„Die Branche steht mit dem Rücken zur Wand”
© Martin Hofmann
Damit es der Fleischbranche besser geht, muss mehr getan werden, weiß der Familien­betrieb Frierss. Kurt, Rudolf und Christoph Frierss (v.l.) wollen nämlich noch lange gut wirtschaften.
RETAIL Redaktion 07.06.2024

„Die Branche steht mit dem Rücken zur Wand”

Frierss-Geschäftsführer Rudolf Frierss warnt vor aktuellen Entwicklungen – aber es gibt auch gute Nachrichten.

••• Von Georg Sohler

Die Lebensmittelproduzenten stehen aktuell vor vielen Herausforderungen. So auch das Kärntner Familienunternehmen Frierss. Mengenmäßig entwickelte sich das Jahr 2023 bei Frierss stagnierend, im Premiumbereich leicht rückläufig – als Folge der hohen Inflation und des damit einhergehenden veränderten Einkaufsverhaltens. Geschäftsführer Rudolf Frierss findet im Interview mit medianet auch gleich sehr alarmierende Worte zur Lage am Markt: „Die Fleisch- und Wurstbranche steht vor noch nie dagewesenen Herausforderungen. Die Lage ist dramatisch angesichts der anhaltenden Preissteigerungen bei Verpackungen, Zutaten, Hilfsstoffen sowie Logistik und der Energiepreise, die nach wie vor auf sehr hohem Niveau sind.” Diese Kostensteigerungen in Verbindung mit den um knapp zehn Prozent erhöhten Lohnabschlüssen und noch folgenden würden dazu führen, dass „die Branche mit dem Rücken zur Wand” steht. Zur Sicherung der Existenzfähigkeit sind Preisanpassungen aus seiner Sicht notwendig. Ein beachtlicher Teil der Branche schreibe zurzeit Verluste, auch Traditionsunternehmen wie seines sind davor nicht gefeit.

Die Situation in der Branche sei mittlerweile so angespannt, dass sich die Frage nach Gewinnen gar nicht mehr stelle, es gehe „vielmehr um Arbeitsplätze, Wertschöpfung in Österreich, die heimische Landwirtschaft und die österreichische Wurstkultur. Sollte die Situation anhalten, sind Struktur­bereinigungen zu erwarten.” Diese Entwicklung würde darüber hinaus zu einem Verlust der Vielfalt an Spezialitäten führen, die die Konsumenten schätzen und für die Österreich auf internationalen Märkten bekannt ist. Es gibt aber auch gute News.

Zuwächse in einigen Bereichen

Denn im Bereich Koch- und Rohschinken konnten sogar Zuwächse erzielt werden, vor allem bei Kärntner Bauernschinken, Kärntnerland Schinken und Zirbenrauchschinken, die österreichweit im gut sortierten Handel zu den beliebtesten Schinken zählen – sowohl in der Bedientheke als auch in Scheiben verpackt. Die umsatzmäßig erzielten Zuwächse trügen allerdings, sie sind auch Folge der Preisanpassungen.

Für Frierss hat das Jahr 2024 grundsätzlich zufriedenstellend begonnen, wenngleich sich die wirtschaftliche Situation keineswegs verbessert hat. Die Kosten durch die hohe Inflation in Österreich, „die höchste in der EU”, habe auch im Export massive Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit „gegenüber Mitbewerbern aus anderen EU-Ländern und den USA. Nur mit gleichbleibender Top-Qualität und besonderen Spezialitäten wie unserem Prosciutto gelingt es uns, im internationalen Wettbewerb zu überzeugen. Erschwerend kommen die aktuell unsicheren Seewege nach Asien hinzu.”

Tradition verpflichtet

1898 legte Urgroßvater Rudolf Frierss I den Grundstein als erster Wursterzeuger in Villach. Bereits damals legte er sein Augenmerk auf Qualität und erhielt bei der Pariser Weltausstellung 1910 die erste Gold-Medaille. Die zweite und dritte Generation bewies Pioniergeist und schaffte Meilensteine in der Fertigung italienischer Spezialitäten, wie Prosciutto und Mortadella aus heimischem Schweinefleisch.

Der Durchbruch gelang der vierten Generation mit den Brüdern Rudolf und Kurt Frierss mit der erfolgreichen nationalen und internationalen Distribution der Kärntner Spezialitäten, wie der Bergsalami, Original Kärntner Hauswürstel oder dem Kärntner Bauernschinken. Mit Kurt Frierss jun. und Christoph Frierss, der seinem Vater Rudolf nachfolgen wird, ist bereits die fünfte Generation am Werk, den Export nach Japan und Südkorea erfolgreich auf- und auszubauen.
Für nachhaltige Produktqualität wurde Frierss unlängst von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) zum siebenten Mal in der Firmengeschichte mit dem „Preis für langjährige Produktqualität” ausgezeichnet. Damit das so bleibt, wird heute schon an morgen gedacht.
Denn wer schon in fünfter Generation tätig ist, will auch die zehnte: „Wir achten darauf, unser Know-how und unsere Familienrezepte von Generation zu Generation weiterzugeben und immer wieder mit aktuellem Zeitgeist zu kombinieren. Was den Erfolg über Generationen sichert, ist unsere Vision, die auf gemeinsamen, von allen beteiligten Familienmitgliedern getragenen Werten beruht und langfristig ausgerichtet ist.”

Innovationen helfen

Aus dem kleinen Fleischerbetrieb ist in den letzten 125 Jahren einer der bekanntesten Feinkostspezialisten Österreichs geworden. Um die hohen Qualitätsstandards zu sichern und weiter auszubauen, wird in den beiden IFS-zertifizierten Betrieben in Villach und in der Rohschinkenmanufaktur in Treffen am Ossiachersee laufend investiert. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit, lautet ein geflügeltes Wort: : „Das Erfolgsrezept liegt in der Verbindung von traditionellem Handwerk mit innovativem Zeitgeist. Dies lässt immer wieder köstliche Produktneuheiten entstehen, die mit nationalen Produktinnovationspreisen und internationalen Qualitätssiegeln ausgezeichnet werden, wie zuletzt der vielfach prämierte Zirbenrauchschinken oder aktuell die Kärntner Kasnudel Bratwurst oder der Kräuterbutterschinken.” Modernen Zeitgeist hat Frierss auch bei seinem aktuellen Verpackungsrelaunch bewiesen, im Sinne der konsequenten Markenpflege und um stets am Puls der Zeit zu bleiben.

Allein sei es allerdings schwierig, betont Frierss; das betreffe den Familienbetrieb ebenso wie die Branche insgesamt. Er fordert abschließend einen Schulterschluss entlang der gesamten Wertschöpfungskette – zwischen Schlachtbetrieben, Produzenten und dem Lebensmittelhandel –, um die Vielfalt der österreichischen Wurstkultur nachhaltig zu sichern – und dazu gehören naturgemäß auch die Konsumenten.

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