••• Von Paul Hafner
Es waren durchaus erstaunliche Zahlen, die Roman Schwarzenecker und Hannes Lindner im Rahmen ihres jährlich erscheinenden „Standort + Markt City Retail Health Check” präsentierten: Eine Leerstandsquote von 6,8% in den wichtigsten Primär- und Sekundärstädten des Landes bedeutete einen signifikanten Rückgang von 0,8 Prozentpunkten; auch in den 24 untersuchten Innenstadtbereichen ließ sich ein Rückgang von 6,1% auf 5,3% feststellen.
Parallel dazu verkehrte sich der Shopflächenrückgang zwar nicht in einen Shopflächenzuwachs, reduzierte sich aber doch auf überschaubare 7.600 m² – nachdem sich die Zahl in den Vorjahren auf 33.500 m² und 22.600 m² belaufen hatte.
„Zu sagen, der Leerstand wird weniger, also ist alles gut – das wäre zu kurz gegriffen”, stellt Schwarzenecker klar. Man beobachte seit Jahren ein „maßgebliches Wachstum bei Flächen im Umbau, die oftmals ehemalige Shopflächen beinhalten” – ob diese in weiterer Folge „tatsächlich einen Nutzer finden, bleibt offen; die Leerstandsquote könnte damit in den kommenden Jahren weiter steigen”.
Weiters offenbaren jüngste Ergebnisse der Leerstandsforschung – der sich Standort + Markt infolge der überraschenden Ergebnisse nun verstärkt verschrieben hat – einen klaren Trend zu weiteren Verlusten bei den Handelsflächen; der Strukturwandel in Österreichs Städten setzt sich somit fort.
Handel ist Verwandlung
Die Fluktuationsrate im Handel in City-Lage lag zuletzt bei 11,7%. Das bedeutet: Die Lebensdauer eines Geschäfts beträgt im Schnitt achteinhalb Jahre, in schwachen Regionen ist sie ungleich geringer. „Wenn es zu einem Shopwechsel kommt, dann folgt einer aktiven Shopnutzung zu 32 Prozent ein Leerstand – und neun weitere Prozent werden überhaupt gleich aus dem Shopflächen-Markt genommen”, erläutert der Handelsforscher. Geht man nach der Fläche, sind es gar 34%, die zu Leerständen mutieren; lediglich 38% des fluktuierenden Shopflächen-Kuchens wandeln sich zu neuen, anderen Geschäften.
Co-Autor Linder hält fest: „Gastronomie und Dienstleistung fischen gehörig im Shopflächenteich und verdrängen Jahr für Jahr den Einzelhandel.” Wo einst ein Händler residierte, zieht nun häufig ein Lokal, eine Arztpraxis, ein Büro oder auch ein Hotel ein.
Pikant: Wird ein Leerstand für eine Shopfläche aufbereitet, ist diese Fläche in 56% der Fälle im Folgejahr immer noch (oder wieder) ungenutzt – ein weiteres Indiz für die abnehmende Nachfrage nach Shopflächen.
Abgesagter Gastro-Boom
Ein Blick auf die Entwicklung zwischen 2014 und 2022 zeigt: Der City-Branchen-Mix verändert sich – wenn auch in eher gemächlichem Tempo. Markant ist die Veränderung beim Bekleidungshandel, dessen Flächenanteil sich binnen acht Jahren von 32,9% auf 28,5% reduzierte; der Kurzfristbedarf hingegen legte im selben Zeitraum von 10,6% auf 11,9% zu.
Flächenmäßige Zugewinne verbucht auch die Gastronomie – aber nur von 12,8% auf 13,9%. Von den mancherorts lange Zeit prognostizierten 25% ist man weit entfernt, „eine annähernde Verdopplung vom gegenwärtigen Niveau ist auch nicht realistisch”, meint Schwarzenecker. Das Wachstum sei, gemessen an den Erwartungen, bis dato ein „recht bescheidenes” gewesen – „0,9 Prozent in neun Jahren, das ist jetzt nicht die Lawine, nicht der Gamechanger”.
Gebremstes „Overstoring”
Mittelfristig rechnet Lindner bei der Gastronomie angesichts der Teuerung mit einem „Schweinezyklus: Es werden wohl etliche das Feld wieder räumen müssen, es werden einige nachrücken – das Wachstum wird sich als zartes Pflänzchen weiterprolongieren”.
Eine allzu dramatische Situation angesichts des Shopflächenrückgangs will Schwarzenecker indes noch nicht beobachtet haben: „Die Innenstädte haben sich in den vergangenen drei Jahrzehnten sehr stark auf den Handel verlassen. Früher waren sie multifunktioneller geprägt als heute – Ämter haben etwa eine größere Rolle gespielt, und es gab mehr Arztpraxen.” Im Laufe der Zeit – „ein Prozess, der nicht von heute auf morgen von sich geht” – sei es zu einem „Overstoring”, einer Überversorgung an Geschäften, gekommen – „und jetzt wird eben ein bisschen in die Gegenrichtung gerudert”.
Kleine Trendwende
Die Betonung legt Schwarzenecker auf ein bisschen: „Wir hatten in den letzten Dekaden massive Verkaufsflächensteigerungen, jetzt haben wir ein kleines Minus. Diese Trendwende, eine kleine Trendwende, würde ich noch nicht als dramatisch beschreiben.”
Insbesondere nicht für den Handel selbst: „Der Handel ist immer auf der Suche nach Frequenz – und er ist sehr wandlungsfähig. Wenn die Frequenz beim Kreisverkehr an der Anschlussstelle ist, dann sitzt der Handel dort; und wenn sie im Internet ist, dann sitzt er eben dort”, so Schwarzenecker. Auch aus Sicht der Innenstädte („Die City braucht den Handel, der Handel braucht die City nicht unbedingt”) relativiert Schwarzenecker: „Ich rechne, was den City-Branchenmix betrifft, künftig eher mit einer statischen Entwicklung – auch, weil Supermärkte nicht mehr so stark expandieren werden wie in den vergangenen Jahren.” Wiewohl man etwa den Flächenrückgang im Bekleidungshandel beim Window Shopping durchaus deutlich zu Gesicht bekomme – „und das trägt dann natürlich schon stark zum Ambiente oder auch fehlenden Ambiente einer Stadt bei”.
Der Wandel ist im Gange
Was die Zukunft des stationären Handels betrifft, erwartet Schwarzenecker, dass Aufenthaltsqualität ein entscheidender Erfolgsfaktor sein wird. Das gilt auch für die Cities, wie Lindner ergänzt: „Die Nutzungsstruktur der Innenstadt, mit ihr auch der Besuchsgrund und das Frequenzprofil, stehen auf dem Prüfstand – und ihre Transformation ist unaufhaltsam.”