WIEN. Industrielle Anwendungen von 5G standen im Mittelpunkt des Informationstechnischen Kolloquiums, einer Veranstaltung des OVE Österreichischer Verband für Elektrotechnik. Hochkarätige Vortragende aus Wissenschaft und Wirtschaft präsentierten im Rahmen des Informationstechnischen Kolloquiums konkrete Anwendungsbeispiele und warfen mit den mehr als 120 Teilnehmenden einen Blick in die Zukunft – auf 6G.
Mit einer extrem niedrigen Fehlerrate, geringer Latenz und deutlich gesteigerter Energieeffizienz bietet 5G, das Kommunikationsnetz der fünften Generation, zahlreiche Vorteile für die Industrie. Zuverlässige drahtlose Kommunikationsverbindungen werden zunehmend für Produktions- und Transportprozesse genutzt. „Das zentrale Nervensystem für die Digitalisierung von industriellen Prozessen sind zuverlässige 5G-Funksysteme”, so Thomas Zemen, Principal Scientist am AIT Austrian Institute of Technology, beim IT-Kolloquium 2022. Franz Ziegelwanger, im Bundesministerium verantwortlich für das Frequenzmanagement in Österreich, gab einen Überblick über nationale und internationale Rahmenbedingungen für Frequenzvergaben sowie einen Ausblick auf künftige Vorhaben.
Neuer Standard in Industrie
Die 5G-Technologie biete der Industrie erstmals stabile und hochverfügbare Kommunikation über Funk, wie sie für die Digitalisierung und Automatisierung notwendig sei, bestätigte Andreas Luftensteiner von K-Businesscom in seinem Beitrag. Und auch Andreas Müller, 5G-ACIA/Robert Bosch GmbH, zeigte sich überzeugt: „5G wird in der Fabrik der Zukunft ein bisher nicht gekanntes Maß an Flexibilität, Effizienz, Produktivität und Benutzerfreundlichkeit ermöglichen.”
In Summe mache die smarte Konnektivität mit 5G einen klaren Wettbewerbsvorteil für Unternehmen aus, so Karim Taga von der Unternehmensberatung Arthur D. Little.
Chancen und Grenzen von 5G
Chancen bringt 5G auch für die Elektronikindustrie: Innovative Anwendungen erfordern Komponenten aus neuen Materialien und mit neuen Designs, zeigte Erich Schlaffer vom Leiterplattenhersteller AT&S. Vielversprechende Anwendungsbeispiele von privaten Campus-Netzwerken stellte Alexander Wachlowski von A1 vor.
Die Grenzen von 5G aus Sicht eines Energieversorgers standen dagegen im Mittelpunkt des Vortrags von Herwig Klima von der Verbund Services GmbH.
„Das IT-Kolloquium 2022 hat anhand von 5G gezeigt, welche Möglichkeiten technologische Innovationen aus der Elektrotechnik und Informationstechnik Unternehmen in allen Bereichen bieten. Erste Forschungsprojekte für 6G zeigen die Weiterentwicklung des drahtlosen Kommunikationsnetzes mit zusätzlichen Funktionalitäten”, so OVE-Generalsekretär Peter Reichel.
6G im Fokus der Forschung
Mit 5G ist die Entwicklung keineswegs zu Ende – die Forschung für 6G habe bereits begonnen, so Hans-Peter Bernhard von der Silicon Austria Labs GmbH: „Wir arbeiten zum Beispiel an einer Kommunikation, die gleichzeitig mit der Datenübertragung auch Entfernungsmessung ermöglicht.”
Ivona Brandic von der TU Wien präsentierte in ihrem Vortrag neue Ansätze, um konkurrierende Prioritäten wie Energieeffizienz und Unbeständigkeit der maschinellen Lernmodelle auszugleichen.
Unter anderem werkt ein europäisches Konsortium, bestehend aus führenden Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Bereich des Mobilfunks und der Nachrichtentechnik, an der technischen Machbarkeit von 6G. Maßgeblich daran beteiligt sind die österreichischen Unternehmen Technikon Forschungs- und Planungsgesellschaft mbH (als Koordinator) und NXP Semiconductors Austria sowie das Institut für Signalverarbeitung und Sprachkommunikation der TU Graz.
Völlig neu gedacht
„Die Welt wird immer vernetzter. Mehr und mehr Daten müssen von immer mehr drahtlosen Geräten ausgesendet, empfangen und verarbeitet werden – der Datendurchsatz wächst. Im Horizon2020-Projekt REINDEER widmen wir uns diesen Entwicklungen und erarbeiten ein Konzept, mit dem die Datenübertragung in Echtzeit praktisch ins Unendliche skalierbar ist”, so TU Graz-Forscher Klaus Witrisal, Experte für drahtlose Kommunikationstechnik.
Denn die Art der Antennen für die Datenübertragung werde sich ändern müssen; denkbar wären etwa Antennen als Wandfliese oder Tapete. Wie das gelingen soll? Witrisal erklärt den Ansatz: „Wir wollen eine sogenannte RadioWeaves-Technologie entwickeln – eine Art Antennengewebe, das an jedem Ort in beliebiger Größe installiert werden kann, etwa in Form von Wandfliesen oder als Tapete. So können ganze Wandflächen als Antennenstrahler fungieren.”
Hindernis der Basisstationen
Bei bisherigen Funkstandards wie UMTS, LTE oder auch aktuell 5G erfolgt die Signalübertragung über Basisstationen – also eine Antenneninfrastruktur, die fest an einer Position verortet ist. Je dichter das Netz an ortsfester Infrastruktur ist, umso höher ist der Durchsatz (also jene Datenmenge, die in einem bestimmten Zeitfenster übertragen und verarbeitet werden kann). Diese Basisstationen stellen allerdings einen Flaschenhals dar: Je mehr drahtlose Geräte mit einer Basisstation verbunden sind, desto instabiler und langsamer ist die Datenübertragung.
Mit der RadioWeaves-Technologie würde dieser Flaschenhals verschwinden, „weil wir anstelle eines einzigen Knotenpunktes beliebig viele Knotenpunkte einhängen können”, so Witrisal. Bis 2024 möchte das Konsortium einen ersten Hardware-Demonstrator entwickeln, um die RadioWeaves-Technologie experimentell validieren zu können. Spruchreif werde 6G aber eher erst Ende des Jahrzehnts. (hk)