••• Von Dinko Fejzuli
Nun ist es auch in Österreich so weit. Was in Ländern wie etwa Italien bereits seit einigen Tagen der Fall ist, tritt nun auch in Österreich ein: Events ab einer gewissen Größe, in unserem Fall ab 100 indoor und 500 outdoor, sind zumindest bis Anfang April abgesagt. Neben diesen Einschränkungen wird auch de facto der Lehrbetrieb auf den Universitäten und Fachhochschulen gestoppt und es gibt ein Einreiseverbot für Personen, die aus Italien nach Österreich kommen. Gleichzeitig wird die Heimholung von sich dort befindlichen Österreichern organisiert, die dann in Österreich zwei Wochen in Quarantäne gehen müssen.
Unersetzbares Live-Erlebnis
Doch was bedeuten vor allem die Einschränkungen bei Veranstaltungen für die heimische Event-, aber auch Marketing-Branche?
Bereits vor dem Regierungserlass wurden etliche Großveranstaltungen von den Organisatoren selbst vorsorglich in den Herbst verlegt.
Unter den ersten, die die Notbremse gezogen haben, war das von der heimischen Puls4-ATV-Gruppe organisierte internationale Digitalfestival 4Gamechangers, das von 31. März bis 3. April auf den 8. bis zum 11. September verschoben wurde.
Nina Kaiser, Co-Founder des Festivals, zur Verschiebung: „Unter den aktuellen Umständen ist es die verantwortungsvollste Handhabe allen Besuchern, Partnern, Kunden, Acts und Gästen gegenüber, das Festival auf ein neues Datum zu setzen.”
Und auch ein zweiter, wichtiger Event für die heimische Medienszene, die Adgar Gala des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ), wurde ebenfalls auf Herbst (und zwar konkret auf den 16. September) verschoben.
Bei der Google Analytics Konferenz wiederum versucht man aus der Not eine Tugend zu machen, verschiebt nicht und stellt die Tagung vom 1.–3. April komplett auf Livestream um.
„Es sterben Arbeitsplätze”
Und allein an den ersten beiden Großevents merkt man: Der Event-Herbst wird im Jahr 2020 dicht werden.
Selbstredend ist man in der Eventbranche nicht erfreut über die neuen Regeln – auch, weil sie, wie manche in der Branche beklagen, offenbar getroffen wurden, ohne mit den Betroffenen zuvor zu sprechen. So meint etwa Marcus Wild, Gründer und Geschäftsführer der Eventmarketing-Agentur Ideal: „Die aktuelle Absagewelle bei Events steht in keiner Relation zur tatsächlichen aktuellen Verbreitung – zumindest in Österreich – und Letalität des Coronavirus, vor allem im Vergleich zur Grippe. Was dadurch tatsächlich umkommt, sind Arbeitsplätze, wahrscheinlich auch Firmen. Und gerade Open Air-Events, ohne näheren Kontakt der Besucher, mit ausreichender Versorgung mit Desinfektionsmitteln, Anmeldung der Gäste (keine Gäste aus den Risikogebieten und erkrankte Gäste), etc. dürften sicher sein. Aber: Wir sind keine Virologen. Und selbst die tappen aktuell im Dunkeln. Bei Events achten wir auf größtmögliche Sicherheit – und das gilt natürlich auch hier. Also lieber einen Event zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht realisieren als nur eine Ansteckung mehr. Und das benennt auch einen wichtigen Aspekt: Die Events sollten verschoben, nicht abgesagt werden! So wird der wirtschaftliche Schaden nicht bloß für einzelne, sondern für eine gesamte Industrie etwas abgefedert.”
„Acht Monate übertauchen?”
Noch drastischer formuliert es Stephanie Fuchs-Groszmann von FuchsundFreude: „Die Regierung sagt hier gerade alle Events ab einer gewissen Größe ab, überlegt sich aber überhaupt keine begleitenden Maßnahmen, wie etwa eine Lösung für die weiter anfallenden Lohnnebenkosten, die wir für unseren Mitarbeiter bezahlen müssen. Die finanziellen Verpflichtungen der betroffenen Unternehmen interessieren die Bundesregierung scheinbar überhaupt nicht. Hier werden gerade alle Events auf den September geschoben, doch die Frage, wie wir die dadurch entstandene Lücke von gut acht Monaten ohne Einnahmen überstehen sollen, wo einem die Geschäftsgrundlage quasi staatlich verordnet einfach weggezogen wird, interessiert niemand.”
