••• Von Jürgen Zacharias
Der rot-weiß-rote Fahrzeughandel liegt nach drastischen Verkaufsrückgängen infolge der Coronakrise im März und April zwar seit Jahresbeginn bereits um mehr als 50% (rund 50.000 Einheiten) unter den Vorjahreswerten, Denzel-Chef Gregor Strassl gibt sich im medianet-Gespräch trotzdem kämpferisch. Das Match will der Manager jedenfalls noch nicht verloren geben. Es gehe nun vielmehr darum, in den restlichen Monaten des Jahres „das Optimum” herauszuholen. Dabei sieht er auch den Staat gefordert.
medianet: Herr Strassl, schon zu Jahresbeginn haben Branchenkenner ein schwieriges Autojahr erwartet. Dass es infolge der Corona-Pandemie nun so schwierig wird, hätte aber wohl niemand gedacht, oder?
Gregor Strassl: Definitiv nicht, nein. Wir befinden uns in der größten Wirtschaftskrise seit den 1930er-Jahren und spüren die Auswirkungen bereits. Der österreichische Automarkt droht heuer von 330.000 Neuzulassungen im Vorjahr um rund 25% auf 250.000 Fahrzeuge zurückzufallen, und sicher werden wir die Auswirkungen auch im kommenden Jahr spüren – höchstwahrscheinlich sogar darüber hinaus.
medianet: Sie rechnen also mit keiner raschen Markterholung?
Strassl: Ganz im Gegenteil. Dieses Mal sind nicht, wie in der Wirtschaftskrise 2008 und 2009, ‚nur' Banken und Finanzinstitute betroffen, sondern Staaten und Unternehmen quer durch alle Branchen und quer über alle Kontinente. Die Auswirkungen sind dadurch ungleich höher. Medial ist aktuell vor allem die hohe Arbeitslosigkeit ein Thema; besorgniserregender ist aus meiner Sicht aber, dass gerade viele Firmen hohe Verluste einfahren und darauf mit Bremsmanövern und Sparprogrammen reagieren werden.
medianet: Damit drohen also auch bei den gewerblichen Neuzulassungen, die aktuell die Hälfte des heimischen Automarkts ausmachen, massive Rückgänge. Die Zulassungsdelle im März und April hätte weitere Dellen im Sommer und im Herbst zur Folge?
Strassl: Die Kaufzurückhaltung vieler Unternehmen ist auch jetzt schon spürbar. Um mit einem blauen Auge aus der Sache herauszukommen, gilt es nun, größtmögliche Anstrengungen zu unternehmen. Wir haben daher auch bereits Ende April die Kurzarbeit in unseren Betrieben beendet, wollen mit aller Kraft das verloren gegangene Geschäft aufholen. Vergleicht man die Situation mit einem Fußballspiel, dann liegen wir aktuell 0:2 zurück. Ein Sieg wird daher heuer nicht mehr drinnen sein, aber wir wollen noch ein Unentschieden herausholen.
medianet: Was wäre für Sie ein Unentschieden? Entgegen aller Prognosen doch noch mehr als 300.000 Neuzulassungen im laufenden Jahr? Oder ein moderates Ergebnis zumindest Ihres Unternehmens?
Strassl: Wir sollten das Match natürlich nicht verloren geben, bevor es tatsächlich verloren ist. Aber angesichts unserer sieben Wochen lang geschlossenen Verkaufsräume würde ich einen geringen Rückgang unserer Verkaufszahlen gegenüber dem Vorjahr bereits als ein Unentschieden werten.
medianet: Machen Sie der Regierung wegen des Lockdowns und der sieben Wochen Geschäftsausfall einen Vorwurf?
Strassl: Nein, für einen Gesundheitslaien wie mich waren die Maßnahmen verständlich und nachvollziehbar. Dahingehend gibt es keine Kritik. Aber nun müssen wir das Beste aus der Situation machen und dabei ist auch die Politik gefordert. Die Automobilbranche, die unter dem Strich direkt und indirekt rund 300.000 Arbeitsplätze in ganz Österreich sichert, kämpft mit einer massiven Panne, und ich sehe es als Aufgabe der Republik, uns jetzt eine Starthilfe zu geben.
medianet: Sie meinen in Form einer Ökoprämie?
