••• Von Georg Sander
WIEN. Der Ukrainekrieg brachte nach zwei Jahren Corona neue Herausforderungen für die österreichische Milchwirtschaft. Neben dem unermesslichen menschlichen Leid infolge des Krieges wurden die Rohstoff- und Energiemärkte von gewaltigen Preiswellen erfasst und gleichzeitig die Abhängigkeit von Vorleistungen, z.B. bei Energie drastisch vor Augen geführt”, erklärt Helmut Petschar, Präsident der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter (VÖM), im Interview mit medianet.
Vor diesem Hintergrund sei die österreichische Milchwirtschaft ein Garant für die sichere Versorgung mit hochwertigen heimischen Lebensmitteln, und dies trotz massiv gestiegener Kosten und teilweisen Engpässen für Vorleistungen. Diese Herausforderungen hätten die erwartete Rückkehr des Milchmarktes zu den gewohnten Absatzmustern, wie es sie vor der Pandemie gab, überlagert. Wie wirkt sich das aus?
Energie- und Rohstoffpreise
Die Energiepreise sind eine wesentliche Determinante für die Entwicklung der Rohstoffpreise und damit auch der Lebensmittel. So gebe es seit Jahrzehnten eine enge Korrelation der Notierungen von Öl- und Milchprodukten, auch wenn diese auf den ersten Blick nicht direkt verknüpft scheinen, weiß Petschar. Die hohen Energie- und Rohstoffpreise spürt die gesamte Lebensmittelkette: Während etwa den Landwirten vor allem die Energie-, Dünger- und Treibstoffpreise zusetzen, leiden die Molkereien am meisten unter den Gaspreiserhöhungen und der nicht absehbaren Versorgungslage sowie den „massiv gestiegenen Kosten im Verpackungsbereich oder bei sonstigen Rohstoffkosten, wie Früchten”.
Die Rückmeldungen wären zum Teil „dramatisch”, vor allem hinsichtlich der noch nie gekannten Höhe und der Geschwindigkeit, mit der diese eintreten, gleichzeitig „aber auch die Erfahrung, dass diese objektiv nachweisbaren Kostensteigerungen bei unseren Handelspartnern nicht die entsprechende Resonanz gefunden haben, wie in anderen Ländern, wo die Kostenabdeckungen und damit höhere Milchpreise für die Landwirte rascher erfolgten, die ja gleichfalls massiv betroffen sind”.
Der Österreicher gibt laut VÖM derzeit ca. 1,5% seines Einkommens für Milchprodukte aus. Der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel, so Petschar, ist in den letzten Jahrzehnten immer mehr zurückgegangen: „Anscheinend basiert das europäische Wohlfahrtsmodell zu einem hohen Anteil auf Basis billiger Lebensmittel, um mehr Mittel für andere Konsumausgaben verfügbar zu haben – ein langjähriger Prozess, der gerade angesichts von kriegsbedingten Versorgungskrisen derzeit infrage gestellt wird.”
Sozial denken
Der VÖM-Präsident sagt klar: „Ist es wirklich unser wichtigstes wirtschafts- und ernährungspolitisches Ziel, unsere Ernährungssicherheit dermaßen stark internationalen Entwicklungen auszuliefern und damit von anderen mehr als notwendig abhängig zu sein, oder sollten wir nicht mehr über eine gesicherte und nachhaltige Eigenversorgung, sei es auf nationaler oder EU-Ebene, setzen? Wir könnten damit auch einen Beitrag zur Nachhaltigkeit und zum Klimaschutz setzen, ich denke die Zeit dazu ist reif.” Die österreichische Milchwirtschaft ist jedenfalls dazu bereit und habe dies auch während der letzten Krisen eindrucksvoll bewiesen.
Angesichts der hohen allgemeinen Inflation gelte es, geeignete Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Kaufkraft zu setzen, die natürlich sozial ausgewogen, rasch und effektiv ankommen müssen: „Vor allem darf es nicht sein, dass der Staat oder einige Branchen, oftmals in mehrheitlich öffentlichem Besitz, hier Sondergewinne einfahren, und damit der breiten Bevölkerung buchstäblich die Butter vom Brot genommen wird.”
Was die Inflation selbst betrifft, so sehe sich die Milchwirtschaft nicht als Täter, sondern vielmehr als Opfer infolge massiv gestiegener Kosten und „das spüren wir bei den Absatzzahlen”. Der Durchschnittskonsument sei beim Tanken, bei der Miete, bei der Stromrechnung oder bei sonstigen Ausgaben, die er wenig beeinflussen kann, mit erheblichen Kostensteigerungen konfrontiert; übrig bleiben dann als einer der wenigen Bereiche, wo er selbst sparen kann, die Lebensmittel.
Bio als Erfolgsstory
Neben diesen Themen ist auch Nachhaltigkeit immer mehr gefragt und das Gebot der Stunde: „Unsere Qualitäts- und Nachhaltigkeitsstandards sind vorbildlich: Wir haben den höchsten Bioanteil in der EU, flächendeckende Gentechnikfreiheit, die besten Klimaschutzwerte, nachhaltige Spezialprodukte wie Heumilch, verzichten bei der Fütterung auf klimatisch bedenkliche Sojaimporte aus Übersee und Palmölprodukte. Wir haben hohe Tierwohlstandards, das AMA Gütesiegel mit hohen Qualitätsstandards und dazu durchgehende Kontrollsysteme, mit durchschnittlich 22 Kühen je Betrieb sehr überschaubare Betriebsgrößen, keine Massentierhaltungen, zwei Drittel der Produktion sind in Berggebieten und vieles mehr, was unsere Milchprodukte einzigartig macht.” Was es brauche? Vor allem eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung, einfach und praktikabel. Und freilich die richtige Energie wie Biomasse oder Fernwärme – diese Schiene soll in Zukunft ausgebaut werden, brauche aber Zeit und Unterstützung
Tierwohlstandards
Abschließend meint Petschar: „Den österreichischen Milchkühen geht es gut, bei uns kennt der Bauer seine Kühe zumeist noch beim Namen. Die österreichische Milchwirtschaft setzt schon lange auf hohe Tierwohlstandards, es gilt, hier praktikable Lösungsmöglichkeiten zu forcieren, welche die österreichischen Spezifika, wie kleine Strukturen, Almen und Berggebiete, berücksichtigen; wir wollen unsere kleinstrukturierte, flächendeckende Milchwirtschaft im Berggebiet, die neben der Milchproduktion für den Tourismus und unser Land so viel Positives bewirkt, nicht mit vorgetäuschten Tierwohlmaßnahmen durch neue Megaställe ersetzen.”