Studie: Medien stellen behinderte Menschen als Opfer oder als Helden dar
Panthermedia.net / Rhonda Ramadge
Behinderte Menschen werden in den Medien häufig als Opfer oder Helden dargestellt.
PRIMENEWS Redaktion 01.06.2017

Studie: Medien stellen behinderte Menschen als Opfer oder als Helden dar

Sensiblere Sprache gefordert; Studienautorin Pernegger: Thematische Verengung u.a. auf Unfälle.

WIEN. Menschen mit Behinderungen werden in den Massenmedien oft einseitig dargestellt. Das ergab eine Studie von MediaAffairs, in Auftrag gegeben unter anderem von der Volksanwaltschaft. "Boulevardblätter stellen Menschen mit Behinderungen zu 60 bis 70 Prozent entweder als arme Opfer oder tapfere Helden dar", sagte Studienautorin Maria Pernegger am Mittwoch bei der Präsentation.

Pernegger konstatierte auch eine thematische Verengung in den untersuchten Zeitungen: Mehr als 50% der Berichterstattung beschränken sich demnach auf Sportunfälle von Prominenten, Paralympics und Charity. Themen wie Behindertenpolitik, Barrierefreiheit oder Inklusion würden überhaupt nur sehr selten behandelt. Während "Kleine Zeitung", "Standard", "Kurier" und "Krone" generell öfters über Menschen mit Behinderungen berichten - und somit eine größere Affinität haben -, kommen Behinderte in "Heute" und "Österreich" nur am Rande vor.

Zu 99% steht die Behinderung im Fokus, andere Berichte seien äußerst selten. Frauen mit Behinderungen würden, rechnet man den Unfall der Stabhochspringerin Kira Grünberg heraus, nur mit fünf Prozent in der Berichterstattung vorkommen. Darüber hinaus widerspricht laut Pernegger ein großer Teil der Berichterstattung in dem Printmedien der UN-Behindertenkonvention, weil sie diskriminierende Sprache verwendet oder Vorurteile verstärkt.

Im ORF hat die Studie nur die Sendungen "Bürgeranwalt", "heute konkret" und "heute leben" untersucht, nicht aber etwa die "Zeit im Bild". In puncto ORF sagte Pernegger, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk vor allem bei "Licht ins Dunkel" die Opfer-Perspektive einnehme. Auch Martin Ladstätter vom Behindertenberatungszentrum "Bizeps" übte scharfe Kritik an der ORF-Charity. Bei "Licht ins Dunkel" sei der ORF noch in den 80er-Jahren. Er wünsche sich mehr Geschichten, in denen Menschen mit Behinderungen vorkommen, ohne dass die Behinderung eine Rolle spielt, so Ladstätter.

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz verteidigte die Spendenaktion "Licht ins Dunkel", die heuer ihren 50. Geburtstag feiert. Ohne die gesammelten 260 Mio. € würden wichtige Einrichtungen nicht existieren, der ORF habe auch zum öffentlichen Bewusstsein beigetragen. Man sei sich aber im Klaren, dass man "die Art und Weise, wie wir das bei 'Licht ins Dunkel' tun, auch verändern" müsse, es sei bereits ein Schritt in die Richtung gesetzt worden. Die Kampagne vom Vorjahr unterscheide sich bereits von jenen vor drei, vier Jahren. Wrabetz verwies auch auf die Anstrengungen des Medienunternehmens bei der Untertitelung und der Audiodeskription sowie auf das Behindertensport-Magazin "Ohne Grenzen". Wrabetz stellte aber auch klar, dass Medien generell davon leben, dass sie schubladisieren. Es interessiere nun einmal die Besonderheit.

Medienminister Thomas Drozda (SPÖ) forderte, sowohl die Zugänglichkeit für als auch die Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) präsentierte bei der Veranstaltung am Mittwoch die Plattform http://www.barrierefreiemedien.at/. Diese biete raschen Zugang zu relevanten Informationen und gebe Journalisten Tipps etwa für eine sachgerechte Bildauswahl oder zum Verhalten in einer Interview-Situation.

Österreich hat die UN-Behindertenkonvention, die u.a. die Abkehr von Rollenklischees fordert, 2008 ratifiziert. Die UNO stellte aber in der Folge fest, dass innerhalb der österreichischen Gesellschaft noch kein umfassendes Verständnis für den Paradigmenwechsel besteht, um die Wahrnehmung von Menschen mit Behinderungen wirksam zu ändern. In diesem Zusammenhang wird den Medien eine große Bedeutung zugeschrieben. (APA)

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