Data Driven Marketing oder die Gießkanne
© Martina Berger
RETAIL Redaktion 07.12.2023

Data Driven Marketing oder die Gießkanne

Wie sollen Konsumenten angesprochen werden, um aus ihnen treue Kunden zu machen? Die Marketingprofis wissen, was notwendig ist.

••• Von Oliver Jonke und Georg Sohler

Wie können die Menschen heutzutage erreicht werden? Welche Rolle spielt OOH, Print und Co., oder wird es in Zukunft nur noch Apps geben, die die Kundenbindung erledigen? Für gutes Targeting braucht es Daten, aber eine breite Kampagne erreicht eben viele Menschen – medianet-Herausgeber Oliver Jonke lud eine hochkarätig besetzte Runde ein, um sich diesen Fragen anzunähern.

„Data Driven Marketing befeuert die Individualisierung, damit wachsen Marketing und Sales zusammen”, stellt Jonke in den Raum. Das ist das Ziel, das es zu erreichen gilt.

Die alte Welt

Eine App programmieren und so die Kunden ständig ansprechen können, das ist wohl die Wunschvorstellung für ein Unternehmen. Doch Offline-Werbung ist noch lange nicht von gestern.

„Der OOH-Bereich verzeichnet ein respektables Wachstum”, erklärt Karin Seywald-Czihak, Geschäftsführerin der ÖBB Werbung GmbH. „Das sehen wir vor allem bei unseren digitalen Werbeflächen an den Bahnhöfen. In unserer Konzernmediaplanung setzen wir aber weiterhin auch auf Print. Denn die Bahnreisezeit ist ‚Quality Time' und die nutzt man gerne, um gedruckte Informationen intensiver zu konsumieren.”
Die Wichtigkeit von OOH – erweitert um digitale Ausspielungen – und Print sieht auch Stefan Lorbeer. Der Head of Marketing Communication beim ÖAMTC sagt: „Die Frage ist immer, worum es geht und wer die Zielgruppe ist. All das führt zum Mediamix.” Sowohl die Bundesbahnen, als auch der Mobilitätsclub wenden sich etwa an mobile Menschen. Für ihn gehört OOH somit selbstverständlich dazu. Auch mit eigenen Print-Publikationen können Zielgruppen gut angesprochen werden. „auto touring hat eine große Reichweite”, erklärt er. Rund ein Drittel der Bevölkerung ist ÖAMTC-Mitglied, man wachse zwischen zwei und drei Prozent im Jahr. „Auch das ist eine Möglichkeit, unsere Mitglieder kosteneffizient anzusprechen – mit einem Kommunikationsmittel, das unaufdringlich und authentisch unsere Themen kommuniziert. Die Relevanz ist hoch, die Lesedauer enorm.”

„Digitalbereich wird stärker”

Auch das Multipartner-Programm Payback druckt immer noch Werbemittel. Vier bis fünf Mal im Jahr bekommen Millionen Payback-Mitglieder auf sie zugeschnittene Angebote per Post. „Papier ist ein guter Kanal, auch wenn es teurer wird”, sagt Geschäftsführer Walter Lukner. „Im funktionalen Direct Marketing muss genau getargetet werden. Der digitale Bereich wird natürlich immer stärker, und ich bin überzeugt davon, dass die App die Zukunft ist – aber Papier werden wir auch die kommenden Jahre noch als Kommunikationsmittel verwenden.” Man müsse den Einsatz eben gut durchrechnen.

Diese Analyse teilt auch Thomas Werani; er leitet die Abteilung B2B am Institut für Handel, Absatz und Marketing an der JKU in Linz. Er ist sich sicher: „Der breite Zugang zu potenziellen Kunden über diese klassischen Medien hat seine Berechtigung. Zentral wird allerdings sein, wie sich die Rezipienten ändern, wie das Informationsverhalten in Zukunft aussieht.”

Das Kundenverhalten

Wofür eignet sich nun die Ansprache an die breite Masse, sei es Print, (D)OOH oder lineares TV? Die Runde ist sich ziemlich einig, dass Awareness oder Recruiting ein guter Ansatz sind, um möglichst viele Menschen zu erreichen.