Strassl: Ja, zum Beispiel. Wir hatten in der Vergangenheit bereits zwei Mal eine Umweltprämie von 1.500 Euro, die gedrittelt von Staat, Importeuren und Händlern getragen und von den Konsumenten sehr gut angenommen wurde. Der Staat hat damit schlussendlich sogar Geld gemacht, die Einnahmen aus Mehrwertsteuer und NoVA lagen insgesamt über den Kosten der Prämie. Darüber hinaus würde sowohl dem Fahrzeughandel als auch vielen Betrieben eine temporäre Vorsteuerabzugsfähigkeit auf alle Fahrzeuge enorm helfen. Damit könnte man gleichermaßen Unternehmen entlasten und Kaufanreize schaffen.
medianet: Denzel hat vor wenigen Wochen eine lange vorbereitete neue Website gelauncht. Inwiefern half und hilft dieser neue Webauftritt bei der Krisenbewältigung?
Strassl: Gar nicht. Verstehen Sie mich nicht falsch, die Website ist sehr gut gemacht und für uns sehr wichtig. Aber es ist doch immer noch so, dass sich Konsumenten im Web vor allem informieren und ihre Kaufentscheidung dann letztlich im Geschäft treffen. Sie wollen eine Probefahrt machen, testen, ob sie bequem sitzen, ob sie auch in der zweiten Reihe Beinfreiheit haben und vor Ort überprüfen, ob die Größe und das Raumangebot des Kofferraums ihren Bedürfnissen entspricht. Wenn die Verkaufsräume aber geschlossen haben, ist das alles nicht möglich, das Auto ist letztlich eben kein Buch.
medianet: Hyundai testet neuerdings ein Auto-Abo-Modell, Mercedes hat angekündigt, auf Direktvertrieb umzusteigen, und auch andere Hersteller und Importeure denken intensiv über Vertriebskanäle und neue Mobilitätsdienstleistungen nach. Könnte die Coronakrise diese Entwicklung beschleunigen und langfristig eine Zäsur für die gesamte Branche darstellen?
Strassl: Sie haben recht, da ist momentan viel in Bewegung. Aber wie sich das weiterentwickeln wird, ist aktuell nicht nur wegen Corona schwer zu prognostizieren. Momentan muss unsere ganze Aufmerksamkeit der Krisenbewältigung gelten, wir müssen gemeinsam die Folgen der Notbremsung bestmöglich auffangen.
medianet: Gibt es trotzdem Lehren, die Sie schon jetzt aus der Situation für die Zukunft ziehen können?
Strassl: Die Krise hat einmal mehr gezeigt, dass die alten kaufmännischen Tugenden mit einer hohen Eigenkapitalausstattung und einer gesunden Fremdkapitalquote durchaus Sinn machen. Wir haben dahingehend in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet, weshalb nun auch unser Fortbestand in keinster Weise gefährdet ist.
medianet: Viele Händler haben nicht so gut gewirtschaftet, kämpfen seit Jahren mit niedrigen Umsatzrenditen. Droht der Branche nun ein Kahlschlag?
Strassl: Die Situation ist in jedem Fall eine Bedrohung für die Branche! Im Handel liegt die durchschnittliche Umsatzrendite bei einem Prozentpunkt oder sogar darunter, da ist nicht viel Spielraum, um Einbußen abfedern zu können. Der geringste Windstoß reicht, um diese Rendite in ein Minus zu verwandeln, und nachdem wir es jetzt nicht mit einem Windstoß zu tun haben, sondern mit einem ausgewachsenen Orkan, ist mit schweren Schäden zu rechnen. Die Branche wird wohl massiv betroffen sein …
medianet: … was verschärft bei einem möglichen weiteren Lockdown im Zuge einer zweiten Coronawelle gilt, oder?
Strassl: Das wäre dann der Super-GAU. Im Falle einer zweiten Notbremsung würden auch liquiditätsmäßig gut aufgestellte Unternehmen enorme Probleme bekommen und wäre ein Kahlschlag in der Branche die Folge.