Klarstellung des Lebensmittelhandels zu "Sommergesprächen"
© medianet / Katharina Schiffl
Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes
RETAIL Redaktion 08.08.2024

Klarstellung des Lebensmittelhandels zu "Sommergesprächen"

Handelsverband fordert: Fakten statt Mythen.

WIEN. In einer Aussendung bezieht der Handelsverband Stellung zum kürzlichen ORF-Sommergespräch mit der NEOS-Parteivorsitzenden Beate Meinl-Reisinger Stellung. „Über die Verursacher der hohen Inflation in Österreich ranken sich ebenso viele Mythen wie über die Profiteure der Teuerung – das wurde auch im gestrigen ORF Sommergespräch deutlich“, heißt es in der Aussendung. „Einmal mehr wurde der heimische Lebensmittelhandel zu Unrecht als Nutznießer dargestellt. Höchste Zeit für einen Faktencheck!“ 

„Heimische Händler verdienen sich mit der Inflation ein Körberlgeld“
„Fakt ist: Der starke heimische Wettbewerb, der häufig über den Preis geführt wird, gewährleistet den Konsumenten bestmögliche Preise und unterstützt insbesondere Einkommensschwache – was auch die Bundeswettbewerbsbehörde in ihrem Abschlussbericht der Branchenuntersuchung Lebensmittel vom 03.11.2023 bestätigt hat.“ Demnach habe der LEH seine Gewinnmargen im Zeitraum von 2021 bis zum 2. Halbjahr 2023 laut BWB nicht erhöht und somit nicht von der Teuerung profitiert. Belastend seien für Handelsbetriebe vor allem die stark gestiegenen Kosten für Energie, Personal, Logistik, Mieten und Fremdkapital, die nicht 1:1 auf die Verbraucherpreise umgewälzt werden könnten. 

Das erkläre auch die massive Steigerung bei den Insolvenzzahlen. Laut Creditreform werde 2024 ein negatives Rekordjahr mit insgesamt mehr als 7.200 Firmeninsolvenzen – und keine Branche sei dabei stärker davon betroffen als der Handel. Ein ähnliches Bild zeichnet demnach die jüngste Studie von RegioData: So ist die Anzahl der Lebensmittelvollsortimenter ist in Österreich seit 2010 um 5,1% gesunken. 

„Vor allem die Versorgung in kleineren Gemeinden am Land dünnt immer mehr aus, weil ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb angesichts der zunehmenden Kostenbelastung und des Bürokratiedschungels in Österreich mangels Strukturreformen schlicht nicht mehr möglich ist. Man muss ja froh sein, dass es überhaupt noch Händler gibt, die sich bei diesen unwirtschaftlichen Kostensteigerungen und den geringen Margen eine Präsenz in den Gemeinden leisten und damit die Nahversorgung sichern“, so Rainer Will, Geschäftsführer des freien, überparteilichen Handelsverbandes.

„Die Lebensmittelpreise sind in Österreich stärker gestiegen als in der EU“
„Fakt ist: Während die allgemeine Inflation in Österreich sowohl 2022 als auch 2023 deutlich höher war als im Schnitt der Eurozone, lag die Teuerung bei Nahrungsmitteln und alkoholfreien Getränken hierzulande deutlich unter dem EU-Durchschnitt“, heißt es weiters in der Stellungsnahme. „Der heimische Lebensmittelhandel hat sinkende Umsätze (preisbereinigt -3,2% in 2022 und -1,0% in 2023) bei einer sehr geringen tatsächlichen Rentabilität von durchschnittlich 0,5% bis 2,5% des Umsatzes hingenommen. Zum Vergleich: Bei globalen Nahrungsmittelproduzenten ist die Rentabilität im Schnitt zehnmal so hoch.“ 

Übrigens sei auch der tatsächliche Preisunterschied bei Lebensmitteln zwischen Österreich und Deutschland deutlich geringer als häufig kolportiert. Studien, die signifikante Preisunterschiede zwischen AT und DE feststellten, beziehen sich stets auf internationale Markenartikel. Diesbezüglich kritisiere die BWB zurecht den „Österreich-Aufschlag“ internationaler Hersteller, die dem Lebensmittelhandel in Österreich systematisch höhere Preise verrechnen als etwa in Deutschland. „Diese Diskriminierung macht einen Großteil des Preisunterschiedes zwischen den beiden Ländern aus. Europaweit kostet diese Praxis uns Konsumentinnen und Konsumenten 14 Milliarden Euro pro Jahr. Der österreichische Lebensmittelhandel ist hier nicht Profiteur, sondern selbst Betroffener“, so Will.

Selbst die Arbeiterkammer habe inzwischen erkannt, dass der Preisunterschied bei Lebensmitteln zwischen Österreich und Deutschland primär auf diesen Faktor zurückzuführen ist. Zuletzt hat die EU-Kommission etwa gegenüber Mondelez wegen derartiger territorialer Lieferbeschränkungen eine Geldbuße in Höhe von 337 Mio. Euro verhängt.

„Supermärkte sind Hauptverursacher der Bodenversiegelung in Österreich“
Weiters heißt es: „Der Lebensmittelhandel hat die enorm wichtige Rolle eines gesunden Bodens als wertvolle Ressource bereits vor langer Zeit erkannt. Daher wird die Reduktion der Bodenversiegelung und des Flächenverbrauchs in der Branche großgeschrieben. In puncto Flächeninanspruchnahme steht der gesamte österreichische Handel für nur 0,6%. Haupttreiber der zunehmenden Verbauung von Flächen sind hingegen der Wohnbau, Verkehrsflächen und handelsfremde Betriebsflächen.“

Der gesamte stationäre Lebensmittelhandel und Drogeriewarenhandel sei für lediglich 0,25% der Flächeninanspruchnahme und 0,5% der Bodenversiegelung verantwortlich. Der Lebensmittelhandel setzt auf „Bauen in die Höhe statt Breite“ und ökologisch sinnvolle Bebauung wie z. B. strukturierte Parkraumbegrünung. „Der Lebensmittelhandel ist mit 0,25 Prozent der gesamten Flächeninanspruchnahme in Österreich nicht der Treiber des Bodenverbrauchs, sondern eine Randerscheinung. Für die Flächeninanspruchnahme sind v.a. der Wohnbau mit 45 Prozent, Verkehrsflächen mit 36 Prozent und handelsfremde Betriebsflächen mit 11 Prozent verantwortlich“, erklärt Handelssprecher Will. "Über Geschmack kann man streiten, über Fakten nicht. Wir hoffen, dass diese Fakten bei den Fragestellungen der weiteren Sommergespräche berücksichtigt werden und wir damit endlich von den suggerierten, haltlosen Aussagen gegen den Lebensmittelhandel wegkommen.“

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