Lieferkettengesetz nimmt erste Hürde
© European Union/Mathieu Cugnot
Die Verhandlungsposition wurde mit 366 Ja-Stimmen, 225 Nein-Stimmen und 38 Enthaltungen angenommen; in Österreich votierten die SPÖ, die Grünen und die Neos dafür.
RETAIL Redaktion 09.06.2023

Lieferkettengesetz nimmt erste Hürde

Für die einen sind die nun festgelegten EU-Positionen ein großer Wurf, für die anderen überambitioniert.

BRÜSSEL/STRASSBURG. Das EU-Parlament hat seine Position zum Lieferkettengesetz festgelegt. Um zu verhindern, dass zur Gewinnmaximierung gegen Menschenrechte oder auch Umweltstandards verstoßen wird, sollen große europäische Unternehmen künftig Produktionsbedingungen ihrer weltweiten Lieferketten ins Visier nehmen. Nach Vorstellung der Parlamentarier sollen die neuen Regeln auch für Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitern sowie für den Finanzsektor ­gelten.

Konkret werden in dem Text des EU-Parlaments Unternehmen, unabhängig von ihrem Sektor, mit mehr als 250 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von über 40 Mio. € sowie für Muttergesellschaften mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von über 150 Mio. € miteinbezogen. Für Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU soll ein Umsatz von mehr als 150 Mio. € gelten, wenn mindestens 40 Mio. € in der EU erwirtschaftet wurden.

EU-Positionen unter der Lupe

Die besagten Unternehmen wären verpflichtet, negative Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die Menschenrechte und die Umwelt „zu ermitteln und erforderlichenfalls zu verhindern, zu beenden oder abzumildern”, liest sich in der Mitteilung des EU-Parlaments. Auch müssten sie ihre „Partner in der Wertschöpfungskette überwachen und bewerten” – dazu würden nicht nur Lieferanten, sondern unter anderem auch Verkauf, Vertrieb und Transport gehören.

Zudem sollen Manager das Geschäftsmodell und die Strategie ihres Unternehmens so ausrichten, dass das Ziel, die globale Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, erreicht wird. Es müssen gemäß Entwurf Beschwerdemechanismen eingeführt werden und die Informationen über die Sorgfaltspflicht auf der Unternehmenswebsite verfügbar sein.
Verstoßen die Unternehmen gegen die Regelungen, sollen sie durch nationale Aufsichtsbehörden sanktioniert werden können – etwa mit Geldstrafen in Höhe von fünf Prozent des weltweiten Nettoumsatzes. Nicht-EU-Unternehmen könnten von der öffentlichen Auftragsvergabe in der EU ausgeschlossen werden.

Ein großer Wurf?

Nach Einschätzung von Experten hat sich das EU-Parlament damit für ein relativ strenges Lieferkettengesetz ausgesprochen. Die Reaktionen unterstreichen diese Einschätzung: Von konservativer Seite wird über „nicht umsetzbare Maßnahmen und Belastungen für die Betriebe” (ÖVP-EU-Delegationsleiterin Angelika Winzig) geklagt und nach „Nachbesserungen (WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf) gerufen; Sozialdemokraten, Grüne, Arbeiterkammer und NGOs sehen „schon viel erreicht” (SPÖ-EU-Abgeordnete Evelyn Regner), einen „historischen Schritt” (Thomas Waitz, EU-Abgeordneter der Grünen) bzw. eine „starke Position” (Lukas Wank, Geschäftsführer der AG Globale Verantwortung).

In weiterer Folge können nun die Verhandlungen über den finalen Gesetzestext zwischen EU-Parlament und den 27 Mitgliedsländern beginnen; den endgültigen Gesetzestext wollen Kommission, Rat und Parlament in sogenannten Trilog-Verhandlungen festlegen. (APA/red)

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