, dann wird letztendlich der Wirtschaftsstandort leiden.

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