Gurkerl macht 180-Grad-Wende
© Philipp Lipiarski
Umstellung Weil Gurkerl.at sein Lager in Wien-Liesing auf Vollautomatisierung umstellt und dieser Prozess länger benötigt als erwartet, verringert sich der ­Personalbedarf.
RETAIL Redaktion 03.03.2023

Gurkerl macht 180-Grad-Wende

Der Online-Supermarkt baut Personal ab und reduziert sein Angebot. CEO Erich Comor geht mit Ende Mai.

WIEN. Vergangenen Freitag (nach medianet-Redaktionsschluss) kam der Paukenschlag: Der heimische Lebensmittellieferdienst Gurkerl.at, seit seinem Start im Dezember 2020 kontinuierlich auf Expansion und oft bekundetermaßen händeringend auf Mitarbeitersuche, macht eine Vollbremsung – und hat dem Vernehmen nach knapp 30% seiner rd. 1.000 Mitarbeiter zählenden Belegschaft zur Kündigung angemeldet.

Mit ihnen, aber erst ein paar Monate später, nimmt auch Neo-CEO Erich Comor den gerade erst aufgesetzten Hut: Seit Ende Dezember 2020 CEO vom deutschen Gurkerl-Pendant Knuspr, hatte Comor erst im Jänner zusätzlich die Österreich-Agenden von Maurice Beurskens übernommen – und scheidet mit Ende Mai gänzlich aus dem Unternehmen aus.
Nachdem Vorgänger Beurskens noch im Dezember beklagte, dass man „weiterhin Schwierigkeiten” habe, „geeignete Mitarbeiter zu finden”, schlug Nachfolger Comor schon Anfang Februar andere Töne an und verkündete eine Verlangsamung der Expansion – stattdessen gab es nun den Notstopp.

„Einen Schritt zurückgehen”

Die binnen weniger Monaten vollzogene 180-Grad-Wende begründet Manuel Kalleder, Pressesprecher von Gurkerl (und Knuspr) mit der Vollautomatisierung des Logistikzentrums in Wien-Liesing, der notwendig sei, um profitabel zu wachsen; die Notwendigkeit, Platz für die Automatisierung zu schaffen, bedeute einen (vorübergehenden) verringerten Personalbedarf – weil eine parallele Weiterarbeit nicht möglich sei und der Integrationsprozess darüber hinaus mehr Zeit als veranschlagt bedürfe, müsse man nun „einen Schritt zurückgehen, um dann zwei Schritte nach vorne zu machen”, wie es Kalleder gegenüber dem Standard formulierte.

Auch die Kunden werden den Stategiewechsel spüren: Im Zuge des angestrebten Automatisierungsvorgangs reduziert Gurkerl.at Angebotskapazitäten; statt einer Zustellung binnen drei Stunden verspricht die Website etwa aktuell nur mehr „den frischen Wocheneinkauf für morgen früh”.

Nutznießer Billa

Pointiert auf die Gurkerl-Kündigungswelle reagierte Mitbewerber und Online-Marktführer Billa: Weil man erst im November ein zweites Onlinelager in Wien-Floridsdorf eröffnet habe und mit neuen Logistik-Mitarbeitern „weiter gesund wachsen” wolle, unterbreite man sämtlichen von der Gurkerl-Kündigungswelle Betroffenen „ab sofort ein Job-Angebot mit fester Anstellung”, wie David Renker, Leiter des Billa Onlineshops, per Aussendung bekannt gab.

Der Onlineanteil im heimischen LEH liegt gemäß aktueller Schätzungen weiter zwischen einem und zwei Prozent. (red)

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