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© medianet/Martina Berger

Walter Zinggl

Dinko Fejzuli und Laura Schott 26.04.2019

„Signale aus dem Markt gab es schon länger”

News-Sender n-tv bekommt eigenes Programmfenster für Österreich. IP-Chef Walter Zinggl im Interview.

••• Von Dinko Fejzuli und Laura Schott

Seit Vorjahresbeginn gibt es auf n-tv ein eigenes österreichisches Werbefenster. Nun setzt man auch in puncto Inhalte auf Austrifizierung, denn diese Woche startete die Mediengruppe RTL ihren ersten Sender mit Programminhalten aus Österreich: n-tv Austria zeigt die in Kooperation mit krone.tv produzierte Polit-Talkshow „#brennpunkt” ab sofort immer mittwochs in dem neu geschaffenen österreichischen Programmfenster.

medianet:
Herr Zinggl, jahrelang hieß es, ein Programmfenster würde sich finanziell nicht ausgehen. Nun scheinen Sie doch eine Lösung gefunden zu haben, ohne dabei vom Prinzip des ordentlichen Kaufmanns abzugehen. Wie geht das?
Walter Zinggl: Es ist kein Geheimnis, dass wir immer versucht haben, österreichischen Content auf unseren Sender zu bringen. Klarerweise war der erste Schuhlöffel n-tv selbst, weil der Sender einfach aufgrund seiner Positionierung als reiner Nachrichtensender in Österreich einzigartig ist. Der zweite Auslöser war, dass wir nach dem Kauf von ATV durch die ProSiebenSat1. Puls 4-Gruppe schon ein bisschen intensiver über dieses Thema nachgedacht haben.

medianet:
Und was ist dabei herausgekommen?
Zinggl: Dabei ist herausgekommen, dass wir durch die möglichen Synergien, die aufgrund unserer Gesellschafterstruktur möglich sind (die IP Österreich gehört jeweils zu 50% der Kronen Zeitung und der IP Deutschland, Anm.d.Red), zumindest einmal eine gute Basis haben. Es wird nach allen Möglichkeiten auch einen zweiten Schritt geben und hoffentlich auch einen dritten. Das alles ist selbstverständlich auch abhängig von den behördlichen Lizenzerteilungen.

medianet:
Sie denken also schon an Schritt zwei und drei?
Zinggl: Jetzt warten wir einmal ab, ob das, was wir als Voraussetzung und Rahmenbedingung angedacht haben, auch eintritt – nämlich dass das, was man an österreichischen Programminhalten ins Programm hievt, dann auch mit besseren Reichweitenzahlen aufwartet als das, was man damit ersetzt. Wir sind davon 100prozentig überzeugt, aber auch hier, wieder im Sinne des ordentlichen Kaufmanns, evaluiert man zunächst den ersten Schritt und dementsprechend gestaltet man den zweiten und den dritten.

medianet:
Wie entstand die ­Kooperation mit der Krone?
Zinggl: Auf der Suche nach einem Partner und Contentlieferanten waren wir natürlich zu allererst mit der Kronen Zeitung im Gespräch. Die Kollegen von n-tv haben dann das Format ‚Brennpunkt' gesehen und es als wirklich gut zu n-tv passend erachtet. Die Sendung ist hochprofessionell gemacht, und Katia Wagner macht als Moderatorin einen tollen Job.

Würden die Gäste dementsprechend angepasst, könnte man das Format im Grunde, so wie es ist, auch in Deutschland einsetzen. Es passt einfach gut zu n-tv. Das ist etwas, das man oft vergisst, wenn man über ein Programmfenster diskutiert: dass es immer noch zur DNA des Senders passen muss. n-tv ist ja nach wie vor n-tv, auch wenn es jetzt n-tv Austria heißt. Der Sender hat einen gewissen Qualitätsanspruch, er steht für gewisse Dinge, er ist eine Marke, und alles, was man ändert, darf die DNA dieser Marke an sich nicht verändern, sondern sollte ein Perfect Match darstellen. Und beim ‚Brennpunkt' war das genau so. 


medianet:
Wie war die Reaktion der Werbekunden auf das neue Angebot?
Zinggl: Signale vom Markt, wir sollen diesen Schritt gehen, gab es in Wahrheit schon seit etlichen Jahren. Kunden haben uns auch signalisiert, dass sie uns mit noch freundlicheren Augen betrachten würden, wenn wir diesen Schritt gehen. Schauen wir mal …

medianet:
Und was genau können Sie diesen Kunden nun im Rahmen des Programmfensters anbieten?
Zinggl: Im Gegensatz zu den Kollegen, die hier vor Ort produzieren, konnten wir der Werbewirtschaft bis jetzt keine Dinge wie etwa Product Placement in einer Sendung anbieten. Das können wir mit ‚Brennpunkt' jetzt zum ersten Mal machen und das werden wir klarerweise auch tun. Ansonsten sind wir derzeit noch auf die Werbeblöcke und Sponsorenhinweise bzw. Patronanzen angewiesen.

