INDUSTRIAL TECHNOLOGY
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Redaktion 20.09.2024

Versorgungssicherheit jetzt ausbauen

Die multiplen Krisen haben gezeigt, dass es in Österreich in Sachen Versorgungssicherheit noch Nachholbedarf gibt.

Das beherrschende Thema der kommenden Jahre wird die Versorgungssicherheit Österreichs sein – und damit auch die Zukunft des Wirtschaftsstandorts. Mit Herausforderungen der Versorgungssicherheit ist Andreas Reichhardt, Sektion VI des Finanzministeriums für Telekommunikation, Post und Bergbau, beschäftigt.

medianet bat Sektionschef Andreas Reichhardt und IV-Generalsekretär Christoph Neumayer zum Interview.

medianet: Herr Reichhardt, würden Sie uns bitte kurz einen Überblick über die Aufgaben ­Ihrer Sektion geben?
Andreas Reichhardt: Unsere Sektion spielt eine zentrale Rolle, wenn es um die Versorgungssicherheit vor allem in den Bereichen Telekommunikation, Postwesen und Bergbau geht. Unsere Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass wir in Krisenzeiten, wie wir sie etwa mit dem Russland-Ukraine-Konflikt erleben oder der Covid-19-Pandemie erlebt haben, gut aufgestellt sind. Dafür koordinieren wir in unserer Stabsstelle für Sicherheitsforschung und Technologietransfer Maßnahmen, die Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft stärken. Das schaffen wir durch einen engen Austausch mit anderen Ministerien und internationalen Partnern, in jüngerer Zeit etwa durch Technologietransferabkommen mit Slowenien, Griechenland oder Usbekistan.

Unser Ziel ist es, dass Österreich sowohl bei der Rohstoffversorgung, als auch in anderen Belangen wie etwa der digitalen Infrastruktur bestens abgesichert ist. Um dies auch zukünftig zu gewährleisten und maximale Budgetwirkung zu erreichen, ist unsere Stabsstelle für alle Belange der bundesweiten Sicherheits- und Verteidigungsforschung zuständig. Mit den drei Förderprogrammen in den Bereichen zivile Sicherheitsforschung (KIRAS), Verteidigungsforschung (FORTE) und Cybersicherheit (Kybernet-Pass/K-Pass), die im Rahmen der sogenannten Österreichischen Sicherheitsklammer zusammengefasst werden, schreiben wir, natürlich in enger inhaltlicher Abstimmung mit Sicherheitsbehörden, jährlich Calls in der Höhe von 19 Millionen Euro aus. Mit diesem in Europa wohl einzigartigen Zugang entstehen jene Erkenntnisse und Technologien, die notwendig sind, um Österreich auch in Zukunft sicher zu wissen.


medianet:
Welche Erfolge konnten Sie bereits erzielen?
Reichhardt: In den vergangenen Jahren haben wir einiges erreicht. Eines unserer wichtigsten Projekte ist die ‚Breitbandstrategie 2030'. Damit wollen wir sicherstellen, dass bis 2030 überall in Österreich gigabit­fähige Netze verfügbar sind. Dafür wurde ein Investitionspaket von 1,4 Milliarden Euro geschnürt, und die ersten Ausschreibungen laufen bereits erfolgreich.

Gleichzeitig kümmern wir uns um die Energieversorgung. Hier setzen wir auf strategische Gasreserven und den Ausbau von Erdgasspeichern, um mögliche Engpässe abzufedern. Außerdem haben wir den ‚Masterplan Rohstoffe 2030' ins Leben gerufen. Dieser Plan enthält Maßnahmen, die darauf abzielen, die heimische Rohstoffgewinnung zu stärken und die Abhängigkeit von Importen zu verringern.
Im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungsforschung konnten seit Start des KIRAS-Programms 2006 fast 500 Forschungsprojekte mit einer Gesamtsumme von rund 180 Millionen Euro gefördert werden, die sowohl den zuständigen Behörden als auch der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft in den Bereichen Sicherheit & Verteidigung zugutekamen und -kommen. Um den Übergang von der Forschung in den Markt zu erleichtern, wurde 2023 ein Förderinstrument, ‚Innovation Akut', eingeführt, das es österreichischen Unternehmen in Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden ermöglicht, Innovationen für ein Jahr gemeinsam im Einsatz zu testen.

