Bierbranche: „Nur zu jammern hilft nicht“
© Kurt Keinrath
Florian Berger
RETAIL Redaktion 05.09.2025

Bierbranche: „Nur zu jammern hilft nicht“

Florian Berger vom Brauereiverband über eine Branche, die trotz vieler Herausforderungen innovativ bleibt.

Generell ist es so, dass sich das erste Halbjahr 2025 praktisch in der gesamten Getränkebranche negativ entwickelt hat“, sagt Florian Berger im Interview mit medianet. „Einzelne Segmente innerhalb der Kategorien entwickeln sich positiv, wie zum Beispiel das alkoholfreie Bier, das gegenüber dem Vorjahr weiter zulegen konnte.“ Die Ergebnisse in den Kategorien werden im Allgemeinen von zwei übergeordneten Ereignissen beeinflusst: der verregnete Mai einerseits und eine allgemeine Konsumzurückhaltung andererseits.

Grundsätzlich geht der Konsum von alkoholischen Getränken zunehmend zurück, besonders jüngere Zielgruppen verzichten zusehends auf Alkohol. Das stellt Brauereien vor neue Aufgaben. Zwar haben sich heimische Brauer schon früh mit leichten und alkoholfreien Bieren auseinandergesetzt, die Konsumenten haben dieses aber länger nicht recht angenommen. „Mit großen Fortschritten in den Produktionsverfahren ist es nun besser möglich, ein gutes Bier ohne Alkohol zu brauen“, so Berger. „Es gelingt immer mehr Betrieben, geschmackvolle Produkte zu entwickeln, die die Konsumenten annehmen.“

„Alkfrei“ leicht gemacht
Hierbei treffen das Können der heimischen Brauereien und Kundenwünsche aufeinander: „Immer mehr Betriebe investieren in entsprechende Infrastruktur oder lassen lohnbrauen – eine Möglichkeit, alkoholfreie Angebote ins eigene Portfolio zu bekommen, ohne selbst in Infrastruktur investieren zu müssen.“
Die Anpassung an veränderte Konsumgewohnheiten geht über alkoholfreies Bier hinaus. Mit dem Wahrnehmen von Konsumtrends im Hinblick auf alkoholfrei gibt sich die Branche jedoch nicht zufrieden. Berger betont, dass Innovation nicht nur im Bier, sondern in allen Getränkekategorien eine zentrale Rolle spielt.

Eigene und fremde Limo
So bringen Brauereien selbst entwickelte Limonaden unter eigenem Markennamen auf den Markt, oder füllen bekannte Marken in Lizenz ab oder nehmen Limonaden als Handelsware in ihr Portfolio auf. Das Stichwort lautet: Diversifizierung. So kann man die über Jahrzehnte erworbene Expertise in Sachen Produktentwicklung oder Abfüllprozesse weiterhin anwenden. Die Vorteile, die sich aus einem gemeinsamen Vertriebsapparat samt Logistik für beispielsweise Bier, Soda, Limonaden, Eistees und andere Produkte ergeben, liegen auf der Hand.
Was Brauereien bzw. Getränkehersteller Österreichs eint, ist ihre Innovationskraft. Das betrifft aus seiner Sicht nicht nur geschmackliche Abwechslung bei gebrauten Erfrischungen generell, sondern auch weniger offensichtliche Themen.

Nicht so sichtbar
Innovation zeigt sich auch im Verpackungswesen: So mussten sich Unternehmen der Getränkeindustrie aufgrund entsprechender gesetzlicher Vorgaben etwa mit den Tethered Caps, den „Bleibt-dran-Verschlüssen“ auseinandersetzen. Dazu kommen weitere Vorgaben zum kontinuierlich steigendem Einsatz von recyclierten PET-Material bei Getränkeflaschen.
„Neben dem Neuerungsdruck, das aus der Umsetzung gesetzlicher Vorgaben kommt, muss man auch sehen, was die Betriebe aus eigenem Antrieb an Kreativleistung und Innovation erbringen“, meint Berger. Limited Editions und saisonale Produkte werden oft genutzt, um neue Produkte zu testen, bevor sie in Standardlistungen übernommen werden. Ebenso scheint sich aktuell das Konsumverhalten zu ändern – Stichworte Einwegpfand und Mehrwegquote. Viele Konsumenten müssen sich an neue Rückgaberegeln gewöhnen, was die Branche ebenfalls herausfordert. Berger betont: „Unsere Branche bietet für jeden Genussanlass das richtige Gebinde. Vom frisch gezapften offenen Bier aus dem Fass, über Einweg- und Mehrwegglas bis zur Dose. Für alle ist etwas dabei.“

Mutig in die Zukunft
All diese zeigt: So wie sich die Gewohnheiten bei Bierdosen geändert haben, ist „in der Branche derzeit sehr viel im Umbruch.“ Neben dem sich ändernden Verhalten gibt es Konsumzurückhaltung, eine hohe Inflation und eine wachsende Sparneigung – nur einige Faktoren, die es Lebensmittelproduzenten schwer machen. Die Branche nimmt die Änderungen an und investiert, etwa in neue Markenauftritte oder Portfolio-Erweiterungen. Das sind durchwegs positive Signale in herausfordernden Zeiten: „Die Betriebe strengen sich wirklich sehr an, um das Marktumfeld trotz aller Herausforderungen aktiv zu gestalten, und zeigen eine mich immer wieder beeindruckende Innovationskraft.“
Und das in einem sehr kompetitiven Lebensmitteleinzelhandel-Umfeld. Berger: „Niemandem hilft es, nur zu jammern. Unternehmerisch klug ist, Dinge auszuprobieren – und Konsumenten sind bereit, Neues zu testen.“ Berger sieht die Branche daher als gutes Beispiel, wie man in unsicheren Zeiten mit Mut, Investition und Innovation bestehen kann.

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