••• Von Oliver Jonke und Paul Hafner
Seit 4. September 2024 ist Kaufland mit seinem Online-Marktplatz auch in Österreich vertreten. Das Schwesterunternehmen des Diskonters Lidl war ursprünglich ein reiner Lebensmittelhändler; nach der Insolvenz von Mitbewerber Real erwarb die Schwarz Gruppe neben über 125 ehemaligen Filialen auch deren Non-Food-Onlinemarktplatz real.de, der 2021 in kaufland.de umgewandelt wurde. Als „Kaufland Global Marketplace“ wird er seither Schritt für Schritt internationalisiert. medianet-Herausgeber Oliver Jonke sprach mit Sebastian Rötsch, der diesen Prozess als internationaler Expansionsmanager von Kaufland e-commerce seit Oktober 2020 verantwortet.
medianet: Herr Rötsch, Sie sind seit über 13 Jahren im E-Commerce tätig. Wie hat Ihre Karriere begonnen?
Sebastian Rötsch: Ich komme ursprünglich aus der Start-up-Szene und habe dort verschiedene Shops mit aufgebaut und internationalisiert. Eine der größten Erfolgsgeschichten dieser Zeit war Westwing: Von einem kleinen Gründerteam mit zehn Leuten entwickelte sich das Unternehmen zu einem börsennotierten MDAX-Konzern mit 1.400 Mitarbeitenden.
medianet: Im Sommer 2017 verschlug es Sie dann zu Real Digital …
Rötsch: Genau, vor über acht Jahren habe ich dort als Leiter der Unternehmensentwicklung begonnen. Mit der Übernahme durch die Schwarz Gruppe und der Transformation zu Kaufland e-commerce habe ich schließlich die Verantwortung für die internationale Expansion übernommen. Mein Team und ich bringen den Marktplatz in neue Länder und sorgen dafür, dass er sich dort operativ erfolgreich entwickelt.
medianet: Wo sind Sie schon aktiv – und wo geht es als nächstes hin?
Rötsch: Unser Kernmarkt ist Deutschland. Von dort aus sind wir im Jahr 2023 in die Slowakei, danach nach Tschechien und Polen gegangen – Länder mit starker stationärer Präsenz. Vor einem Jahr haben wir schließlich in Österreich gestartet, unser erstes Land ohne Filialnetz. Ausschlaggebend waren die geografische Nähe, eine große Händlerbasis und eine Markenbekanntheit von rund 40 Prozent. Seit kurzem sind wir auch in Frankreich und Italien aktiv. Unser Ziel ist es, die größte und relevanteste europäische Plattform zu werden.
medianet: Ein ehrgeiziges Ziel – ihr tretet damit gegen Amazon an, aber auch gegen neue Player wie Temu und Shein. Hierzulande gibt es außerdem Shöpping.at. Wie will sich kaufland.at gegen die anderen Marktteilnehmer behaupten?
Rötsch: Ein Vorteil ist die angesprochene Nähe, die Händlern attraktive Lieferzeiten ermöglicht. Darüber hinaus glauben wir, dass es in Österreich – und in Europa insgesamt – ein Bedürfnis nach europäischen Alternativen gibt. Wir setzen auf Produkt- und Datensicherheit, klare regulatorische Standards und ein partnerschaftliches Verhältnis zu unseren Händlern. Viele möchten ihr Geschäft diversifizieren, statt von einer Plattform abhängig zu sein. Diese Rolle übernehmen wir.
medianet: Ist das partnerschaftliche Agieren euer wichtigstes Differenzierungsmerkmal gegenüber anderen Plattformen?
Rötsch: Es ist eines der wichtigsten. Händler schätzen, dass wir Diversifizierung ohne Kannibalisierungseffekte ermöglichen. Sie erweitern ihren Umsatz, statt ihn nur zu verteilen. Dazu kommt unser Provisionsmodell: Wir liegen unter dem Niveau der Konkurrenz, was mehr Marge für Händler bedeutet. Außerdem pflegen wir enge persönliche Beziehungen zu unseren Partnern, helfen bei Kampagnen, Listings oder Ads. Auch unsere Auszahlungsmodalitäten sind im internationalen Marktplatzvergleich oft besser, was das Cashflow-Management erleichtert. Für Kunden wiederum sind wir die europäische Alternative: mit Datensicherheit, Produktsicherheit und persönlichem Service – per Hotline oder E-Mail. Zudem bieten wir Zahlungsmöglichkeiten, die andere Plattformen nicht haben.
medianet: Wie sieht es mit den Transaktionswerten in Österreich im Vergleich zu anderen Märkten aus?