medianet:
Wie sieht die Ziel­vorgabe für die Sendung aus?
Zinggl: De facto gibt es keine. Die einzige Zielvorgabe ist, dass wir an diesem Sendeplatz künftig mehr Zuseher ansprechen, als wir es bis dato getan haben.

medianet: Das
klingt etwas unambitioniert …
Zinggl: … könnte man meinen; aber wenn man das angepeilte Budget kennt, weiß man, dass dies sehr ambitioniert ist. Was man hier nicht vergessen darf, ist, dass eine einzelne Sendung in der Woche nichts ist, was das Jahresbudget wahnsinnig verändert. Die meisten Kunden operieren bei der Gestaltung des Station Mixes auf der Basis der Durchschnittsreichweite pro Tag und versuchen dann, in den für sie interessanten Zeitzonen zu optimieren und dort die Sender zu nutzen, die eben über dem Durchschnitt funktionieren. Wenn wir bei n-tv heuer das geplante Budget erreichen, dann haben wir jedenfalls alle einen sehr guten Job gemacht.

medianet:
Gerade, weil es um Nachrichten geht – wie weit hilft es im Wettbewerb, dass Sie als Hälfteeigentümer einen Verlag im Rücken haben?
Zinggl: Am Ende des Tages geht es nicht darum, besser oder schlechter als irgendjemand anderer zu sein, sondern darum, wo wir die Kraft, die in irgendeiner Form in dieser Gesamtorganisation drin ist, am besten auf den österreichischen Markt bringen. Und nachdem wir ein Privatunternehmen sind, geniere ich mich auch nicht dafür, zu sagen, das Ganze dabei mit einem möglichst hohen Gewinn kapitalisieren zu wollen. Hier gibt es definitiv Potenziale, die wir aus vielen verschiedenen Gründen und nicht zuletzt aufgrund der rechtlichen Situation bisher nicht zu 100 Prozent ausgeschöpft haben. Wir beschäftigen uns natürlich mit diesen Dingen, und ich werde alles tun, dass dieser erste Schritt nicht nur von einem zweiten und dritten, sondern in weiterer Folge auch von einem vierten und fünften gefolgt wird. Aber dazu muss sich das alles zunächst einmal etablieren. Wir gackern erst, wenn die Eier gelegt sind.

medianet:
Das heißt, am Ende könnte hier zum Beispiel ein eigener österreichischer Sender stehen oder gar ein Zukauf?
Zinggl: Möglich ist alles. Zukaufen – da bleibt nicht mehr viel übrig. Ich meine, man soll nie ‚nie' sagen, aber ich sehe den Markt, was das Publikum betrifft, zwischen den drei großen Gruppen relativ klar aufgeteilt. Wenn man möchte, kann man noch Servus TV sozusagen als Stand-alone-Sender dazunehmen und das war es dann auch schon. Beim Zukauf sehe ich also keine große Fantasie, die sehe ich eher in Bereichen wie dem Aufbau einer eigenen Redaktion. Mit der RTL Austria haben wir jetzt eine 100prozentige Tochter der RTL-Gruppe hier, die sich der Programmgenerierung widmet. Ob es irgendwann einen eigenen Sender gibt, kann ich jetzt noch nicht sagen, so etwas kostet natürlich auch sehr viel Geld. Das bleibt also noch offen.

medianet:
Auch wenn es jetzt noch nicht so weit ist: Wie sehen Sie als ehemaliger ORF-Enterprise-Geschäftsführer die Tatsache, dass ein weiterer Privatsender dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, was den Tagesbeginn in puncto Aktualität angeht, überholen könnte? Dort findet die erste Nachrichtensendung um sieben Uhr früh statt.
Zinggl: Ich persönlich glaube, dass der ORF aufgrund von vielen Rahmenbedingungen einerseits und selbst gewählten Beschränkungen andererseits nicht mehr in der Lage ist, alle Bedürfnisse der an Nachrichten interessierten Österreicher zu bedienen. Ich denke – und deshalb bin ich auch so froh, dass wir mit n-tv den einzigen reinen Nachrichtensender im Portfolio haben –, dass es eine nicht zu kleine Zielgruppe an Österreichern gibt, die an aktueller Information mit einem journalistischen Anspruch und einer journalistischen Qualität, die über das hinausgeht, was man auf Facebook und Konsorten antreffen kann, interessiert sind. Nehmen wir als Beispiel die Berichterstattung über den Brand von Notre-Dame her: Hier hatten wir mit 90.000 Zusehern über drei Stunden hinweg eine sehr gute Reichweite. Ich sehe hier ein großes Potenzial für n-tv als Marke, denn offensichtlich gibt es im öffentlich-rechtlichen Bereich nicht die Rahmenbedingungen, so flexibel sein zu können, um in so einem Fall auf Knopfdruck das Programm durch Liveberichterstattung zu ersetzen. Und wenn wir das in einem zweiten Schritt mit österreichischen Inhalten – in welcher Art und Weise auch immer – tun können, dann bin ich überzeugt, dass wir uns über n-tv keine Sorgen machen müssen.

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