„Ein gehöriges Maß an Optimismus”
© Thomas Lechner
Hannes Wuchterl
RETAIL Redaktion 15.12.2023

„Ein gehöriges Maß an Optimismus”

Das Gros der Nah&Frisch-Kaufleute hat die Teuerungskrise gut gemeistert – 2024 will man in „ruhigeres Fahrwasser” kommen.

••• Von Oliver Jonke und Paul Hafner

Die letzten Jahre waren für Österreichs Kaufleute denkbar schwierig; jene von Nah&Frisch haben sie mit großer Mehrheit bewältigt. Ihnen dürften nun auch etwas ruhigere Zeiten bevorstehen, wie Geschäftsführer Hannes Wuchterl im Gespräch mit medianet-Herausgeber Oliver Jonke erzählt.

 

medianet: Die wichtigste Frage zuerst – wie ist das Jahr 2023 für Nah&Frisch gelaufen?
Hannes Wuchterl: 2023 war natürlich herausfordernd, vor dem allseits bekannten Hintergrund: Enorm, teils in bedrohlichem Ausmaß gestiegene Energiekosten, hohe Beschaffungskosten bei den Lebensmitteln, die Inflation, welche die Kaufleute natürlich auch als Privatpersonen getroffen hat und trifft. Es war im Großen und Ganzen ein wirklich schwieriges Jahr, in dem wir aufgrund der schwierigen Gesamtlage auch Kaufleute verloren, haben – aber, und das sage ich nicht ohne Stolz, ein ganz großer Teil unserer Kaufleute hat sich wieder einmal als enorm resilient erwiesen und war den zahlreichen Herausforderungen gewachsen. Sie haben ihre Wege gefunden, die großen Schwierigkeiten, die sich ihnen gestellt haben, mit zusätzlichem, enormen Einsatz zu bewältigen – und jetzt, wo der Energiekostenzuschuss II doch langsam Gestalt annimmt, spüren wir sicherlich auch eine gewisse Erleichterung.

medianet:
Wie hat sich die Zahl der Kaufleute und Nah&Frisch-Märkte konkret verändert?
Wuchterl: Eine endgültige Zahl kann ich für dieses Jahr noch nicht nennen, wir konnten jedenfalls auch einige Neuzugänge begrüßen – speziell in Kärnten, wo es gelungen ist, eine Reihe von Adeg-Märkten durch die UniGruppe zu übernehmen, die nun unter Nah&Frisch-Flagge geführt werden. Ich möchte es so sagen: Quantitativ werden wir mir etwas weniger Kaufleuten abschließen, qualitativ ist das Netz aber sicherlich deutlich attraktiver geworden.

medianet:
Mit was für einer Entwicklung rechnen Sie im kommenden Jahr?
Wuchterl: Ich sehe dem Jahr 2024 mit einem gehörigen Maß an Optimismus entgegen. Wir haben über die letzten drei, vier Jahre einige Hürden genommen und auch nehmen müssen. Ich sehe ruhigeres Fahrwasser auf uns zukommen – die Inflation schwächt sich ab, die Energiekos­ten scheinen im Griff zu sein, es wird eine Verlängerung des Energiekostenzuschusses diskutiert … Das alles sind doch Signale, die darauf hinweisen, dass das nächste Jahr wieder ein ruhigeres werden sollte.