Rötsch: Sie sind weitgehend vergleichbar. Als Generalist mit 6.400 Kategorien sehen wir ähnliche Nachfragemuster wie in den Nachbarländern. Der Durchschnittswarenkorb liegt in Österreich bei rund 180 Euro, und damit etwas über dem deutschen Schnitt.
medianet: Wie groß ist vor diesem Hintergrund das Potenzial für Kaufland in Österreich – lässt sich das beziffern, etwa anhand der Zahl der Händler, die man ansprechen will?
Rötsch: Wir sprechen von etwa 1.000 bis 3.000 professionellen Onlinehändlern, die auf dem Niveau arbeiten, das wir anstreben. Aber darüber hinaus gibt es Händler, die mit uns ihre ersten Schritte Richtung Onlinehandel oder Internationalisierung nach Deutschland oder Tschechien machen. Für sie sind wir „Enabler“, weil wir vieles abnehmen – Marketing, Zahlungsabwicklung, Logistik im Hintergrund. Und über unser System können Händler mit einem einzigen Zugang in mehreren Ländern gleichzeitig verkaufen.
medianet: Was für eine Entwicklung prophezeien Sie dem Onlinehandel in den nächsten Jahren – in Österreich wie in Europa?
Rötsch: Corona hat das Wachstum beschleunigt, anschließend gab es eine Konsolidierung. Jetzt sehen wir wieder ein normales, gesundes Niveau. Statt 15 bis 20 Prozent wie vor Corona erwarten wir in Europa je nach Land zehn bis 15 Prozent Wachstum, in Österreich eher fünf bis zehn Prozent jährlich in den nächsten fünf Jahren. Unsere Ambition ist es, über Marktniveau zu wachsen und Marktanteile zu gewinnen. Der stationäre Handel hingegen stagniert oder schrumpft, sodass Online weiter zulegen wird – wenn auch langsamer als in der Pandemie.
medianet: Inwieweit wird man diesem Anspruch bisher in Österreich gerecht? Was für eine Zwischenbilanz ziehen Sie nach einem Jahr?
Rötsch: Es läuft sehr positiv. Österreich war unser erster Markt ohne stationäre Präsenz, es war schwer vorherzusehen, wie sich die Geschäfte entwickeln würden. Aber das Wachstum war deutlich schneller und stärker als erwartet. Wir erreichen rund eine Million Besucher pro Monat – also etwa jeden neunten Österreicher. Auch die Händlerzahlen steigen deutlich, in den letzten sechs Monaten haben wir um knapp 90% zugelegt, uns also fast verdoppelt.
medianet: Der Sortimentsfokus liegt, anders als im stationären Handel, auf Non-Food-Artikeln. Welche Produktkategorien gehen hierzulande am besten?
Rötsch: Unsere Top-Kategorien sind Garten, Heimwerken, Wohnen sowie Elektro und Computer. Topseller sind zum Beispiel Smartphones, Betten, Staubsaugroboter oder Polstermöbel. Es handelt sich also eher um geplante Suchkäufe als um Mitnahmeartikel. Der Fokus liegt klar auf Non-Food, ja, wobei wir auch Nearfood wie Wein oder andere haltbare Genussmittel anbieten. Frische Lebensmittel sind aktuell aber nicht geplant, das ist ein anderes Geschäftsmodell.
medianet: Welche Rolle spielen dabei besondere Programme, um die Kunden- und Händlerbindung zu stärken?
Rötsch: In Ländern mit stationärer Präsenz haben wir mit der Kaufland Card unser eigenes Programm. Externe Partnerschaften sind derzeit nicht geplant, wir glauben an unsere eigene Lösung. Besonders wichtig ist uns jedoch die All-in-One-Lösung Kaufland Global Marketplace: Mit einem Zugang können Händler in mehreren Ländern gleichzeitig aktiv werden. Gerade in kleineren Märkten wie Österreich, Tschechien oder der Slowakei wird das als Sprungbrett in den Onlinehandel und nach Europa sehr geschätzt. Gleichzeitig profitieren sie von unseren Services – etwa Marketingunterstützung, Übersetzungshilfe oder das Kümmern um die Zahlungsabwicklung – alles aus einer Hand. Das macht das Ganze für viele extrem attraktiv.