Sie selbst, so Fuchs-Groszmann, brüte gemeinsam mit Steuerberater und Anwalt über möglichen, gesetzeskonformen Arbeitszeitmodellen, um die Mitarbeiter zu halten, denn eine weitere Folge der derzeit gültigen Regelung werde sein, dass sich Experten aus der Eventbranche jetzt nach Alternativen umschauen müssen und dann im Herbst aber womöglich nicht mehr zurückkehren werden.
„Hier verliert eine ganze Branche gerade ihre Experten, denn man kann eine Firma über sechs bis acht Monate nicht rüberbringen, wenn einem die Geschäftsgrundlage entzogen wird”, so Fuchs-Groszmann.
Kunden zur Seite stehen
Thomas Kenyeri, Gründer von Kesch Event & Promotion, spricht von einer „neuen Situation”, die nun alle gleichermaßen treffe. Selbst sei man vor allem damit beschäftigt, Ersatztermine für betroffene Events und Kunden zu finden und diesen vor allem mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Und auch er befürchtet, dass es im Herbst zu einem Stau an Events kommen werde, da nun alle auf Termine ab September ausweichen würden.
Gefragt nach Alternativen, etwa gewisse Events quasi via Stream „zu besuchen”, sieht Kenyeri diese Möglichkeit nur eingeschränkt als echte Alternative: „Ein Event, bei dem Kunden, Partner und Besucher direkt vor Ort anwesend sind, kann durch nichts ersetzt werden”, so der Kesch-Geschäftsführer gegenüber medianet.
Bei Koop Live Marketing, einem weiteren Veranstalter, sieht man die Lage auch durchaus kritisch: „Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen und je nach Dauer wird das auch unser Unternehmen sehr stark betreffen. Bis zum 1. April ist eine Überbrückung kein Problem, jedoch sehe ich weder das Ende der Ausbreitung des Virus in drei Wochen, noch die Bereitschaft der Unternehmen, dann sofort wieder in Events zu investieren. Ich gehe davon aus, dass Budgets im B2B-Bereich und auch bei Outdoor-Events vorläufig gekürzt bzw. sogar gestrichen sind, da auch potenzielle Auftraggeber mit anderen Problemen zu kämpfen haben werden als mit abgesagten Veranstaltungen”, so Robert Prasch, Geschäftsführer von Koop Live Marketing.
Betroffene Event-Locations
Und wie geht es den großen Event-Locations mit den Absagen? Seitens der Hofburg Kongresszentrum Vienna heißt es etwa dazu auf Anfrage: „Die Anordnung ist natürlich nachvollziehbar, bringt aber für die Event-Branche einen nicht gänzlich durch Verschiebungen auffangbaren Ausfall. Auch mit der Branche eng verbundene Dienstleistungssektoren werden dramatisch in Mitleidenschaft gezogen. Die langfristigen Auswirkungen sind aktuell schwer abzuschätzen”, so Managing Director Alexandra Kaszay gegenüber medianet.
Stadthalle ebenfalls betroffen
Die Wiener Stadthalle, Österreichs größtes Veranstaltungszentrum, ist von dem behördlich angeordneten Veranstaltungsverbot ebenfalls massiv betroffen: „Gemeinsam mit den Veranstaltern wird mit Hochdruck daran gearbeitet, nach Möglichkeit Ersatztermine für die abgesagten Veranstaltungen zu finden und den Umtausch von bereits erworbenen Tickets so unkompliziert wie möglich abzuwickeln”, hieß es dazu seitens der Event-Location.
Für eine Veranstaltung wurde bereits ein neuer Termin gefunden: „Masters of Dirt – Total Freestyle 2020” findet zwischen 26. und 28. Juni in der Wiener Stadthalle statt.
„Wir bedauern, dass die geplanten Events nicht stattfinden können, wollen aber selbstverständlich das Möglichste tun, um die Gesundheit unserer Besucher und Mitarbeiter zu schützen. Wir hoffen, den regulären Veranstaltungsbetrieb bald wieder aufnehmen zu können”, so Geschäftsführer Wolfgang Fischer.
Österreichische Forscher
Wie es in er Branche weitergeht, weiß niemand, aber darüber hinaus gibt es schon einen ersten Hoffnungsschimmer.
Der Österreicher Josef Penninger, renommierter Genetiker, hat ein mögliches Medikament gegen das Coronavirus entwickelt und zwar quasi als „Nebenprodukt” eines damaligen SARS-Medikaments, an dem er ebenfalls maßgeblich mitgeforscht hat. Ob und wie es gegen Corona hilft, steht aber noch nicht fest.