Digital Retail räumt die Einkaufsstraßen aus
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RETAIL christian novacek 02.03.2018

Digital Retail räumt die Einkaufsstraßen aus

Standort+Markt analysierte die Handelszonen der größten Städte in Österreich: Der Leerstand ist derzeit ein Wachstumskaiser.

••• Von Christian Novacek

Die Einkaufsstraße verändert sich und sie gerät dabei unter Druck. Jedenfalls, wenn man's aus der Branchenperspektive sieht: Die Flächenanteile haben sich drastisch im Modehandel von 35,7% in 2014 auf zwischenzeitlich 31,9% reduziert. Gleichzeitig ist ausgerechnet der Leerstand Wachstumskaiser; hier lag der Anteil 2014 noch bei 4,3%, 2017 sind es bereits 5,4%.

Das sind die Ergebnisse des Einkaufsstraßen-Monitorings von Standort+Markt. Dieses erfasst die 18 größten Städte Österreichs. Seit 2013 gibt es diese Bestandsaufnahmen, wobei 1,6 Mio. m2 gescreent werden, das entspricht mehr als 9.900 Shops.

Feindbild eCommerce

Die Interpretation der Ergebnisse fällt bei Standort+Markt-Chef Hannes Lindner durchwachsen aus: „Totgesagte leben länger”, diagnostiziert er einerseits fast positiv, um das sodann mit einem großen Aber zu versehen. Denn: „Veränderungen lassen sich nicht wegdiskutieren. Der eCommerce zieht eine rote Spur durch die Innenstädte!”

Dass die Spur zur Schneise wird, ist derzeit wohl noch verhinderbar, jedoch sind die Flächentrends im Jahresvergleich evident. Demnach verliert die Modebranche eindeutig an Präsenz, einige Labels dürften zusehends nach dem Motto agieren, dass sie bei den Mieten sparen, weil die Absenz des Cityshops im Digital Retail mehr als wettgemacht wird. Dabei muss relativierend erwähnt werden, dass seit 2014 das Volumen der Shopflächen insgesamt, wenngleich geringfügig, aber doch steigt. Das Wachstum lag 2015 und 2016 bei 0,6% bzw. 0,5%, 2017 sogar bei 0,9%. Also alles halb so wild? „Festzuhalten ist hier, dass es sich dabei keinesfalls um ein qualitatives Wachstum handelt”, führt Lindner aus.

Starker Filialisierungsgrad

Von ca. 6.270 untersuchten Einzelhandelsgeschäften sind rund 2.420 filialisiert. Das entspricht einem Filialisierungsgrad von 39%. Die KMU Forschung Aus­tria geht von einer sehr ähnlichen Größenordnung aus, die Werte gelten als gut abgesichert.

In A-Lagen sind filialisierte Geschäfte eher anzutreffen als in B-(oder C-)Lagen. Während der Filialisierungsgrad im Einzelhandel in A-Lagen bei 58% liegt, ist das Österreichmittel aller Innenstädte mit rd. 40% niedriger angesiedelt. Der hohe Filialisierungsgrad ist übrigens rückläufig – schlichtweg, weil offenbar der Peak Ende 2016 erreicht worden ist.

Einkaufsstraßen-King

Im Städtevergleich tut sich eine Schere auf: Wien dominiert klar, die Mariahilferstraße führt das Flächen- und Shopranking mit 223.100 m² bzw. 794 Shops an, gefolgt von der Wiener City mit 203.800 m², aufgeteilt auf 1.406 Geschäfte. Während man nun in der Bundeshauptstadt bei den Mieten tief oder gar nicht in die Tasche greift, ist das in den Landeshauptstädten anders. Die Mietpreise in Wien sind unter Druck, in Klagenfurt haben sie dem Druck großzügig nachgegeben – ein Quadratmeterpreis von 15 € in der A-Lage ist dort das Ende einer unerquicklichen Entwicklung.

Drastisch wird der Strukturwandel im Kleinstädte-Sample ersichtlich: Die weisen 2017 bei den Leerständen einen Durchschnittswert von 13,5% aus. Der Negativ-Ausreißer lautet dabei auf Bruck an der Leitha mit mehr als 20%, „was schon gewaltig ist”, so Lindner.
Ähnlich dramatisch ist die Situation in Wiener Neustadt, wo sich die Leerstände zuletzt um acht Prozent verschlechtert haben. „Zahlreiche internationale Filialisten – neben H&M z.B. auch Tommy Hilfiger und Pimkie – haben der City den Rücken gekehrt”, erläutert Lindner.
Als Gegengewicht zitiert der Standort+Markt-Chef die Städte Krems, Leoben und Baden, wo die Leerstände um zwei Prozentpunkte zurückgingen. Letztlich sind die Innenstädte also durchaus lebendig – dafür spricht eine augenfällige Fluktuationsrate von 12,3%, d.h. es wechselt somit jedes Geschäft im Schnitt alle acht Jahre seinen Auftritt – eine Zahl, die die Dynamik der Branche sehr gut beschreibt.

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