Klimawandel? So geht Staud’s Wien damit um
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RETAIL Redaktion 24.05.2024

Klimawandel? So geht Staud’s Wien damit um

Geschäftsführer Stefan Schauer kennt Lösungen, wie Delikatessen auch in Zukunft weiter am Tisch landen.

••• Von Georg Sohler

Die Welt verändert sich gegenwärtig sehr, auf Starkwetter­ereignisse folgen Hitzerekorde. Das stellt die Menschheit insgesamt und Lebensmittelproduzenten im Speziellen vor große Aufgaben, will man doch auch in Zukunft besondere Delikatessen ins Regal und auf den Tisch stellen können. Das weiß Staud’s Wien ganz genau. Vor allem, weil Geschäftsführer Stefan Schauer selbst in der Wachau die hierzulande so beliebte Marille anbaut. Im Rahmen der Wiener Klima Biennale (noch bis 14. Juli) wirft Staud’s Wien in Kooperation mit der City Farm Augarten und dem Projektteam ProBach einen Blick auf die Zukunft des Obst- und Gemüseanbaus, gegenüber medianet gibt er Einblicke.

„Das Klima verändert sich und mit ihm die lebenswichtige Ressource Wasser”, stellt er klar. Damit einher gehe die Veränderung der Vegetation und somit der Ernährung: „Durch die Klimaerwärmung kommt es zu längeren Trockenperioden sowie sommerlicher Überhitzung, weshalb künftig auch weniger Wasser für den Obst- und Gemüseanbau zur Verfügung steht. Weiters häufen sich Spätfröste, Starkregenereignisse und Stürme, sodass viele der Pflanzen einen Witterungsschutz benötigen werden.” Manche Obstsorten, die uns heute so vertraut sind, wie etwa die Marille, könnten in Zukunft nur mehr begrenzt kultiviert werden.

Keine Marille mehr?

Schauer beobachtet: „Es kommt zu einer Veränderung der Vegetationsperioden. Früher gingen die Obstbauern in der Wachau von einer Marillenblüte in der zweiten Aprilhälfte aus. Dieses Jahr haben die Bäume bereits Anfang März zu blühen begonnen.” Das ist über 30 Tagen früher als im Durchschnitt, und es kann vermehrt zu Spätfrostschäden kommen. Auch die zu geringen Niederschlagsmengen wirken sich negativ auf die Ernte aus.

Um gegenzusteuern, setzt Staud’s Wien vor allem auf langfristige Kooperationen mit Landwirtinnen und Land­wirten, die die Verarbeitung überhaupt noch möglich machen. „Eine Partnerschaft ist wie ein Baum, der über viele Jahre und Jahrzehnte hinweg wachsen und gedeihen muss.” Abhilfe können zudem verschiedenste Maßnahmen schaffen, etwa ein Folientunnel oder auch Schutzvorrichtungen wie Frostschutzberegnung, Kerzen oder Ähnliches. All das führt seiner Einschätzung nach zu einer Erhöhung der Produktionskosten für Lebensmittel. Ohne Umschweife folgert er also: „So könnte die Marillenpalatschinke künftig zu einem seltenen Genuss werden.”

Veränderung auch am Tisch

Eine allgemeine Lösung dürfte sein, vermehrt Nutzpflanzen anzubauen, die auch mit weniger Wasser und erhöhter Trockenheit zurechtkommen, mit „Auswirkungen auf unseren Speisezettel”. Hilfreich ist es etwa, Regenwasser und in der Folge Bachwasser nicht achtlos in Abwasserkanäle abzuleiten, sondern auch zum Gießen und zur Kühlung nutzbar zu machen. Auch durch Mulchen kann fruchtbarer Boden vor Austrocknung geschützt werden. Ein Umdenken ist notwendig: „Biologische, kleinstrukturierte Anbaumethoden bringen auf geringerer Fläche mit weniger Wasser oft mehr Ertrag.” Gemüseanbau nach dem Prinzip der Marktgärtnerei sei außerdem boden- und wassersparend. Es wird auf kleinsten Flächen in intensiver Handarbeit, ohne große Maschinen, ohne Beheizung und nach ökologischen Kriterien der Boden verbessert und saisonales Gemüse biologisch angebaut.

Doch auch in der Stadt kann man schon auf kleinsten Flächen, etwa am Balkon, auf der Terrasse oder in einem Gemeinschaftsbeet einen erstaunlich hohen Ertrag sowie eine enorme Vielfalt an Lebensmitteln selbst produzieren – ohne energie­fressende Transportwege: „Dadurch kann von jedem einzelnen ein Beitrag zur urbanen Klimaverbesserung gleistet werden, etwa durch die Schattenwirkung bzw. Sauerstoffproduktion der Pflanzen. Vor allem aber ist die Freude an selbst gezogenem Obst und Gemüse unvergleichlich.”

Wien so warm wie Marseille

Doch wie steht es wirklich um die Zukunft des Obst- und Gemüseanbaus und in weiterer Folge der Delikatessenzubereitung? Staud’s Wien stellt im Rahmen der Klima Biennale zwei Möglichkeiten als Themenbeete vor:
• Mediterran: Durch die Klimaerwärmung wird Wien nach Berechnung der Klimaforscher bereits im Jahr 2050 das Klima der französischen Mittelmeerstadt Marseille erreicht haben. Frost und ausgedehnte Kälte­perioden werden uns im Winter dennoch nicht erspart bleiben. Es müssen Pflanzen angebaut werden, die eine höhere Trockenheit vertragen: Feige, Olive, Granatapfel oder Mandel.
• Extra Dry: Hier werden Pflanzen gezeigt, die extrem trockenheitsresistent sind und daher auch mit sehr wenig Wasser auskommen. Sanddorn, Wacholder und Berberitze sind aber stachelig und erschweren dadurch die Ernte. Weingartenpfirsich und Quitte sind genügsam.

Diese Obstsorten stellen im derzeitigen Marmeladenspektrum nur eine Minderheit dar. Schauer bilanziert: „Aus meiner Sicht wird auch in Zukunft kein Weg an der Marille vorbeiführen – allerdings werden größere Schutzmaßnahmen notwendig sein.” Zwischen vielen Nachrichten dieser Tage ist es mit Sicherheit nicht die schlechteste, dass – mit Anstrengungen – gewisse Delikatessen weiterhin auf den Teller kommen bzw. kommen können.

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