Wien. Noch billiger produzieren, noch näher an die Kunden rücken und in neue Produktionsstätten insbesondere in Schwellenländer investieren. Geht es nach der aktuellen Studie „The Proximity Paradox: Balancing Auto Suppliers’ Manufacturing Network” der Boston Consulting Group (BCG) und des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, müssen Zulieferer in Zukunft nichts weiter beherzigen, um erfolgreich zu sein. Weltweit wurden dafür 42 Unternehmen befragt – darunter 25 der 100 größten Zulieferer sowie eine Auswahl mittelgroßer Unternehmen.
Sparpläne der Hersteller
Der steigende Kostendruck – immerhin für 86 Prozent der befragten Zulieferer spürbar – geht zum größten Teil von den ehrgeizigen Sparplänen der großen Hersteller aus. Wollten diese ihre jährlichen Ausgaben bislang durchschnittlich um zwei bis drei Prozent senken, dürften die Sparziele künftig auf vier bis sechs Prozent hochgefahren werden – das entsprechende Einsparvolumen liege laut BCG bei bis zu 6 Mrd. USD (5,35 Mrd. Euro). Diesen Vorgaben zu folgen wird für die Zulieferer allerdings immer schwieriger, da ihre Produktionsnetze zunehmend weltweit angesiedelt sind und dadurch immer komplexer werden. Zwar gaben 79 Prozent der Befragten an, dass sie mit den Leistungen ihrer lokalen Produktionsstätten in Schwellenländern zufrieden sind, bei 68 Prozent waren die Einsparungen jedoch geringer als erwartet. Ein Ende dieses Dilemmas ist laut BCG nicht in Sicht – im Gegenteil: „Der Preisdruck wird weiter anhalten. Schwellenländer zu umgehen, ist keine Option, denn diese Märkte sind wichtig für das Wachstum”, so Manfred Beck, BCG Associate Director und einer der Studienautoren.
Weitere Werke in Planung
Ein Zulieferer, der weltweit zehn Fertigungsstätten betreibt, wird diese in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich auf elf Werke erweitern, um näher an der Produktion seiner Kunden zu sein – so die Prognose der Befragten. All das treibt die weltweite Zersplitterung weiter voran: Befanden sich 2009 noch 66 Prozent der Fertigungsstandorte der befragten Unternehmen in den Triade-Regionen Westeuropa, USA und Japan, beträgt dieser Anteil heute nur noch 58 Prozent – und wird bis 2019 voraussichtlich auf 47 Prozent sinken. „Die Verlagerung von Produktionsstätten und Leitwerken wird sich besonders in der europäischen Zulieferbranche gravierend auswirken”, sagt Beck. Für Deutschland würde das bedeuten, dass 35.000 der derzeit 290.000 Beschäftigten in Automobilzulieferfirmen von Werksschließungen betroffen sein könnten. Es wird erwartet, dass in fünf Jahren knapp 60 Prozent der Gesamtproduktionskapazitäten der Automobilzulieferer in Schwellenländern angesiedelt sind, gegenüber nur 45 Prozent vor fünf Jahren.
An Optimierung arbeiten
„Die befragten Firmen sind sich einig, dass sie ihre Fertigungsnetze anpassen sollten”, sagt Frank Lesmeister, BCG Associate Director und Koautor der Studie. „Unsere Untersuchungen zeigen jedoch, dass es den meisten Zulieferern an den organisatorischen Fähigkeiten, den Geschäftsprozessen und den Instrumenten für eine optimale geo-grafische Aufstellung ihrer Fertigung fehlt.” Die Autoren empfehlen Zulieferern, ihre Optimierungsprogramme einem sorgfältigen Check zu unterziehen. So könnte ermittelt werden, ob die vorhandenen Kapazitäten die erwartete Nachfrage in einer Region abdecken. Der Check sollte Fähigkeiten und Verantwortlichkeiten des Managements bewerten sowie die eingesetzten Methoden und Werkzeuge zur Verbesserung auf den Prüfstand stellen. Ein Programm zur Netzwerkoptimierung muss sowohl an der globalen Wertschöpfungskette und der Organisationsstruktur als auch an den Fertigungsprozessen ansetzen, folgern die Autoren der Studie. www.bcg.com