STUTTGART. Noch ist die Technologie überhaupt nicht auf der Straße, großes Thema ist sie aber trotzdem schon. Kein Wunder, verspricht autonomes Fahren doch zu einem gigantischen Milliardenmarkt zu werden – jedenfalls für Mehrwertdienste, mit denen Automobilhersteller und Zulieferer die Einbußen durch sinkende Absatzzahlen herkömmlicher Kfz abmildern bis auffangen könnten. Die Automobilbranche muss sich das Marktpotenzial allerdings mit Technologieunternehmen teilen, die sich mit Endgeräten und Onlineservices einen Teil der Wertschöpfungskette unter den Nagel reißen wollen.
100 Euro pro Fahrer und Monat
Wie viel Autofahrer für den Konsum von Mehrwertdiensten ausgeben würden, hat die Managementberatung Horváth & Partners mit dem Fraunhofer IAO in der gemeinsamen Studie „The Value of Time – nutzerbezogene Service-Potenziale durch autonomes Fahren” untersucht. Das Ergebnis lässt aufhorchen: Für die sechs definierten Bedürfniskategorien Kommunikation, Produktivität, Grundbedürfnisse, Wohlfühlen, Information und Unterhaltung wurden durchschnittliche Zahlungsbereitschaften von jeweils zwischen 20 und 40 € pro Monat ermittelt.
„Drei Viertel der befragten 1.500 Autofahrer würden für Mehrwertdienste in einem autonomen Fahrzeug zahlen”, fasst Ralf Gaydoul, Partner und Leiter des Automotive Centers bei Horváth & Partners, das Ergebnis des Projekts zusammen. „Wir gehen davon aus, dass autonome Fahrzeuge sich in den nächsten zehn Jahren etablieren werden. Je mehr sich das autonome Fahren durchsetzt, desto größer wird die Nachfrage der Nutzer nach Services sein, um die frei werdende Zeit im Auto sinnvoll zu nutzen. Summiert man die Werte über alle Bedürfniskategorien hinweg auf, so kommt man auf einen monatlichen Betrag von weit über 100 Euro pro Fahrer.”
Neue Player ante portas
Am größten ist laut der Studie die Bereitschaft, Geld für Angebote rund um Kommunikation und Produktivität zu investieren. „Diese Services werden in allen untersuchten Ländern am stärksten nachgefragt, jedoch mit unterschiedlicher Ausprägung”, so Jennifer Dungs, Leiterin des Geschäftsfelds Mobilitäts- und Stadtsystem-Gestaltung am Fraunhofer IAO. „In Japan ist beispielsweise das Interesse an Social-Media-Diensten während der Fahrt überdurchschnittlich hoch.” Dementsprechend können Anbieter aus verschiedenen Bereichen signifikante Umsatzanteile gewinnen. Neben Automobilherstellern und Zulieferern gehören Hersteller technischer Endgeräte und digitale Serviceanbieter dazu; für die Automobilbranche zeichnet sich dadurch eine zunehmende Konkurrenz durch branchenfremde Unternehmen ab.
Ob ein Autofahrer bereit ist, für Mehrwertdienste zu zahlen, hängt der Untersuchung zufolge auch von seiner Generationszugehörigkeit ab: Ab dem Alter von 35 Jahren nimmt die Zahlungsbereitschaft deutlich ab.
Die tägliche Fahrtzeit spielt ebenfalls eine Rolle: Je mehr Zeit eine Person im Auto verbringt, desto eher ist sie bereit, Mehrwertdienste kostenpflichtig zu nutzen.
Vom Fahrzeugsegment ist die Zahlungsbereitschaft dagegen weitestgehend unabhängig – Kleinwagenfahrer sind an Mehrwertdiensten ebenso interessiert wie Fahrer von Mittel- oder Oberklassewagen. (red)