Wie hat Österreich vor Corona geshoppt?
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RETAIL Redaktion 12.06.2020

Wie hat Österreich vor Corona geshoppt?

Der Handelsverband präsentierte die Einkaufspräferenzen der privaten Haushalte im Handel 2019.

••• Von Christian Novacek

Das Jahr 2019 brachte eine Erhöhung der Ausgaben der privaten Haushalte in Österreich um zwei Prozent auf 206,5 Mrd. €. Die Inflation hat den realen Anstieg jedoch auf +0,5% gedrückt. „Die einzelhandelsrelevanten Ausgaben sind im Vorjahr um 2,6 Prozent gewachsen und haben einen neuen Rekordwert von 67,5 Mrd. Euro erreicht”, resümiert Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.

Das Podium der Top3-Wachstumssieger 2019 bilden mithin Sportartikel mit +5,3%, Elektrogeräte mit +3,3% und Lebensmittel mit einem Plus von drei Prozent. Anlass für dieses Ranking ist die Jahresbilanz „Handel in Zahlen” von Branchenradar.com Marktanalyse und Handelsverband. Sie legt dar, welche Produktgruppen die Privatausgaben im stationären Einzelhandel sowie im Distanzhandel 2019 angetrieben haben (siehe Tabelle Seite gegenüber), aber auch wie sich der Online-Shopping-Boom darstellt.
Größtes Ausgabensegment im Handel war 2019 erwartungsgemäß der Lebensmittelsektor mit 24,1 Mrd. €. Auch der Modehandel konnte aufgrund des anhaltenden E-Commerce-Booms um +2,5% auf 12,4 Mrd. € zulegen. „Der Büchermarkt hat hingegen ein Minus von 0,1 Prozent auf nunmehr 2,6 Mrd. Euro zu verdauen”, bedauert Studienautor Andreas Kreutzer von der Branchenradar.com Marktanalyse.
Die vom neuen Lifestyle getriebenen Ausgaben für Bekleidung und Schuhe hätten im Vorjahr noch weit deutlicher zugelegt, wenn nicht durch die steigende Bedeutung des Onlinehandels und des daraus resultierenden Preisdrucks die Produkte im Schnitt kontinuierlich günstiger würden.

E-Commerce legt weiter zu

Der Distanzhandel befindet sich laut Studie weiter auf Wachstumskurs. „E-Commerce hat im letzten Jahr erneut an Bedeutung gewonnen, die Wachstumsdynamik ist im Vergleich zu 2018 sogar noch gestiegen”, sagt Will. Demnach generierte der Digital Retail im Vorjahr um satte 13% höhere Privatausgaben – und ist 2019 erneut acht Mal so schnell gewachsen wie der stationäre Handel. „Corona befeuert den E-Commerce weiter”, wagt der Handelsverbands-Chef die Trendprognose.

Der Anteil des Distanzhandels an den einzelhandelsrelevanten Ausgaben liegt bei mittlerweile 9,6% (Vorjahr: 8,7%) – Tendenz steigend. Hinzu kommt: Neben den bislang im Onlinehandel dominierenden Warengruppen wird der E-Commerce für immer mehr Waren zum relevanten Vertriebskanal.
So erhebt der aktuelle Branchenradar für 2019 substanzielle Zuwächse etwa bei Wohnungseinrichtung und Hausrat (+21%), Drogeriewaren (+49%), Sportartikel (+26%) sowie Haus & Garten (+37%). „Im Lebensmittelhandel ist Online-Shopping zwar trotz massiver Investitionen noch eine Nischenangelegenheit, die Wachstumsdynamik ist allerdings mit +17 Prozent ebenfalls beträchtlich”, sagt Kreutzer.
Stärker als der Distanzhandel hat übrigens der KEP-Markt (Kurier-, Express- und Paketdienste) zugelegt. „2019 lag die Zahl der zugestellten Pakete im B2C-Bereich bei 151 Millionen. Damit ist das Paketvolumen innerhalb eines Jahres um 14 Prozent gestiegen”, bestätigt Will. Der Hauptgrund für die Paketlawine ist dabei tendenziell umweltfeindlich: Überproportional steigen nämlich die Teillieferungen und Retouren.
Darüber hinaus wird Österreich nach wie vor mit China-Paketen geflutet, indem die bestehende 22 €-Freigrenze durch asiatische Online-Händler vorsätzlich ausgenutzt wird.

Covid-19 krempelt um

Welche Auswirkungen hat nun Covid-19 auf die Haushaltsausgaben? „Wir gehen davon aus, dass die heimische Wirtschaft 2020 und 2021 durch die Corona-krise einen Ausgabenrückgang im Ausmaß von rund 26 Milliarden Euro verkraften muss”, beurteilt Will die Lage. Allein für dieses Jahr rechnet er mit einem coronabedingten Rückgang der Ausgaben privater österreichischer Haushalte um insgesamt 15 Mrd. €.

Dabei kommt der Handel vergleichsweise glimpflich davon: Rückgänge betreffen primär Investitionsgüter und Dienstleistungen. Videospiele (+7,7%), Nahrungsmittel (+7,1%), Medikamente (+6,2%) und Drogeriewaren (+1,3%) werden die Krise voraussichtlich mit einem Umsatzplus meistern. Am stärksten hat Covid-19 Möbel (–5,3%), Bekleidung/Schuhe (–3,8%) und Hausrat (–1%) getroffen.
„Generell wird Corona heuer den Onlinehandel in allen Warengruppen anschieben. Der E-Commerce federt vielerorts Umsatzverluste im stationären Sektor ab”, so Kreutzer. ­Darüber hinaus gewinnen Onlinehändler Marktanteile von der ­internationalen Konkurrenz zurück.

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