 

medianet: Wie sehen Strategien bei der Rohstoffversorgungs­sicherheit aus?
Reichhardt: Unsere Strategie stützt sich im Wesentlichen auf drei Säulen. Zum einen wollen wir die heimische Rohstoffgewinnung stärken, zum anderen setzen wir auf die Diversifizierung unserer internationalen Lieferquellen. Der dritte wichtige Punkt ist die Förderung einer Kreislaufwirtschaft. Hier spielt unser Masterplan eine Schlüsselrolle, der konkrete Maßnahmen bietet, um die Versorgungssicherheit zu erhöhen und gleichzeitig eine nachhaltige, umweltfreundliche Rohstoffgewinnung zu fördern. Besonders wichtig sind uns Innovationen im Bereich Recycling und intelligentes Produktdesign. So wollen wir Österreich unabhängiger von Rohstoffimporten machen.

medianet:
Wie ist Österreich beim Bergbau aufgestellt?
Reichhardt: In bestimmten Bereichen kann sich Österreich weitgehend selbst versorgen. Diese Rohstoffe sind enorm wichtig für den Erhalt und Ausbau unserer Infrastruktur. Um die Versorgung noch weiter zu verbessern, setzen wir auf die Erkundung und nachhaltige Nutzung unserer heimischen Ressourcen. Die Rahmenbedingungen für den Bergbau in Österreich werden dabei stetig weiterentwickelt, damit wir sowohl wirtschaftlich effizient als auch umweltfreundlich arbeiten können.

Mit dem ‚Masterplan Rohstoffe 2030' sorgen wir dafür, dass die Rohstoffgewinnung in Österreich zukunftssicher und umweltgerecht abläuft. Das trägt natürlich zur langfristigen Stabilität und Versorgungs­sicherheit bei.

Industrielle Basis sichern

Christoph Neumayer ist seit April 2011 Generalsekretär der Industriellenvereinigung und beschäftigt sich unter anderem mit der Zukunft des Wirtschaftsstandorts Österreich und ortet dabei Handlungsbedarf.

medianet:
Was sind derzeit die wichtigsten Faktoren?
Christoph Neumayer: Der Erhalt und die Weiterentwicklung der industriellen Basis ist kein Selbstläufer. Die Wettbewerbsfähigkeit wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst – dazu zählen unter anderem hohe Energiekosten, bürokratische Hürden und ein Fachkräftemangel. Ohne rasche und entschlossene Maßnahmen wird es für Unternehmen immer schwieriger, hier zu investieren und zu wachsen.

medianet:
Wie kann sich Österreich gegen die Auswirkungen geopolitischer Spannungen wappnen?
Neumayer: Die stabile und leistbare Energieversorgung ist sicherzustellen, denn sie ist das Rückgrat jeder industriellen Tätigkeit. Wir müssen die Energieinfrastruktur zügig ausbauen, sowohl im Bereich der Erneuerbaren Energien, als auch bei der Sicherstellung der Gasversorgung als Übergangstechnologie. Hier ist insbesondere eine Diversifizierung der Energiequellen von zentraler Bedeutung, um Versorgungsengpässe zu vermeiden.

Die Bürokratie muss abgebaut, Investitionshemmnisse beseitigt werden. Es braucht schnelle Genehmigungsverfahren und ein investitionsfreundliches Klima. Leider hemmen zu viele Vorschriften Innovationen und mindern die Attraktivität des Standorts. Zudem ist ohne qualifizierte Arbeitskräfte keine nachhaltige industrielle Entwicklung möglich. Hier müssen wir alles tun, um mehr Fachkräfte ins Land zu holen und bestehende Arbeitnehmer weiterzubilden. Es bedarf einer Langfriststrategie, um die Attraktivität des Standorts für Talente aus In- und Ausland zu erhöhen.


medianet:
Welche Folgen hätte eine Abwanderung der Indus-trieproduktion?
Neumayer: Das hätte gravierende Folgen wie den Verlust von Arbeitsplätzen, Innovationskraft und Wettbewerbs­fähigkeit. Die Industrie ist Rückgrat der heimischen Wirtschaft und trägt maßgeblich zu Wertschöpfung und Wohlstand bei. Deshalb müssen wir uns darauf konzentrieren, Zukunftstechnologien und die Transformation zur klimaneutralen Produktion zu fördern. Gleichzeitig sollten wir darauf achten, dass die Transformation schrittweise erfolgt, um die Wirtschaft nicht zu überlasten und sicherzustellen, dass sie für alle Beteiligten, Unternehmen, Arbeitnehmer und Gesellschaft machbar ist. (ah)

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