Kommen diese dann auf ein Unternehmen zu und interessieren sich für das Produkt, ortet Werani die Notwendigkeit eines Umdenkens: Die Konsumenten sind heutzutage viel informierter, erwarten keine Produktvorstellung, sondern Expertise.
Man müsse zudem darauf bedacht sein, dass die Kunden nicht überfrachtet werden. Ein Werbemittel entlang einer Straße darf nicht zu sehr ablenken, im digitalen Raum soll nicht zu viel auf einmal aufpoppen. Lorbeer bringt ein Beispiel dazu: „Ich habe neulich einen Link zu einer Termin-App bekommen, um mich einzutragen. Da sind alle möglichen Sachen aufgegangen, die ich nur weggeklickt habe. Diese ‚100' Ad-Impressions helfen niemandem.” Für ihn gilt analog und digital: „Dort sein, wo die Zielgruppe ist, eine relevante Botschaft simpel und schnell rüberbringen.”
Die ÖBB wählt folgenden Ansatz: „Bei Employer Branding bzw. Recruiting haben wir ein Drei-Stufen-Modell mit einem Always-on-Ansatz im Einsatz. Wir schaffen dabei das gesamte Jahr Awareness bei einer breiten Zielgruppe, um dann bestimmte Interessensgruppen mit gezielten und relevanten Botschaften anzusprechen.” So viel darf gesagt werden: das funktioniert.

Die Daten-Welt von morgen

Werani warnt allerdings davor, Dinge zu tun, von denen man lediglich denkt, dass sie draußen gut ankommen. Hierbei kommen Daten ins Spiel, sie unterfüttern die Annahme mit Wissen. Lukner bringt dazu ein Beispiel: Es gebe unter den vielen Usern der Payback-App Kunden, die zwar sehr aktiv sind, wo aber der Impuls oft genau dann komme, wenn die Papiermailings ins Haus flattern. Es müssten die richtigen Daten angesehen werden, Downloadzahlen alleine seien nicht ausschlaggebend: „Wichtig ist, wie oft die Kunden die App nutzen. Das heißt, das Bündel an mobilen Services und Vorteilen im Alltag ist wichtig.”

Beim ÖAMTC kümmert sich gleich eine ganze Abteilung um die Analyse. Die App wird gut genutzt, bietet viele Informationen. Auf Basis dessen wird – Datenschutz-konform – dann zielgenaues Marketing betrieben: „Auch das Marketing wird tech-lastiger.”
Beim Umgang mit den Daten, heutzutage oftmals durch eine App generiert, gilt für Werani zudem, dass der geschaffene Wert stimmen muss. „Wenn ich Wert nur für die Kunden optimiere, habe ich als Unternehmen irgendwann ein Problem”, so Werani. „Ich muss auch fragen, welchen Wert ich für mich als Unternehmen generieren kann.” Egal, worum es geht: Wert ist der Nutzen minus den Kosten. Wenn das Werbemittel – von OOH bis App – einen Mehrwert für den Kunden und das Unternehmen hat, kann man mit Data Driven Marketing eine Balance schaffen, für beide Seiten.

Pull statt Push

Und dann? „The Customer triggers the Offer”, bringt es Loyalty-Experte Lukner auf den Punkt. Das höre sich zwar leicht an, aber in einer Welt der Push-Nachrichten sei es immer wichtiger, mit den Kunden in Dialog zu treten, sich mit ihnen zu verbinden. Pull statt Push, denn: „Unternehmen, die es schaffen, diesen Dialog sinnvoll aufzubauen, können profitieren – und die Kunden selbstbestimmt agieren.” Dazu gehört für Lorbeer ein wichtiger Schritt: „Wir müssen Konsumenten davon überzeugen, dass die Daten, die sie bereit sind mit uns zu teilen, auch einen persönlichen Mehrwert für sie haben können. Daten haben zu oft eine rein negative Assoziation.”

Für Seywald-Czihak kann ein individuelles Datenmanagement hilfreich sein: „Kunden wollen Informationen, die ihnen etwas bringen. Stimmt dabei die Ausgewogenheit zwischen Werbung und Information, wird man für werbliche Botschaften empfänglicher.” Effizienz und Effektivität würden wichtiger werden – das führe dazu, dass Marketing für Sales wieder interessanter werde. Dazu braucht es zunächst einmal Relevanz – und die kann durch die Gießkanne angestoßen werden, mit Daten aber erreicht.

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