••• Von Daniela Prugger
Gefühlt kennt Johannes Gutmann jeden auf der Biofach-Messe in Nürnberg. Freudig begrüßt er Geschäftspartner und alte Bekannte auf Deutsch und Englisch, ruft „Servus, Griaß di” und „Hey” und „Halleluja”. Dann fallen sich Männer in die Arme und Damenhände werden geküsst. Um ihn herum zahlreiche Besucher, die sich die neuesten Produkte aus dem Hause Sonnentor ansehen: Tee, Kaffee, Grillgewürze – alles bio. Das österreichische Unternehmen gehört seit Jahren zu den größten Ausstellern auf der Biofach und ist seit 28 Jahren fixer Aussteller auf der Messe. Ein bisschen fühle es sich an, als komme er jedes Jahr heim, sagt der 53-Jährige. Zu besonderen Anlässen wie Interviews, Vorträgen und der Biofach trägt er seine „oide” Lederhose, sein Markenzeichen. Dazu rote Lederschuhe von der Marke „Waldviertler”, seine Heimatregion. Er rückt die Brille zurecht. Auf seinem blauen T-Shirt strahlt eine gelbe Sonne, auf seinem Gesicht ein Lächeln. Sonnentor feiert in diesem Jahr 30. Jubiläum. Dass er es einmal so weit bringt, hätte Gutmann niemals gedacht.
„Haben Sie Listungsgeld?”
1990 war der Niederösterreicher zum ersten Mal auf der Biofach. Der junge Mann fuhr damals mit seinem alten Lieferwagen und besagter Lederhose nach Deutschland. In einer Lagerhalle stellten Bioproduzenten ihre Erzeugnisse vor, als Präsentierfläche dienten Strohbündel. „Da wusste ich, dass ich nicht allein bin. Da gibt’s mehr so Spinner wie mich”, erinnert sich Gutmann. In Österreich war Bio zu der Zeit noch kein Thema.
Aus der Arbeitslosigkeit heraus beschloss er, sich selbstständig zu machen. Das war im Jahr 1988. Seine Idee: Produkte von Bio-Bauern aus dem Waldviertel vermarkten. „Zum Glück hat mich mein damaliger Arbeitgeber rausgeschmissen. Sonst hätt ich mich nie selbstständig gemacht.”
Mit Kräutern und Gewürzen wollte er gerade so viel verdienen, wie man zum Leben braucht; „Spinner” und „Das braucht keiner”, sagten Bekannte und Verwandte zu ihm.
Und die Lebensmittelhändler fragten: „Haben Sie Listungsgeld?” Also zog der damals 23-jährige als Ein-Mann-Unternehmen mit seinen Kräutern von Bauernmarkt zu Bauernmarkt.
Rund 900 Produkte
Im vergangenen Geschäftsjahr erwirtschaftete Sonnentor 40,2 Millionen Euro Umsatz, österreichweit arbeiten 320 Menschen für das Unternehmen. Weitere acht Millionen erwirtschaftete das Tochterunternehmen im tschechischen Čejkovice. Dazu kommen weitere Niederlassungen in Rumänien und Albanien sowie internationale Anbauprojekte z.B. in Nicaragua und Tansania.
Die Eigenständigkeit und die Motivation habe er sich über all die Jahre erhalten, sagt Gutmann. Das liege auch daran, dass er nie auf den Lebensmittelhandel angewiesen war. Mittlerweile gibt es in Österreich, Deutschland und Tschechien 26 Geschäfte. Die rund 900 Produkte sind außerdem in Naturkost und Reformhäusern gelistet. Sonnentor exportiert in über 52 Länder.
Sonnentor ist zwar für seine Tee-Produkte bekannt. Den Hauptumsatz macht das Unternehmen aber mittlerweile mit Gewürzen. „Wir haben mit Kräutertee begonnen. Aber dank der Gewürze konnten wir uns weltweit aufstellen. Damit ist das Wachstum losgegangen.” Weil Kaffee in Österreich eine große Rolle spielt, kam irgendwann auch der ins Sortiment. „Mittlerweile verkaufen wir rund 200 Tonnen Kaffee.”
Teil einer Bewegung sein
Sonnentor steht auch für eine soziale Idee, für Kooperation statt Konkurrenzdenken. Politisch aus dem Fenster lehnen – also mit Aktionsplänen und konkreten Ideen wie dm-Gründer Götz Werner etwa, ein starker Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens – will sich Gutmann aber nicht. Er sieht seine Rolle nicht als die eines politischen Mitakteurs, sondern fühlt sich der Gemeinwohl-Ökonomie zugehörig. Ziele der Bewegung sind lokales Wachstum, die Steigerung des Gemeinwohls, liberal sowie basisdemokratisch zu handeln und marktwirtschaftlich zu agieren. Die Bio-Idee ist ein Teil davon. „Und Bio ist in Österreich zum Glück sehr erfolgreich. Das Traurige ist nur: Es ist alles konzern-dominiert.”
Die heilige Lederhose
Fragt man Gutmann nach seinem Erfolgsrezept, dann antwortet er: Über sich selbst lachen können, Macken haben, sich anders anziehen. „Wenn neue Leute auf die Biofach kommen, also Anzugträger, dann denken die, ich spinne. Da hat ja sonst niemand eine alte Lederhose an.” Die Lederhose hat Gutmann mit 17 in einem alten Bauernkasten in der Mehlkammer im Hof gefunden.
„Nimm dir mit des Glumpert, des zieht kein Mensch mehr an”, hat der Vater damals gesagt. Später hat Gutmann erfahren, dass die Lederhose von einem alten Wiener Schmuggler stammt, der die Lederhose nach dem Ersten Weltkrieg ins Waldviertel gebracht hat (damals eine Arbeits- und Reithose). „Mit der Hose hab ich irgendwo auch meine Wurzel gefunden. Sie erzählt die Geschichte meiner Familie.” Irgendwann möchte er sie an eines seiner fünf Kinder vererben, als eines der wichtigsten Markenbestandteile von Sonnentor. „Für mich ist die Lederhose heilig.” Gutmann wuselt durch die Besuchermenge auf der Messe. Wieder grüßt er einen Bekannten und sagt „Halleluja”. Was es damit auf sich hat? Nichts Religiöses auf jeden Fall. „Das ist für mich einfach ein Ausruf der Freude”, sagt er und verschwindet in den Weiten des Messegeländes.