medianet:
Im September 2022 wurde in Gaflenz ein Nah&Frisch-Hybridmarkt ans Netz gebracht, in der Zwischenzeit sind einige weitere solcher Märkte hinzugekommen, die zu den Kernöffnungszeiten klassisch betrieben werden und zu erweiterten Öffnungszeiten für den autonomen Einkauf im Self-Service zur Verfügung stehen – ein Erfolgsmodell?
Wuchterl: Absolut. Der Anspruch ist es, Geschäfte möglichst über das gesamte Ausmaß der gesetzlich erlaubten Ladenöffnungszeiten – 72 Stunden – offen zu halten. Das ist für den klassischen Kaufmann im ländlichen Bereich mit seiner geringen Zahl an Mitarbeitern extrem schwierig. Wir sehen, dass das Hybridmodell hier extrem positive Effekte hat: Es bringt dem Kunden etwas, weil er mehr Spielraum bei seinen Einkaufszeiten hat, es bringt dem Kaufmann mehr Freizeit und den Mitarbeitern mehr Beweglichkeit, wie und wann sie arbeiten möchten. Wir stehen mittlerweile bei rund zehn Hybridstandorten und versprechen uns von diesem Modell für die nächsten Jahre sehr, sehr viel.

medianet:
Ein unangenehmes Thema, das den Lebensmittelhandel in den vergangenen Monaten begleitet hat, waren Vorwürfe, von der Inflation zu profitieren. Jetzt hat der Lebensmittelbericht der Bundeswettbewerbsbehörde diese Vorwürfe entkräftet. Salopp gefragt: Wer hat den Schwarzen Peter?
Wuchterl: Diese Frage ist aus meiner Sicht so leicht nicht zu beantworten, da kommt man sehr schnell in ideologisches Fahrwasser. Treiben Löhne Preise oder treiben Preise Löhne? Dazu habe ich keine Position. Was die Lebensmittelpreise im Speziellen betrifft, muss man aber schon sagen, dass der Lebensmittelhandel hier extrem an den Pranger gestellt worden ist, er musste sich die von Ihnen angesprochene Untersuchung der Bundeswettbewersbehörde gefallen lassen, und auch unsere Kaufleute sind dabei durchaus ins Visier geraten. Herausgekommen ist dann, grosso modo, der Handel ist es nicht. Und was mich jetzt ein bisschen wundert, ist, dass man nicht weiterfragt: Wer ist es dann, wo kommt das her? Vielleicht würden wir eine Antwort finden, wenn wir uns die Bilanzen und Gewinne der Handelsunternehmen und kleinen Kaufleute anschauen und den Bilanzen und Gewinnen anderer Unternehmen gegenüberstellen.

medianet:
Kommen wir zum Abschluss noch zu einem anderen heißen Thema, das den gesamten LEH beschäftigt, das Einwegpfand. Wie geht die Nah&Frisch-Organisation mit dem Thema um?
Wuchterl: Mir ist vor allem einmal wichtig, zu sagen, dass noch immer nicht alles im Detail geklärt ist, viele Dinge sind nach wie vor offen und die erschweren auch eine Beurteilung der Gesamtsituation, und wie man mit ihr umgehen soll. Was wir aber bereits wissen, und das ist sehr bedauerlich, ist, dass die Fördermittel – wie schon vor eineinhalb Jahren prognostiziert – offenbar aufgebraucht wurden, bevor viele kleine Kaufleute überhaupt die Möglichkeit hatten, einen Antrag zu stellen. Weil dieser Fördertopf zu niedrig dotiert war und vielleicht auch nicht klar genug kommuniziert wurde, wann und wie man um eine Förderung ansuchen kann. Tatsache ist: Der Fördertopf ist vermutlich leer. Was wieder typisch österreichische Systemdenke ist: Jeder selbstständige Nah&Frisch-Kaufmann muss diesen Antrag selbst stellen, wir können als Organisation gar nicht für ihn tätig werden. Davon abgesehen wurden platzintensive Automaten, die Plastik und Glas gemeinsam sammeln, mit 100 Prozent gefördert, kleinere Automaten, die Plastik sammeln, nur mit 70 Prozent, und dementsprechend bleibt auch in diesem Fall ein Teil der Anschaffungskosten beim kleinen Kaufmann – der schlichtweg keinen Platz für einen großen Automaten in seinem Geschäft hat – picken. Wenn er diese zusätzliche Investition nicht auf sich nimmt oder nicht auf sich nehmen kann, entsteht ihm ein Wettbewerbsnachteil.

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