„Man bleibt dadurch automatisch am Ball”
© Radatz
RETAIL Redaktion 02.09.2022

„Man bleibt dadurch automatisch am Ball”

Der Wiener Fleischer Radatz wird 60 Jahre alt. Franz Radatz junior weiß, wie ein Familienbetrieb funktioniert.

••• Von Georg Sander

WIEN. Im Jahr 1962 beginnt die Erfolgsgeschichte des Wiener Familienunternehmens Radatz. In der Karolinengasse 33 auf der Wieden stand damals Franz Radatz sen. in der Wurstküche und Elisabeth Radatz hinter der Theke – das ist der Anfang einer mittlerweile 60 Jahre andauernden Geschichte. Heute arbeiten knapp 900 Menschen bei Radatz, das Sortiment umfasst rund 700 Produkte und alle 1,16 Sekunden beißt ein Österreicher in eine Radatz-Leberkässemmel. Wie es dem Unternehmen derzeit geht, erklärt Franz Radatz, der Sohn des Firmengründers, im Gespräch mit medianet.

„Für mich war immer spannend, die Eltern im Geschäft in der Karolinengasse zu besuchen”, erinnert er sich zurück. Und auch an seine Lieblingsspeise, die zunächst gar nicht aus dem Hause Radatz selbst kam: „Zur Begrüßung bekam ich von Tante Christi (später Frau Palfrader) meine geliebte Salamisemmel – von wegen Salami sei für Kinder zu heftig im Geschmack.” Die Salami, das sollte überhaupt ein Meilenstein sein (siehe Kasten rechts unten).

Innovationen und Meilensteine

Schon früh bewies Radatz sen. Innovationsgeist und setzte auf eine direkte Vermarktung der Produkte bei den Greißlern. Die Innovation der 60er erfüllen heute die Wurstgroßmärkte. Insofern kommt man den Kunden weiter entgegen. Als der Betrieb schon lange auf das heute 20.000 m² große Betriebsgelände in Neu-Erlaa übersiedelt war, übernahm 1988 schließlich Franz Radatz, Jahrgang 1961 und studierter Betriebswirt sowie Fleischermeister. Zehn Jahre später erfüllte er sich dann seinen Kindheitswunsch: Salami aus dem eigenen Haus. Das im Jahr 1898 gegründete Traditionsunternehmen Stastnik wurde übernommen und somit konnte man die über 100-jährige Handwerkskunst des Salamimachens weiterführen.

Qualität und Zertifizierungen

Für Radatz geht es bei allen Erweiterungen des Unternehmens aber stets um eines: Qualität. „Ganz wichtig waren mir immer Zertifizierungen nach international anerkannten Normen”, meint er. „Das sind im Grunde die Oscars für Lebensmittelproduzenten. Insofern wollten wir da immer ganz vorne mit dabei sein.” Der Vorteil dieser anerkannten Normen sei schlichtweg, dass dort die gesamte Erfahrung der Lebensmittelproduktion durch die Auditoren sowohl international als auch branchenübergreifend unmittelbar einfließt: „Man bleibt dadurch automatisch am Ball.”

Ebenfalls entscheidend: Der Faktor Familienbetrieb, was bei so vielen Mitarbeitenden auf den ersten Blick gar nicht so einfach erhaltbar zu sein scheint. „Die familiäre Stimmung ist uns allen einfach wichtig”, erklärt er, stellt aber auch klar: „Jeder weiß, dass ‚familiär' nicht Dauerkuschelkurs bedeutet, sondern eben gegenseitige Verantwortung gerade auch unseren Produkten, Kunden und auch Lieferanten gegenüber.”

Noch einmal 60 Jahre

Die Firma plant vermutlich mit mindestens 60 weiteren Jahren. Dabei sind die Herausforderungen für Lebensmittelhersteller in den letzten Jahren nicht gerade kleiner geworden. Wie die allermeisten produzierenden Betriebe muss man aktuell mehr zahlen, etwa für Energie oder Transportkosten. „Der Rechenstift verleitet oft zur Spezialisierung, Optimierung und Automatisierung. Das ist alles wichtig und richtig, und trotzdem ist man in der Realität der Ungewissheit ausgeliefert”, weiß der erfahrene Geschäftsmann und wirft einen Blick in die Vergangenheit: „Rückblickend hat uns beispielsweise das Putensortiment durch die BSE-Krise (Anm. Rinderseuche) manövriert, weil kritische Konsumenten einfach dorthin ausweichen konnten. Will sagen: Monokultur ist gefährlich.”

Das Zauberwort, so Radatz abschließend, laute Resilienz. Wer die nicht hat, wird ohnehin kein Unternehmen durch so viele vergangene Jahre gebracht haben – und wäre für alle weiteren wohl schlecht aufgestellt.

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