Zwischenbilanz für Billa-Kaufleutemodell
© Billa/Robert Harson
TrioMarko Miskovic (Gloggnitz), Sadik Demir (Wien-Penzing) und Thomas Wojteckovsky (Pöttsching) – die drei ersten Billa-Kaufleute Österreichs.
RETAIL Redaktion 09.06.2023

Zwischenbilanz für Billa-Kaufleutemodell

Start trotz schwieriger Rahmenbedingungen geglückt – Zahl der Kaufleute soll heuer noch auf 15 steigen.

••• Von Paul Hafner

Ende Oktober 2022 eröffnete im niederösterreichischen Gloggnitz der erste selbstständig geführte Billa seine Tore: Marko Miskovic, langjähriger Billa Plus-Marktleiter in der Merkur City in Wiener Neustadt, ging als erster Billa-Kaufmann in die Geschichte des Lebensmittelhändlers ein. Drei Wochen später wurde Sadik Demir, bis dahin Marktmanager (Billa Plus in Wien-Favoriten), mit der Übernahme des Billa in der Hauptstraße 40 in Wien-Penzing zum ersten Billa-Kaufmann Wiens – und am selben Tag avancierte Thomas Wojteckovsky, ein weiterer Billa-Marktleiter, in Pöttsching (Bezirk Mattersburg) zum Burgenland-Debütanten.

Nun, ein gutes halbes Jahr später, wurde erstmals zusammen vor versammelter Presse eine Zwischenbilanz gezogen – und diese fällt positiv aus: Das Geschäft laufe „mittlerweile super”, berichtet Demir, der von einem großen Kundenecho berichtet und eifrig an der Individualisierung seines Sortiments werkt. Das Wiederaufsperren eines Mitbewerbers kurz nach Eröffnung des Billa-Markts habe man ein-zwei Monate gespürt, seit Februar sei die Kundenzahl aber „kontinuierlich am Wachsen”, die Vorzüge, einen Kaufmann-geführten Markt direkt in der Umgebung zu haben – und damit von einem besonders regionalitätslastigen Sortiment zu profitieren und jederzeit Wünsche bzgl. des Angebots einbringen zu können – würden von der Kundschaft sehr geschätzt.
Mit den beiden Kollegen steht Demir zwecks Erfahrungsaustausch via wöchentlich abgehaltenem virtuellen Meeting in Kontakt; „wenn es sich ausgeht, treffen wir uns auch einmal im Quartal zum Essen”.

Ein Trio für Ostösterreich

Dem ersten Eröffnungsreigen im vergangenen Herbst/Winter kann gleich in mehrfacher Hinsicht Symbolkraft beigemessen werden: In Ostösterreich ist die Rewe klarer Marktführer, hier wird das neue Modell getestet, ehe man sich in den Spar-dominierten Westen wagt. Auch die zwölf für heuer anvisierten Eröffnungen von selbstständig geführten Billa-Standorten – Kaufmann Nummer 4, Patrick Reiss, öffnet am 22. Juni in der Dreherstraße in Wien-Simmering seine Pforten – sollen sich in der Ostregion abspielen.

Kein Zufall ist weiters, dass es sich bei den Kaufleuten um Billa-Eigengewächse handelt. Zwar sei man künftig auch für externe Bewerbungen offen, wie Brian Beck, Billa-Vorstand Großhandel und Kaufleute, klarstellt, aktuelle Billa-Mitarbeiter mit Erfahrung im Vertrieb seien aber jedenfalls die „primäre Zielgruppe” des Kaufleute-Programms. Dass sich für dieses bis dato vorwiegend Männer gemeldet haben, räumt Beck ein, werden doch mehr als 60% der Billa-Filialen in Österreich von Frauen geleitet. Man sei aber dahinter, auch Marktleiterinnen die Selbstständigkeit – in der Rechtsform einer Offenen Gesellschaft (bei der die Kauffrau oder der Kaufmann 80% an Unternehmen hält) – als attraktiven Karriereschritt zu vermitteln.

Koexistenz mit Adeg

„Wir sind froh, so gut reingestartet zu sein, insbesondere angesichts der herausfordernden Rahmenbedingungen”, meint Beck mit Blick auf die Teuerung und das Warten auf den weiter ausständigen „Energiekostenzuschuss 2”.

Weil die Billa-Kaufleute die Energie über den (mutter-)konzerneigenen Energieversorger EHA und damit zu attraktiveren Konditionen beziehen, hat man hier gleichzeitig einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den von hohen Energiekosten gepeinigten Kaufleuten der Konkurrenz; das schafft eine gewisse Sicherheit, gehen die Verträge der Kaufleute mit Billa doch über die Dauer von 20 Jahren. Die langfristige Perspektive ist für Beck zentral – entsprechend spielen Assessment Center auch bei der Auswahl der Kaufleute aus dem Kandidaten-Pool eine große Rolle, nicht zuletzt zur Absicherung der Anwärter selbst.

Spielraum beim Sortiment

Wer Kaufmann oder Kauffrau werden will, muss neben der fachlichen Qualifikation auch ein gewisses Startkapital, einen „niedrigen, fünfstelligen Betrag”, mitbringen. Das Beteiligungsmodell sieht Unterstützung seitens Billa bei der Personalabrechnung, Buchhaltung und mit Aktionen vor; bei Personalwahl und Sortiment hat wiederum der Kaufmann viel Spielraum. So hat Demir etwa kürzlich ein in Österreich einmaliges, gekühltes Sortiment an Balkan- bzw. Ethno-Produkten eingelistet; Miskovic setzt in Gloggnitz verstärkt auf Suppen, regionale Säfte und Non-Food. Prinzipiell können die Kaufleute alles einlisten, was „logistisch abbildbar” ist, wie Beck formuliert – auch Artikel aus dem Billa Plus- und Billa Corso-Sortiment.

100 Kaufleute bis Ende 2026

Einmal mehr betont Beck die klare Unterscheidung der Kaufleute-Modelle von Billa und Adeg, die man auch langfristig beibehalten werde – und die jüngste Eröffnungswelle bei der Rewe-Schwester unterstreicht auch, dass ein Verschwinden der Marke Adeg ähnlich Merkur 2021 zumindest gegenwärtig wirklich kein Thema ist. Überlegungen bzgl. eines Penny-Kaufleutemodells verneint Beck, der Fokus gilt dem Entwicklungspotenzial des Billa-Kaufleutemodells.

Die im Herbst getätigte Ansage, bis Ende 2026 bei 100 Billa-Kaufleuten zu stehen, bekräftigt Beck, sich der „ambitionierten Ziele” bewusst; längerfristig habe man „noch viel Fantasie”, dereinst gelte der Fokus aber der mittelfristigen Perspektive.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL